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Warum die digitale Verwaltung in Sachsen nicht vorankommt

Per Mausklick Behördengänge erledigen - eine digitale Verwaltung war der Plan. Doch die meisten Bundesländer haben die Digitalisierungsziele verfehlt, auch Sachsen. Die Gründe dafür und was jetzt getan werden muss - ein Gastbeitrag.

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Professor Thomas Lenk (r.) und Dr. Oliver Rottmann fordern mehr Unterstützung des Freistaats für die Kommunen bei der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen. Foto: PR
Professor Thomas Lenk (r.) und Dr. Oliver Rottmann fordern mehr Unterstützung des Freistaats für die Kommunen bei der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen. Foto: PR © PR

Von Professor Thomas Lenk, Christoph Mengs und Dr. Oliver Rottmann

Wer kennt es nicht: Kurz vor dem Urlaub noch schnell den Reisepass verlängern, das langersehnte neue Auto anmelden oder im Standesamt Ehe- oder Geburtsurkunden beantragen. Vieles ist hierbei weder online realisierbar, noch zügig möglich. Ein Baustein zur Beschleunigung stellt hier die seit Jahren forcierte Verwaltungsdigitalisierung dar, doch schreitet diese auch in den sächsischen Kommunen noch viel zu langsam voran.

Nicht nur das bundesweite Scheitern einer flächendeckenden Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), demnach alle Verwaltungsleistungen für Bürger und Unternehmen bis ursprünglich Ende 2022 als digitale Lösungen umgesetzt werden sollten, ist hier sinnbildlich. Auch hemmen landesspezifische und kommunale Herausforderungen die zügige Verwaltungsdigitalisierung in den Städten und Gemeinden des Freistaats.

Eine aktuelle Studie des KOMKIS – Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen, der Universität Leipzig – hat vor diesem Hintergrund sächsische Kommunen zum Stand ihrer Digitalisierung befragt und derzeit bestehende Hemmnissen erhoben. 72 sächsische Städte und Gemeinden beteiligten sich and der Befragung. Es wurde deutlich, dass die schleppende Umsetzung nicht einen, sondern zahlreiche Gründe aufweist.

Jede dritte Kommune in Sachsen stellt keine Infos digital bereit

Die im Rahmen des OZG zu erfüllende digitale Beantragung und Abwicklung von Verwaltungsdienstleistungen ist bei kaum einer Kommune zu beobachten. Eine von Bürgern oder Unternehmen nur noch einmalig notwendige Nachweisübermittlung von Unterlagen für verschiedene Verwaltungsdienste (Once-Only-Prinzip) ist zudem noch in keiner befragten Kommune zum Zeitpunkt der Umfrageerhebung etabliert. Bereits möglich sind zwar in Teilen der Kommunen Online-Leistungsbeschreibungen – so zum Beispiel in den Themenfeldern Bauen & Wohnen, Bildung, Mobilität & Reisen, Steuern & Zoll, Umwelt oder Unternehmensführung. Hier ist allerdings anzumerken, dass auch in diesen Themenfeldern mindestens ein Drittel der sächsischen Kommunen noch nicht einmal digital abrufbare Informationen bereitstellt. Gleichwohl sind drei Viertel aller befragten Kommunen der Auffassung, dass zumindest Teile der Bürger Online-Dienstleistungen deutlich stärker nutzen würden. Eine digitale Verwaltung ist folglich auch ein Standortfaktor – für Bürger und Unternehmen.

Woran liegt die schleppende Umsetzung der Digitalisierung? In der Studie wurde deutlich, dass mehrere Problemfelder aus Sicht der Kommunen existieren. Jedoch lassen sich zwei Schwerpunkte identifizieren: personelle Herausforderungen in den Verwaltungen sowie rechtliche Hürden. Die personellen Hürden umfassen nicht nur die Qualifikation, so fehlt es insbesondere an IT-Fachpersonal, zahlreiche Kommunen kämpfen auch mit einer zu knappen Personaldecke, was sich generell negativ auf die Einführung neuer Prozesse auswirkt. Beispielsweise wird hierdurch auch der Abruf von verschiedenen Fördermitteln erschwert – wer keine Mittel beantragt, kann diese auch nicht verwenden. Auch sehen fast drei Viertel der befragten Kommunen Beharrungstendenzen in der eigenen Verwaltung als digitalisierungshemmend an. Ferner sind zwar entsprechende IT-Infrastrukturen, wie Hardware und Software, nicht in allen Kommunen in ausreichendem Maße vorhanden, dennoch ist dieses Hemmnis eher als nachrangiges Problem identifiziert worden.

