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9-Euro-Ticket: Kostenfalle und Chaos befürchtet

Verbände warnen vor einer Kostenfalle, die durch das 9-Euro-Ticket auf die Verkehrsbetriebe zukommen könnte. Außerdem könnte der mögliche Ansturm zu Chaos führen.

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Laut Verbänden sei völlig offen, welche Kosten beim 9-Euro-Ticket tatsächlich auf die Branche zukommen werden.
Laut Verbänden sei völlig offen, welche Kosten beim 9-Euro-Ticket tatsächlich auf die Branche zukommen werden. © Symbolfoto: Christian Juppe

Fulda. Die Bahn-Gewerkschaft EVG befürchtet wegen des geplanten 9-Euro-Tickets bereits zu Pfingsten ein Chaos im Öffentlichen Nahverkehr. "Ich rechne mit Räumungen überfüllter Züge und wegen Überlastung gesperrten Bahnhöfen", sagte der EVG-Vorsitzende Klaus Hommel am Mittwoch am Rande einer Vorstandssitzung seiner Organisation in Fulda. Kein Bahn-Unternehmen sei bislang ausreichend auf den zu erwartenden Andrang der Kunden vorbereitet.

Von Juni bis Ende August sollen nach dem Willen der Bundesregierung flächendeckend Monatskarten für den Nah- und Regionalverkehr zum Preis von monatlich 9 Euro angeboten werden. Um die Finanzierung gibt es noch Streit zwischen Bund und den Ländern, die dem Vorhaben im Bundesrat noch zustimmen müssten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bezeichnete das 9-Euro-Ticket am Mittwoch als Chance, den Öffentlichen Personennahverkehr sichtbar zu machen. Es helfe, Energie zu sparen und passe genau in die Zeit.

Die EVG geht hingegen von vielen überlasteten Zügen aus. Auf touristisch attraktiven Strecken arbeiteten Busse und Bahnen schon ohne das 9-Euro-Angebot an den Grenzen ihrer Kapazität, sagte Hommel. Er verwies auf Erfahrungen beim 1995 eingeführten Wochenend-Ticket der Deutschen Bahn, das damals zu einem sehr starken Andrang der Kunden geführt hatte, die auch längere Reisen mit den Nahverkehrstickets absolvierten. Einen ersten Tiefpunkt erwarte er schon zum Pfingstwochenende (4.-6. Juni), sagte der EVG-Chef.

Bahnhöfe könnten schnell an ihre Grenze kommen

Aktuell stünden nicht genug Fahrzeuge zur Verfügung, warnte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. "Die Züge von Dresden nach Bad Schandau sind schon jetzt jedes Wochenende überfüllt", sagte Hommel. Weitere Hotspots seien die Rhein-Schiene sowie die Strecken Hamburg-Westerland und Mannheim-Bodensee. "Wir fürchten eine Überlastung des Systems bis hin zum Stillstand." Nach EVG-Einschätzung könnten die Bahnhöfe in Nürnberg und Ulm schnell an ihre Grenzen kommen. Ein besonderes Problem sei der Fahrrad-Transport, für den es keine ausreichende Infrastruktur gebe.

Verkehrsminister Wissing wies den Ländern die Verantwortung zu. Sie hätten gewollt, dass das Ticket deutschlandweit gelte. Deswegen gehe er davon aus, dass sie sich auch entsprechend mit der Frage beschäftigt hätten, was dies für besonders touristisch attraktive Strecken bedeute. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass unsere starken Verkehrsunternehmen das in den Griff bekommen."

Das Bahnpersonal sei grundsätzlich hoch motiviert, die Kunden zu betreuen, sagte Gewerkschafter Hommel. Es sei aber jetzt schon klar, dass zusätzliches Personal in den Zügen und an den Bahnsteigen benötigt werde. Die Unternehmen müssten sich schnell um Leiharbeiter bemühen und dem eigenen Personal in der Sommer- und Urlaubszeit Anreize setzen. Dafür seien ausreichende und schnell gezahlte Finanzmittel notwendig. Es bestehe auch die Gefahr, dass sich bei Problemen der Unmut der Fahrgäste gegen das Personal richte.

Verkehrsbranche warnt vor Kostenfalle

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat die Bundesregierung beim geplanten 9-Euro-Monatsticket vor einer "Kosten- und Liquiditätsfalle" für die Branche gewarnt. Der Bund müsse Zusagen zum zusätzlichen Finanzierungsbedarf des Nahverkehrs in diesem Jahr vollständig einhalten und dürfe die Umsetzung des Tickets nicht gefährden, forderte der Verband am Dienstag in Berlin. Sonst laufe die Branche spätestens mit der Einführung des 9-Euro-Tickets zum 1. Juni in eine "Kosten- und Liquiditätsfalle", sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Es sei völlig offen, welche Kosten beim 9-Euro-Ticket tatsächlich auf die Branche zukommen werden. "Von daher unterstützen wir die Forderung der Verkehrsministerkonferenz, dass auch etwaige Mehrkosten, die den Verkehrsunternehmen aus dieser Aktion entstehen, durch den Bund ausgeglichen werden müssen. Schließlich war es auch der Bund, der diese Maßnahme beschlossen hat", so VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.

Bund und Länder müssten die Finanzierungsfragen dringend abschließend klären, so der VDV. "Man darf nicht außer Acht lassen, dass nicht nur in anderen Branchen, sondern natürlich auch im ÖPNV aktuell die Energie- und auch die Personalkosten erheblich steigen.

Insofern reicht es nicht aus, einfach nur die durch das 9-Euro-Ticket entstehenden Einnahmeausfälle auszugleichen", sagte Wolff. Deswegen müssten die Regionalisierungsmittel des Bundes zur Finanzierung des Nahverkehrs in diesem Jahr um zusätzlich 1,5 Milliarden Euro erhöht werden. Das aber lehnt der Bund unter Verweis auf Entlastungen bei Energiepreisen an anderer Stelle ab. (dpa)