Notarzt-Software aus Dresden soll Leben retten

Dresden. Da geht es um Minuten: wenn Sanitäter an einem Unfallort Patienten versorgen müssen, der Notarzt aber noch unterwegs ist. Eine neue Notarzt-Software aus Dresden kann künftig helfen, Leben zu retten. Über eine Bodycam, eine Kamera an der Kleidung des Sanitäters, erhält der Notarzt schon unterwegs Bilder seines Patienten. Daten lassen sich sicher austauschen, der Arzt kann früher als bisher eingreifen und aus dem Auto heraus beraten.
Die Notarzt-Software für diesen Datenaustausch ist im Dresdner Unternehmen Zeiss Digital Innovation entwickelt worden. Das gibt es erst seit anderthalb Jahren unter diesem Namen, doch der Vorgänger Saxonia Systems der Gründer Viola Klein und Andreas Mönch gehörte zu den bekanntesten Mittelständlern der Region. Voriges Jahr haben die Gründer ihre Softwarefirma an den Optikkonzern Zeiss verkauft.
Andreas Mönchs Neffe Alfred Mönch ist nun einer der Geschäftsführer von Zeiss Digital Innovation mit Sitz am Fritz-Foerster-Platz nahe der TU Dresden. Der 45-jährige Dresdner nennt die Notarzt-Software gerne als Beispiel für die Arbeit seiner 385 Mitarbeiter in sechs Städten. Die sind nämlich nicht nur Software-Entwickler, sondern wollen Problemlöser für mehrere Branchen sein.
Daher gehören auch Physiker, Automotive-Experten und Augenheilkundler zu den Teams. Sie müssen nicht nur programmieren können, sie müssen die Fachsprachen ihrer Kunden gut verstehen. Regularien und Standards verschiedener Branchen müssen bekannt sein, um den Kunden die passende Software zu liefern.
Software für Medizintechnik und für Fabriken
Die Notarzt-Software ist zunächst in einem Modellprojekt außerhalb Sachsens im Einsatz. Doch Geschäftsführer Alfred Mönch betont, dass dieses Beispiel für eine typische technologische Herausforderung steht. Datenschutz und Datensicherheit waren zu beachten, dazu der Verbindungsaufbau in ländlichen Gegenden.
Mönch sagt, Zeiss Digital Innovation arbeite nicht nur für den Zeiss-Konzern, sondern auch für externe Kunden aus Medizintechnik, Autoindustrie, Handel und Halbleiterbranche. Vorgänger Saxonia Systems hatte als Kunden vor einigen Jahren etwa die Otto-Gruppe, Vattenfall, 50 Hertz und Toll Collect genannt. Die Experten entwickeln auch Software zur Steuerung von Geräten und Produktionsstraßen.
Alfred Mönch sieht sich nicht als reiner Dienstleister, der erst ins Spiel kommt, wenn ein Auftrag auszuführen ist. Vielmehr seien seine Teams schon bei strategischen Projekten großer Unternehmen früh einbezogen – wenn erst einmal der „Lösungsraum“ für Herausforderungen definiert werden müsse. Dabei hilft es, mehrere Kunden derselben Branche zu kennen und Fachleute zusammenzubringen.

Büros auch in Görlitz und Leipzig
Dass die sächsische Zeiss-Tochterfirma Erfahrungen schnell umsetzt, hat sie jetzt auch schriftlich: Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen ISG Information Service Group hat den Markt der individuellen Anwendungssoftware analysiert und die Dresdner in die Gruppe der „Leader“ eingestuft. Laut Studienautor Oliver Nickels verbindet Zeiss Digital Innovation „die Stärken eines mittelständischen Dienstleisters mit den Fähigkeiten eines globalen Innovationsführers“.
Diese Einstufung hatte die Vorgängerfirma Saxonia Systems schon 2017 und 2018 erhalten. Mönch schließt daraus, dass die Integration in den Zeiss-Konzern richtig umgesetzt wurde. Selbst Corona habe kein Projekt des Unternehmens gestoppt. Vor allem in der Autoindustrie gehe die Digitalisierung rasch voran und brauche Programme für autonomes Fahren und Elektrifizierung.
Der Umsatz des Dresdner Unternehmens wuchs im gerade abgeschlossenen Geschäftsjahr um rund ein Viertel auf mehr als 50 Millionen Euro. Die Belegschaft wuchs um 20 Prozent, und damit rechnet Mönch auch für das neue Geschäftsjahr. Dresden werde der größte Standort bleiben und ausgebaut, sagt der Dresdner, der dort an der Berufsakademie Betriebswirtschaftslehre studiert in und in verschiedenen Abteilungen der Firma gearbeitet hat. Ob jemand heute an den Standorten Görlitz oder Leipzig sitze, sei für die Zusammenarbeit nicht wichtig – dafür müsse man nicht umziehen.
Viola Klein und Andreas Mönch mit neuer Firma
Mönch junior hat nach dem Abschluss an der Berufsakademie im Jahr 2000 in Software-Entwicklungsprojekten gearbeitet, vor allem für Kunden aus Handel und Energiewirtschaft. Seit 2015 war er in Management-Positionen, auch in Personal- und Marketingabteilung. In den Vorstand der Saxonia Systems AG rückte er 2018 auf. Er sagt, die Gründer Klein und Mönch hätten früh begonnen, die neue Generation im Unternehmen aufzubauen. Sie führen jetzt in München das Beteiligungsunternehmen Saxonia Systems Holding GmbH, das beispielsweise in Medizintechnik investiert.
Zeiss Digital Innovation hat auch Standorte in München, Berlin sowie Miskolc in Ungarn. 1994 war Saxonia Systems in Dresden gegründet worden. 2016 verlegten die Gründer Viola Klein und Andreas Mönch den Sitz nach München, nun ist der Sitz der neuen GmbH wieder Dresden. Der Zeiss-Konzern sitzt in Oberkochen bei Ulm und hat mehr als 34.000 Mitarbeiter. Gegründet wurde Zeiss 1846 in Jena.