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Die extreme Hitze ist ein Stresstest für die Infrastruktur

Bis Beton bricht oder Stahl aus der Form gerät, muss die Temperatur schon extrem hoch sein. Wie Deutschlands Verkehrsinfrastruktur mit solchen Extremen zurechtkommt.

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Die Hitze setzt auch Straßen, Schienen und Co. zu.
Die Hitze setzt auch Straßen, Schienen und Co. zu. © dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Von Henrik Mortsiefer, Dennis Kazooba, Jana Kugoth und Jens Tartler

Fahrbahnen können sich bei mehr als 30 Grad Außentemperatur aufwölben oder brechen. Man spricht dann von „Blow-ups“. In der Vergangenheit kam es im Sommer immer mal wieder zu Unfällen, Automobilclubs mahnten zur Vorsicht. Doch der ADAC gab am Dienstag Entwarnung: „Blow-ups sind kein so großes Thema mehr“, sagte eine Sprecherin. Auf älteren Autobahnabschnitten mit Betonbelägen, etwa der A92 in Bayern, seien in den vergangenen Jahren „Hitzeschnitte“ gemacht worden, um das Material bei großer Hitze zu entlasten.

Vorsicht ist aber dennoch geboten, etwa 30 Prozent der deutschen Autobahnen haben einen Betonbelag. Die Autobahnmeistereien waren am Dienstag angehalten, „mehrmals am Tag“ sensible Streckenabschnitte auf eventuelle Schäden zu kontrollieren.

Der Autobahn GmbH zufolge stellten die Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden in den Autobahnmeistereien dafür „Kopfbedeckungen mit breiter Krempe, zusätzliche Nackenteile für Helme, Sonnencreme sowie Oberbekleidung mit einem hohen Lichtschutzfaktor“ zur Verfügung.

Bis zum Abend war von größeren Problemen nichts bekannt. „Tagesaktuell wurden keine Hitzeschäden an den Strecken der Autobahnen gemeldet“, teilte die Autobahn GmbH auf Anfrage mit.

Salz streuen im Hochsommer

In Frankreich wurde am Dienstag der Autoverkehr teilweise eingeschränkt, um die Luftverschmutzung zu senken. In den Niederlanden griff man zu einer auf den ersten Blick paradoxen Maßnahme: Es wurde Salz gestreut. Es entzieht der Luft Feuchtigkeit, und die wiederum kühlt den Asphalt ab. In Amsterdam wurden bewegliche Brücken extra mit Wasser gekühlt. Dadurch soll verhindert werden, dass der Stahl sich ausdehnt. In Großbritannien war der Bahnverkehr teilweise lahm gelegt.

Die Deutsche Bahn hat schon 2018 ein Kompetenzteam eingerichtet, das sich nur mit den Folgen von Extremwetterereignissen beschäftigt. Extreme Hitze hatte sich in den vergangenen Jahren auch auf den Betrieb ausgewirkt. Die Expertinnen und Experten suchen nach Möglichkeiten, wie sich der Staatskonzern gegen steigende Temperaturen und Stürme rüsten kann.

So wird der Stahl auf eine besondere Art und Weise verschweißt, um bei extremen Temperaturen stabil zu bleiben. Um das Risiko eines hitzebedingten Ausfalls zu senken, seien Leit- und Sicherungstechnik zudem „an tausenden Stellen“ mit Klimaanlagen ausgerüstet worden. „Zusätzlich haben wir in betrieblich besonders relevanten Stellwerken Temperatursensoren angebracht, die bei Überschreitung bestimmter Schwellwerte automatisch Meldungen auslösen“, sagte ein Konzernsprecher.

Tests, ob mit einem einfachen Anstrich weißer Farbe verhindert werden kann, dass sich durch große Hitze Bahnschienen verbiegen, hat die Deutsche Bahn wieder aufgegeben.
Tests, ob mit einem einfachen Anstrich weißer Farbe verhindert werden kann, dass sich durch große Hitze Bahnschienen verbiegen, hat die Deutsche Bahn wieder aufgegeben. © Swen Pförtner/dpa

Außerdem experimentiert die Bahn derzeit mit sogenannten Phasenwechselmaterien. Diese sollen demnach funktionieren wie ein umgekehrter Taschenwärmer: „Durch Hitzestrahlung verwandelt sich das zunächst feste Material in ein dickflüssiges Gel. Dieser Umwandlungseffekt verbraucht Wärme und kühlt dadurch seine Umgebung ab“, hieß es.

Geprüft werde, inwiefern diese Technik sensible Bauteile schützen kann. Andere Maßnahmen wie das Streichen der Gleise in weißer Farbe zur Kühlung habe man indes nach einigen Tests wieder aufgegeben, weil sie sich als „nicht sinnvoll“ erwiesen hätten.

Versorgung per Schiff ist „anspruchsvoll“

Zu schaffen macht die Hitze und wochenlange Dürre auch der Schifffahrt. Derzeit gibt es in einigen Flüssen Niedrigwasser, unter anderem in Elbe, Donau und Rhein. Ob es Einschränkungen beim Transport auf dem Wasser gibt, hängt aber nach Auskunft des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) nicht nur vom jeweiligen Wasserstand ab, sondern auch vom Gewicht der Ladung.

