Leben und Stil
Merken

Wenn Opa am Steuer zum Risiko wird

Daten zeigen, dass die ab-75-Jährigen zu einer besonderen Risikogruppe für Unfälle werden. Es gibt mehrere Lösungen.

 5 Min.
Teilen
Folgen
Schaffe ich es noch über die Ampel?
Schaffe ich es noch über die Ampel? © dpa

Zum Supermarkt oder auf einen Kaffee zur Freundin: Für viele Ältere gehört das Autofahren seit Jahrzehnten zum Alltag. Doch was, wenn der Vater immer wieder Stoppschilder ignoriert oder die Partnerin ständig erst im letzten Moment bremst? Angehörige sorgen sich dann häufig, dass der geliebte Mensch sich selbst und andere in Gefahr bringen könnte, und sind zugleich unsicher, wie sie das heikle Thema am besten zur Sprache bringen.

Wichtig zu wissen ist, dass ältere Autofahrer nicht per se eine Gefahr im Straßenverkehr darstellen. Insgesamt sind sie seltener als andere Altersgruppen in Unfälle verwickelt. Jedoch: „Daten zeigen, dass erst die ab-75-Jährigen zu einer besonderen Risikogruppe für Unfälle werden“, erklärt Andrea Häußler, Verkehrspsychologin und Mitglied der Geschäftsleitung der Tüv Süd Life Service GmbH. Dann kommt es oft zu schweren Unfällen, die damit zusammenhängen, dass die Fahrtauglichkeit durch Krankheit oder Leistungsabbau nachgelassen hat. Viele Menschen können im Alter nicht mehr so gut sehen oder hören. Auch die Beweglichkeit nimmt ab, was etwa den Schulterblick beim Abbiegen erschwert.

„Zu den normalen Alterungsprozessen gehört zudem, dass Konzentration und Aufmerksamkeitsspanne nachlassen“, sagt Verkehrspsychologin Claudia Happe. Dazu steigt mit dem Alter die Wahrscheinlichkeit für Krankheiten. So können etwa Demenzkranke zwar oft noch ein Auto bedienen, die Informationen des Verkehrs aber nicht mehr zuverlässig verarbeiten. Oft sind es auch Nebenwirkungen von Medikamenten, die es riskanter machen, sich ans Steuer zu setzen. Viele Veränderungen kommen schleichend. Oft fallen sie Außenstehenden schneller auf als Betroffenen. Und doch: „Viele ältere Menschen merken selbst, wenn sie sich am Steuer nicht mehr wohlfühlen – und ziehen Konsequenzen“, sagt Häußler. Andere hingegen halten am Autofahren fest, obwohl sich ihre Angehörigen das anders wünschen.

Thema behutsam ansprechen

Häufen sich grobe Fehler beim Fahren oder kommt es gar zu einem Unfall, sind das klare Warnsignale. Es gibt aber auch feinere Anzeichen dafür, dass die Fahrtauglichkeit nachgelassen hat: „Zum Beispiel, wenn jemand immer wieder eine verspätete Reaktion zeigt, etwa an der Ampel oder in einer Vorfahrtssituation“, sagt Claudia Happe. „Auch, wenn jemand auf einmal zögert, fremde Strecken zu fahren, kann das ein Warnzeichen sein.“

Schwindet am Steuer immer mehr die Geduld und wird häufiger über andere Autofahrer geschimpft, kann das Unsicherheit zeigen. Auch ein Blick auf den Zustand des Autos spricht manchmal Bände: Gibt es kleinere Beschädigungen, die beim Parken entstanden sein könnten? „Spätestens, wenn man selbst Angst hat, mit der betroffenen Person im Auto zu fahren, sollte man das Thema ansprechen“, empfiehlt Andrea Häußler. Ein solches Gespräch ist jedoch alles andere als einfach für beide Seiten. „Für ältere Menschen, die womöglich jahrzehntelang unfallfrei gefahren sind, ist es schwierig, wenn sie gespiegelt bekommen, dass sie etwas falsch gemacht haben“, sagt Claudia Happe. Der Führerschein ist für viele Menschen ein Symbol der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Das aufzugeben, ist ein schmerzhafter Schritt. Insbesondere für Menschen, die Bus oder Bahn nicht in der Nähe haben.

Deshalb sollten Angehörige das Thema behutsam ansprechen. Ein Einstieg kann sein, seine Beobachtungen zum Fahrverhalten sachlich zu beschreiben. Und Sorgen oder Befürchtungen, die damit einhergehen. „Es geht darum, das Drama aus dem Thema rauszunehmen und gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie man die Mobilität in Zukunft gestalten kann“, sagt die Verkehrspsychologin Birgit Scheucher.

Fitnesschecks machen

Die gute Nachricht: Zwischen „Alles bleibt wie gehabt.“ und „Der Führerschein kommt weg.“ liegen viele weitere Lösungen. So ist es denkbar, dass die Person in Zukunft mehr Pausen einlegt oder auf Fahrten bei Regen oder in der Dunkelheit verzichtet. „Nimmt jemand Medikamente und weiß, dass die Nebenwirkungen morgens am schwächsten sind, kann es sinnvoll sein, nur zu dieser Tageszeit Auto zu fahren“, sagt Andrea Häußler. Entscheidet man sich, das Autofahren aufzugeben, kann man den Führerschein auch erst mal behalten.

Die beste Lösung ist die, die individuell auf den Menschen zugeschnitten ist. Auf dem Weg dorthin kann eine Einschätzung von außen hilfreich sein. So kann man einen Fahrlehrer mit dem Betroffenen eine Runde fahren lassen und um ein Urteil bitten.

Einen noch detaillierteren Überblick über die Fahrtauglichkeit geben Mobilitäts- beziehungsweise Fitnesschecks von verschiedenen Anbietern wie dem ADAC, den Technischen Überwachungsvereinen oder der Dekra. Solche Checks bestehen in der Regel aus einer verkehrsmedizinischen Untersuchung und einer Autofahrt. „Hier werden unter anderem die Konzentrationsfähigkeit oder das Reaktionsvermögen getestet“, erklärt Häußler. „Am Ende steht dann eine Empfehlung, die vertraulich ist und keiner Behörde gemeldet wird. Man kann das Ergebnis also auch für sich behalten.“

Hausarzt fragen

Doch was, wenn der Betroffene weder zu Einsicht noch zu einem Check bereit ist? Dann kann es sinnvoll sein, genau das zum Thema zu machen und aufzuspüren, welche Ängste hinter der Gegenwehr stecken. „Wie solche Gespräche verlaufen, hängt natürlich von der Beziehung zwischen den beiden Menschen ab“, sagt Birgit Scheucher. Gab es schon zuvor Konflikte zwischen beiden Seiten, ist auch bei dem Thema eine Eskalation wahrscheinlich.

„Man kann dann darüber nachdenken, ob es vielleicht eine Person gibt, die besser geeignet ist, um die Botschaft zu überbringen“, rät Scheucher. Das kann etwa die Hausärztin sein, vielleicht aber auch der gute Freund des Vaters, der schon vor zwei Jahren seinen Führerschein abgegeben hat und damit als Vorbild dient. (dpa)