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Verdi kämpft um Erhalt von Galeria in Chemnitz

Gewerkschaftschef Frank Werneke ist beeindruckt vom Zusammenhalt – der Beschäftigten, der Kunden und der Stadt. Der Protest hatte schon einmal gefruchtet.

Von Michael Rothe
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Wie weiter bei
Galeria in
Chemitz?
Wie weiter bei Galeria in Chemitz? © Georg Moeritz

Der angeschlagene Kaufhausriese Galeria Karstadt Kaufhof bietet Kunden derzeit beim „Black Shopping“ 20 Prozent Nachlass beim Kauf von zwei Artikeln. Auf Adventskalender gibts sogar 30 Prozent Rabatt. Die gut 17.000 Beschäftigten sehen schon seit Wochen schwarz. Am Reformationstag war bekannt geworden, dass Deutschlands letzte Warenhauskette, die seit 2021 nur noch als Galeria auftritt, zum zweiten Mal binnen zwei Jahren Rettung in einem Schutzschirmverfahren sucht.

Ersten Ankündigungen zufolge will das Unternehmen über 40 seiner 131 Häuser schließen. Galeria mit 17.400 Beschäftigten in 97 Städten ist in Sachsen in Dresden, Leipzig und Chemnitz je einmal vertreten. Ferner gehören in der Landeshauptstadt Sport-Scheck-Läden in der Altmarkgalerie und in der Centrum-Galerie zum Konzern – in Summe keine 500 Mitarbeitenden mehr.

Sie machen nun mobil und, unterstützt von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, auf das drohende Aus aufmerksam. Und sie werden gehört. In Chemnitz etwa können sich Kundinnen und Kunden in einer Fotobox ablichten lassen und in Statements ihre Solidarität mit den Mitarbeitenden bekunden. Frank Werneke, der Bundesvorsitzende von Verdi, zeigt sich im Gespräch mit der SZ „sehr, sehr beeindruckt“ von der Aktion, die dort auch in die Schaufenstergestaltung integriert werden soll. So könnte Besuchern des nahen Weihnachtsmarkts noch ein Licht aufgehen, so die Hoffnung. Der Galeria-Standort war eine Adresse von Wernekes „Bezirkstour“.

Auch im Gespräch mit den Verkäuferinnen sei „zu spüren gewesen, wie tief verwurzelt das Kaufhaus in der Stadtgesellschaft ist und wie alle Kolleginnen mit viel Herzblut für ihre Jobs und den Fortbestand des Hauses kämpfen“, sagt der Gewerkschafter. Widerstand hatte sich bereits vor zwei Jahren ausgezahlt, als die todgeweihte Filiale in Chemnitz doch erhalten blieb – wie bundesweit 20 weitere. Experten vermuten, dass die damals verschonten Häuser nun als erste in den Fokus rücken.

Beschäftigte haben auf Tausende Euro verzichtet

Der Verdi-Chef möchte sich nicht an den Spekulationen beteiligen, „weil wir in allen Häusern Mitglieder haben und deren Interessen vertreten“. Er wolle nicht, dass Filialen gegeneinander ausgespielt werden. Zwar sehe er doppelt besetzte Standorte jetzt besonders gefährdet, aber „jeder hat das Recht auf eine Perspektive“, so Werneke. Die sei 2020 auch für alle Adressen zugesagt worden. Der Vertrag zwischen Belegschaft und Eigentümer sei vom Besitzer René Benko, einem österreichischen Immobilien-Investor, aber nicht eingehalten worden. „Die Beschäftigten haben in den letzten Jahren jeweils auf mehrere Tausend Euro ihres Jahresgehalts verzichtet“, sagt Werneke. Dafür seien Zukunftsinvestitionen versprochen, aber unterlasssen worden. „Und das hat auch der Attraktivität der Häuser geschadet“, so der 55-Jährige.

Werneke warnt vor einem Kahlschlag. Die Interessen der Gläubiger, darunter der Bund und die Beschäftigten, könnten nicht mit einem geschrumpften Restkonzern bedient werden, sagt er. Dafür brauche es Umsatz an möglichst vielen Standorten.

Verdi, mit knapp 1,9 Millionen Beitragszahlern zweitgrößte deutsche Gewerkschaft nach der IG Metall, kämpfe für die Mitglieder, sagt der Chef. „Wir geben ihnen Gesicht und Stimme, und wir machen deutlich, dass es um die Existenz Tausender geht, die viele Jahre bei Galeria und ihren Vorgängern beschäftigt sind – und oft in einem Alter, wo die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt alles andere als rosig sind.“

Und die Chancen für Kaufhäuser wie Galeria, laut Werneke „letzte große Anker für Leben in Innenstädten“? Sie hätten eine Perspektive, wenn sie ihre Stärken entwickeln und ausbauen – etwa durch die Verbindung von stationärem und Onlinehandel. Und sie müssten ihre Beratungskompetenz herausarbeiten. „Und es sollte mehr auf die Beschäftigten gehört werden, denn sie sind nahe an den Kunden und können Verbesserungen befördern“, rät der Verdi-Chef. Zunächst aber seien richtige Entscheidungen des Verwalters und ein Investitionsschub in die Häuser nötig. Für Werneke ist klar: „Benko ist in der Pflicht.“