Schwere Güter wie Kohle und Eisenerz lassen das Schiff tiefer eintauchen als leichte Güter, wie sie im Stückguttransport vorkommen. Das können zum Beispiel Kühlschränke sein oder Rotorblätter für Windenergieanlagen. Die sind zwar groß und sperrig, aber bringen vergleichsweise wenig Gewicht auf die Waage. „Anders als bei Hochwasser erfolgen bei Niedrigwasser keine Sperrungen“, sagt BDB-Experte Fabian Spieß. „Die Schifffahrt fährt so lange, wie es physikalisch und sicher möglich ist.“

Ein Frachtschiff passiert auf dem Rhein eine Sandbank. Durch die anhaltenden Trockenheit des Hochsommers fällt der Wasserspiegel des Mittelrheins immer weiter.
Ein Frachtschiff passiert auf dem Rhein eine Sandbank. Durch die anhaltenden Trockenheit des Hochsommers fällt der Wasserspiegel des Mittelrheins immer weiter. © dpa / Thomas Frey

Der Wirtschaftsverband Fuels und Energie teilte mit, man beobachte die Lage sehr genau. „Momentan können Binnentankschiffe auf dem Rhein wegen des Niedrigwassers nicht ihren vollen Tankraum füllen“, sagte ein Sprecher. „Unsere Mitgliedsunternehmen können weiterhin alle Transporte bedienen, aber die Versorgung ist anspruchsvoll.“

Airports sind für Hitze gerüstet

An den deutschen Flughäfen gab es zunächst keine Hitze-Probleme bei der Infrastruktur, wie ein Sprecher des Frankfurter Flughafens sagte. Gefährdet wären wohl ohnehin nur Landebahnen und Rollwege mit Asphalt-Belag. Davon gibt es in Frankfurt zwei, in Berlin eine.

Die anderen beiden Bahnen in Frankfurt wie auch die neue Berliner Südbahn und die Pisten in München und Düsseldorf sind aus Beton. „Die Flughäfen kennen ihre kritischen Stellen und bewässern sie schon im Vorfeld, wenn große Hitze angekündigt ist. Daher sind keine betrieblichen Einschränkungen zu erwarten“, erklärt eine Sprecherin des Flughafenverbandes ADV.

Anders in Großbritannien. Hier kratzte das Thermometer bereits zu Wochenanfang an der 40-Grad-Marke. In der Folge kam es zu Problemen an mehreren Flughäfen, da die Oberflächen von Landebahnen und Rollwegen Schäden genommen hatten. Man habe den Betrieb vorübergehend eingestellt, erklärte ein Sprecher des Flughafens Luton, nördlich von London. Die Reparatur nahm einen Tag in Anspruch. Auch der Militärflugplatz Brize Norton ließ vorübergehend keine Flugzeuge starten oder landen, die Piste sei „geschmolzen“, hieß es vom Militär.

Besonders gefordert seien bei den hohen Temperaturen die Mitarbeiter in der Flugzeugabfertigung auf dem Vorfeld, so ein Sprecher des Frankfurter Flughafens. Die Airports kämpfen ohnehin schon mit großer Personalknappheit. Man gehe nicht davon aus, dass es zu Einschränkungen komme. Zur Versorgung der Arbeiter würden täglich 400 Kisten Wasser, hunderte Kilo Obst und Sonnencreme auf dem Vorfeld verteilt.

Appelle und Kontrollen bei den Autoherstellern

Die deutschen Autobauer haben ihre Werke auf extreme Hitze vorbereitet. Bei VW gelten am Standort Wolfsburg schon seit Mitte Juni besondere Hitzeschutzregeln, um insbesondere die Beschäftigten in der Produktion vor den hohen Temperaturen zu schützen. Zu den Regeln zählen regelmäßige Trinkpausen, die Bereitstellung von Wasser, geeignete Kleidung und Anpassungen der Arbeitszeit. Der Beginn der Gleitzeitspanne wird deutlich nach vorne gezogen, von 7.30 Uhr auf 6 Uhr. So kann die Zeit in der Hitze des Nachmittags verkürzt werden. Die Vereinbarung wird in den Bereichen eigenverantwortlich umgesetzt. Sie gilt bis Ende September.

Auch Mercedes-Benz hat spezielle Maßnahmen für Sommertemperaturen nach der Arbeitsstättenverordnung und der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR A3.5). Die Temperatur in den Produktionshallen wird kontinuierlich gemessen, abhängig vom Durchschnittswert werden entsprechende Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt.

Die technische Gebäudeausstattung gewährleistet die Abkühlung der Hallenluft über die raumlufttechnische Anlage. Durch eine Lüftung über Nacht wird zusätzlich eine Temperaturabsenkung erreicht. An den Standorten stehen kostenlose Wasserspender oder Wasserflaschen zu Verfügung. Bei heißen Temperaturen weisen die Führungskräfte zudem die Beschäftigten darauf hin, ausreichend zu trinken. BMW teilt auf Anfrage mit, die Büros und Produktionshallen seien ohnehin klimatisiert oder gut belüftet. Deshalb gebe es keine speziellen Probleme.