So gut stehen Sachsens Chancen auf die Chipfabrik

Dresden. Frankreich ist aus dem Rennen: Der taiwanische Mikrochip-Hersteller TSMC hat in dieser Woche bekannt gegeben, dass er den Bau einer Fabrik in Deutschland erwägt. Damit ist eine Milliarden-Investition in Sicht. Kommt sie nach Sachsen?
Immerhin hat Bosch erst vor wenigen Wochen in Dresden eine Chipfabrik mit zunächst 250 Arbeitsplätzen eröffnet, in der noch Platz für mehr Maschinen und im Endausbau für insgesamt 700 Beschäftigte ist. Das taiwanische Branchenmedium Digitimes hat berichtet, dass TSMC mit örtlichen Behörden über mögliche Großinvestitionen in Dresden sowie in Kumamoto in Japan spreche.
Eine Bestätigung dafür ist nicht zu bekommen – Wirtschaftsförderer berufen sich grundsätzlich auf Geheimhaltung und wollen keine Investoren durch Indiskretionen verschrecken. Auch im Branchenverband Silicon Saxony sagt Geschäftsführer Frank Bösenberg, zu konkreten Ansiedlungsprojekten könne er „natürlich nichts sagen“. Doch es wäre „eine Super-Nachricht“, wenn die Mikrochipfabrik käme. Auf Fachmessen in Taiwan habe sich der Standort schon präsentiert.
Dulig: Halbleiter-Industrie wird sich ausbauen
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sagte in einer Diskussion über Großansiedlungen in Sachsen, in der Halbleiter-Industrie sei der Freistaat bereits führend, „das wird sich noch weiter ausbauen“. Während vor einigen Jahren die Zeit der Großansiedlungen in Sachsen beendet zu sein schien, zeigten nun „internationale Unternehmen auf einmal Interesse“.
Ähnlich äußerte sich Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP): Halbleiter seien derzeit knapp. „Dass sich da für Europas größten Halbleiter-Standort Chancen ergeben, liegt auf der Hand“. Ein solches Netzwerk wie das Silicon Saxony gebe es in Europa kein zweites Mal.
Einzig Hilberts Parteifreund Frank Müller-Rosentritt, Bundestagsabgeordneter aus Chemnitz, zeigte sich in einer Pressemitteilung schon sicher über die Investition: Er begrüßte „die geplante Ansiedlung des Hightech-Unternehmens Taiwan Semiconductor Manufacturing Company nördlich von Dresden“.
Was wird aus dem Grundstück von Philip Morris?
Tatsächlich gibt es im Dresdner Norden ein großes Grundstück, das nur auf die nächste Mikrochipfabrik zu warten scheint: gleich hinter der Bosch-Immobilie, nur durch eine junge Alleestraße davon getrennt. Die Lage ist günstig: Die Straße Am Erlichberg liegt nahe am Flughafen und an der Autobahn 4. Einen Baumarkt gibt es auch in der Nähe, und das Maskenzentrum AMTC – dort werden Schablonen für die Belichtung von Siliziumscheiben in Chipfabriken hergestellt.
Das interessante Grundstück gehört zwar bisher dem Tabakkonzern Philip Morris. Der hat vor vier Jahren angekündigt, dort auf 80.000 Quadratmetern eine Fabrik für Tabakstäbchen zu bauen – Produkte namens Heets, die anders als Zigaretten nicht verbrannt, sondern in einem elektronischen Mundstück erhitzt werden.
500 Arbeitsplätze sollten dort entstehen, nach dem Vorbild einer ähnlichen Fabrik bei Bologna. Das Grundstück wurde planiert, doch der Hochbau begann nie – obwohl er Anfang 2019 abgeschlossen sein sollte. Vor drei Jahren sagte das Unternehmen auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung, der Bau sei „unterbrochen“ worden, weil Philip Morris seine Werkskapazitäten weltweit überprüfen wolle. Bestehende Fabriken wurden auf die Heets-Produktion umgerüstet, die Nachfrage entwickelte sich zunächst nicht so stark wie erhofft.
Bosch baute erst in Schwaben, dann in Sachsen
Laut Dulig hat Sachsen Investoren attraktive Grundstücke in unterschiedlichen Größen zu bieten. Entscheidend für Neuansiedlungen seien Fachkräfte und Flächen. Die gibt es allerdings auch anderswo in Deutschland: Der Bosch-Konzern baute 2010 erst einmal eine Chipfabrik in Reutlingen bei Stuttgart und ließ Dresden zunächst abblitzen.
Infineon produziert Chips auch in Regensburg, X-Fab auch in Erfurt, Texas Instruments in Freising. Doch nirgendwo in Europa gibt es eine Ballung von Chipfabriken und passenden Forschungseinrichtungen wie in Dresden. Globalfoundries beschäftigt in Sachsens Hauptstadt 3.300 Menschen, Infineon 2.800, X-Fab 500 und Bosch 250. Eine fünfte Mikrochipfabrik in Dresden würde allerdings den Wettbewerb um Fachkräfte anheizen. Andererseits hatte die Infineon-Tochter Qimonda einmal rund 4.000 Mitarbeiter in Dresden, bis zur Pleite und Schließung der Fabrik im Jahr 2009. Die Branche kennt starkes Auf und Ab.
Bosch-Werkleiter Christian Koitzsch sagt: „Dresden kann Hightech.“ Das sei nicht nur Mikroelektronik, sein Betrieb finde hier auch Software-Experten. Die Branche ziehe „auch globale Talente an“, Bosch in Dresden habe 21 Nationalitäten.
Bayern lockt mit ehemaligem Fliegerhorst
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht allerdings ebenfalls eine Chance für seinen Freistaat in der Ansiedlung eines großen internationalen Halbleiterproduzenten. Aiwanger hat als Standort den ehemaligen Fliegerhorst Penzing ins Spiel gebracht, 60 Kilometer westlich von München.
In München sitzt die Deutschlandzentrale des US-Chipkonzerns Intel, der auch gerade auf Standortsuche in Europa ist. Intel-Chef Pat Geisinger traf sich bei einer Europareise im April mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und mit dem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Beim Dresden-Besuch am 1. Juli sagte Altmaier, die EU werde fast zehn Milliarden Euro Subventionen für die Chip-Industrie bereitstellen. Intel wie TSMC könnten mit Unterstützung rechnen. Auch die vorhandenen Unternehmen müssten nicht fürchten, zu kurz zu kommen: Wem schon Geld zugesagt worden sei, der werde es nicht wegen der neuen Ansiedlungen einbüßen. Die Verhandlungen ums Geld innerhalb der EU laufen zwar noch. Die Branchenvertreter erinnern immer wieder daran, dass auch in Asien und in den USA Milliarden zu bekommen seien. Doch TSMC aus Taiwan hat sich schon zum Standort Deutschland bekannt.