Freistaat muss finanziell mehr unterstützen

Wie lässt sich die schleppende Verwaltungsdigitalisierung trotz negativer struktureller und fiskalischer Voraussetzungen beschleunigen? Inhaltlich kann direkt auf der Verwaltungsebene angesetzt werden: Über ein effektives Dokumentenmanagementsystem, die Einführung der E-Akte und Schulungen für Mitarbeiter können Verwaltungsabläufe effizienter gestaltet werden. Hierbei könnte der Freistaat stärker finanziell unterstützen. Aus rechtlichen Landesvorgaben (verpflichtende Einführung der elektronischen Vorgangsbearbeitung und Aktenführung auf kommunaler Ebene etc.) würden zwar kurzfristig kommunale Mehrbedarfe entstehen, doch könnte dies langfristig in einer effizienteren Verwaltungstätigkeit münden. In der Verantwortung stünde hier die Landesebene, da es sich im Sinne des Konnexitätsprinzips („Wer bestellt, bezahlt“) und der daraus erwachsenen Aufgabenzuteilung um kommunale Mehrbedarfe handelt, die durch eine Aufgabenübertragung entstünden.

Kurzfristig bedeutet dies für den Freistaat, dass mehr Geld in das kommunale System fließen sollte. Eine Möglichkeit bestünde in der Anpassung der bestehenden Finanzierung über den Kommunalen Finanzausgleich, indem mit der Schaffung einer digitalen Infrastruktur (§ 22b SächsFAG) auch die Digitalisierung der Prozesse in der Verwaltung und damit das Personal stärker in den Mittelpunkt der Förderung gestellt wird. Mittel- und langfristig können aus einer digitalen – und damit im Idealfall effizienteren – Verwaltung eine Kostenreduktion sowie eine qualitativ höherwertige Leistungserbringung auf kommunaler Ebene erwachsen. Beides liegt auch im Interesse des Landes und spart – angesichts einer auf beiden Seiten angespannten Personalsituation – Kosten für beide Seiten.

Um dem Personalmangel hinreichend begegnen zu können, sollten insbesondere kurzfristig die Qualifizierungsbemühungen weiter forciert werden. Ein langfristig dezentral angelegter IT-Personalzuwachs in der kommunalen Kernverwaltung – so wünschenswert er ist – erscheint angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktnachfrage für IT-Fachkräfte und der beschränkten Gratifikationen in den Kommunalverwaltungen kurzfristig schwer realisierbar. Vielmehr sollten zuvorderst das bestehende Personal weiterqualifiziert, externes Know-how und ggf. landesseitige Förderungen in Form von Schulungen genutzt werden, wie sie bspw. durch den KISA oder das Digital-Lotsen-Programm des Sächsischen Städte- und Gemeindebundes angeboten werden.

Klar ist, eine weiterhin nur schleppende Verwaltungsdigitalisierung kann sich zu einem Standortnachteil für Bürger und Unternehmen entwickeln – und zwar nicht nur im Wettbewerb der Ballungszentren und Regionen bundesweit –, sondern auch die Gefahr bergen, den ländlichen Raum weiter zu vernachlässigen und das grundgesetzlich geschützte Postulat gleichwertiger Lebensverhältnisse mehr und mehr aus den Augen zu verlieren.

Zu den Autoren: Professor. Dr. Thomas Lenk ist Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen und Public Management sowie des KOMKIS Sachsen, beides Universität Leipzig. Christoph Mengs ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des KOMKIS Sachsen an der Universität Leipzig. Dr. Oliver Rottmann ist Geschäftsführender Vorstand des KOWID e.V. an der Universität Leipzig.