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Verbrenner ade: Ist Mitteldeutschlands Autobranche gerüstet?

Die EU will ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zulassen. Etliche Zulieferer haben mit der Antriebswende zu kämpfen. Was bedeutet der Schritt für die mitteldeutsche Autobranche und ihre Beschäftigten?

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Das Zwickauer Werk von Volkswagen hat sich 2020 ganz vom Verbrenner verabschiedet. Für rund 1,2 Milliarden Euro wurde der Standort umgerüstet und avancierte bei VW zur Vorzeigefabrik für den Bau von E-Autos.
Das Zwickauer Werk von Volkswagen hat sich 2020 ganz vom Verbrenner verabschiedet. Für rund 1,2 Milliarden Euro wurde der Standort umgerüstet und avancierte bei VW zur Vorzeigefabrik für den Bau von E-Autos. © dpa/ Jan Woitas/Archiv

Mitteldeutschland war einst eine Wiege der Autoindustrie, heute gehört die Region zu den Vorreitern bei der Elektromobilität in Deutschland. Doch nach wie vor laufen in Eisenach und Leipzig Autos mit Verbrennungsmotor vom Band.

Auch Volkswagen baut am Standort Chemnitz weiter solche Motoren: rund 591.000 im vergangenen Jahr. Wann sich die hiesige Autobranche ganz vom Verbrenner abnabelt, ist offen.

Auch die Zulieferer in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen müssen sich auf die neue Zeit einstellen. Experten sehen die Branche zumindest gut für das von der EU angestrebte Verbrenner-Aus ab 2035 gewappnet.

Vorreiter bei E-Autos

Bei der Produktion von Elektrofahrzeugen zählen Autofabriken in Mitteldeutschland zu den Pionieren. BMW hat 2013 in Leipzig mit der Produktion des i3 begonnen. Bis vergangenen Monat wurden etwa eine Viertelmillion davon hergestellt. Nun ist Schluss. Künftig soll neben dem 1er- und 2er-BMW der Mini Countryman in Serie gehen, den es auch in einer vollelektrischen Variante geben wird.

Das Zwickauer Werk von Volkswagen hat sich 2020 ganz vom Verbrenner verabschiedet. Für rund 1,2 Milliarden Euro wurde der Standort umgerüstet und avancierte bei VW zur Vorzeigefabrik für den Bau von E-Autos. Dort werden inzwischen sechs E-Modelle für VW, Audi und der Seat-Tochter Cupra gefertigt.

Zuflieferer ächzen unter Antriebswende

Lange haben die Zulieferer in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit Verbrennern gute Geschäfte gemacht. Doch die Zeiten scheinen sich zu drehen: Corona, Teilemangel, galoppierende Energiepreise - und dazu noch der Schwenk zur E-Mobilität. Ein Elektromotor zum Beispiel benötigt weit weniger Bauteile als ein konventioneller Motor. Auf rund 90 Prozent schätzt Jens Katzek, Chef des Automotive Clusters Ostdeutschland, den Anteil der Teile, die für Verbrenner gebaut werden. Die meisten Zulieferer versuchten trotz der erschwerten Bedingungen die Transformation. Aber: "Es gibt auch Zulieferer, die haben Teile, die künftig nicht mehr gebraucht werden."

Wie die Unternehmen reagieren

Betroffen ist etwa Sachsen-Anhalts größter Automobilzulieferer Ifa. Im Werk Haldensleben fertigt er seit Jahrzehnten Längswellen für heck- und allradangetriebene Fahrzeuge mit Verbrenner-Motor. Deren Aus ab 2035 in der EU hat demnach Auswirkungen auf den Standort, wie eine Sprecherin einräumt.

Das Unternehmen setzt nun verstärkt den Fokus auf von der Antriebsart unabhängige Seitenwellen. So hofft man, einen nahtlosen Übergang zu schaffen. Was es bedeuten kann, wenn bestimmte Teile nicht mehr gebraucht werden, erleben derzeit rund 100 Bosch-Beschäftigte am Erfurter Kreuz. Weil es keine Aufträge mehr für die Lichtmaschinen gibt, sind sie seit Ende 2021 freigestellt.

Autobranche bleibt Jobmotor

Andererseits entstehen neue Jobs: Nur wenige hundert Meter entfernt stampft der chinesische CATL-Konzern derzeit ein großes Batteriewerk aus dem Boden und will bis Jahresende bis zu 1.500 Mitarbeiter aus der Region einstellen. Letztlich hängen in den drei Bundesländern Tausende Jobs an der Automobil- und Zulieferbranche. Direkt mit der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen waren nach Angaben der Arbeitsagenturen im September 2021 in Sachsen 43.500 Menschen, in Thüringen 15.600 und in Sachsen-Anhalt 4.100 Personen beschäftigt.

Hinzu kämen noch Beschäftigte in anderen Wirtschaftszweigen, die vollständig auf die Automobilindustrie ausgerichtet seien, heißt es von der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit. Das seien etwa Gusswerke für Motorenblöcke oder Betriebe der Chemischen Industrie für die Armaturenherstellung.

Wann ist Schluss mit dem Verbrenner?

Wann das letzte Auto mit Otto- oder Dieselmotor in Mitteldeutschland vom Band läuft, ist offen. Dafür gibt es etwa bei BMW in Leipzig noch kein fixes Datum, wie Sprecher Kai Lichte betont: "Wir bauen nicht nur Autos für Europa." Bei VW in Chemnitz hängen rund 1.900 Jobs an der Fertigung von Motoren, die derzeit noch in Modellen wie Golf und Tiguan verbaut werden. Doch ist der Ausstoß in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Waren es 2019 noch 833.000, betrug die Zahl nach Unternehmensangaben 2021 etwa 591.000. "Klar ist, dass das Werk noch viele Jahre sparsame Verbrennungsmotoren bauen wird", erklärte ein Sprecher. Das Werk sei langfristig ausgelastet, zugleich werde an einem Zukunftskonzept gearbeitet.

Bei Opel in Eisenach wird seit Jahresbeginn der Grandland als Verbrenner und Plug-in-Hybrid montiert. Der Betriebsrat forderte dort zuletzt ein vollelektrisches Nachfolgemodell für den Stadt-SUV. Doch der Mutterkonzern Stellantis gibt sich noch bedeckt. Die Zeit drängt, denn schon ab 2028 will Opel nur noch vollelektrische Autos anbieten. (dpa)