Wirtschaft
Merken

Was nützt uns 5G?

Um den neuen Mobilfunkstandard gibt es heftige Debatten. Daher ist es Zeit, die Frage nach dem Sinn des Ganzen zu stellen. Ein Gastbeitrag.

 5 Min.
Teilen
Folgen
Immer mehr 5G-Masten werden installiert. Gerhard Fettweis und Tim Hentschel erklären, wozu wir 5G brauchen.
Immer mehr 5G-Masten werden installiert. Gerhard Fettweis und Tim Hentschel erklären, wozu wir 5G brauchen. © PR

Von Gerhard Fettweis und Tim Hentschel

5G, das ist die 5. Generation des Mobilfunks, die derzeit als Nachfolger von LTE (4. Mobilfunkgeneration, 4G) nach und nach eingeführt wird. Um diese Einführung gibt es viele Diskussionen. Die Frage, die sich viele stellen, ist: „Was nützt uns 5G – mir ganz persönlich und auch unserer Gesellschaft?“ Um das zu beantworten, sollten wir den Blick etwas weiten.

Die meisten von uns nutzen das Internet sehr intensiv: angefangen bei E-Mail, sozialen Netzen, Video-Streaming bis zu Home-Schooling und Home-Office in Zeiten von Covid-19. Das Internet ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Ohne Internet hätte der Lockdown weitaus gravierendere Folgen für unser Leben. Vor allem in diesen Zeiten der Pandemie wird es offensichtlich, welch großen Nutzen das Internet für uns hat.

Der 4G-Mobilfunk ist die Basis für das mobile Internet: „Immer und überall verbunden“, war vor zehn Jahren ein Werbe-Slogan bei der Einführung von 4G. An diese Datenverfügbarkeit haben wir uns gewöhnt: Die Navigation im Auto wird heute weitestgehend vom Smartphone mit Internetzugang bereitgestellt; die Musik wird live gestreamt; statt der Brockhaus Enzyklopädie im Regal haben wir Wikipedia immer und überall verfügbar.

All diese Anwendungen des mobilen Internets benötigen entsprechende Bandbreite für die Übertragung – der Datenverkehr braucht quasi eine „Straße“. Je mehr Daten übertragen werden, desto breiter muss die „Straße“ sein.

Der Bedarf an Bandbreite steigt kontinuierlich. In den letzten Jahren ist der weltweite mobile Datenverkehr jährlich zwischen 50% und 90% gegenüber dem jeweiligen Vorjahr gestiegen. Bis zum Jahr 2025 wird dieser Datenverkehr nach Schätzungen der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) sechs Mal höher sein als heute. Der Mobilfunk, angefangen beim C-Netz in den 1980er Jahren bis 4G heute, hat sich entsprechend dieser wachsenden Nachfrage entwickelt. Auch 5G ist ein Ergebnis der wachsenden Nachfrage an Datenverkehr.

Was ist nun wirklich neu an 5G und wozu ist das gut?

Mit 5G sollen verschiedene neue Anwendungen mit neuen Anforderungen möglich werden. Zunächst einmal wird durch 5G der bereits beschriebene Wunsch nach mehr Bandbreite erfüllt. So kann der steigende Datenverkehr abgewickelt werden. Die dafür notwendige Technologie ist gar nicht so anders als bei 4G. An der Physik hat sich nichts geändert. Das Einfachste ist zunächst immer, zusätzliche Frequenzen für die Übertragung zu nutzen, also „neue Straßen“ zu bauen. Dieses so genannte Frequenz-Spektrum (d. h. der „Platz für Straßen“) ist aber knapp, und es gibt neben dem Mobilfunk viele andere Interessenten z. B. Radio, WLAN, Flugfunk, Militärfunk, drahtlose Mikrofone, Radar. Freie Lücken müssen gesucht werden, die andere Nutzer nicht stören.

Bei 5G können erstmals Frequenzen bei 3,5GHz genutzt werden. Das ist ein Bereich, der zwischen den bekannten WLAN-Frequenzbändern bei 2,4GHz und 5,8GHz liegt, und ähnliche Eigenschaften bei der Wellenausbreitung hat. Aber das reicht nicht, um unseren Datenhunger zu stillen. Um mehr Daten mit den vorhandenen Frequenzen zu übertragen, werden bei 5G die Daten erstmalig nur noch in exakt diejenige Richtung geschickt, in der sich der Empfänger befindet. Das ist vergleichbar damit, dass man zum Lesen das Wohnzimmerlicht ausschaltet und eine kleine Leselampe dort anschaltet, wo man auch lesen möchte.

Neben der insgesamt geringeren Exposition im Vergleich zu 4G hat das den Vorteil, die gleichen Frequenzen für die Versorgung anderer Empfänger in anderen Richtungen nutzen zu können. Auf diese Weise kann dann die nutzbare Bandbreite in der Fläche erhöht werden, weil mehr Nutzer zur gleichen Zeit mehr Daten empfangen können als mit 4G.

Aber auch das wird wahrscheinlich nicht reichen. Deshalb sollen bei 5G zukünftig auch weitere Frequenzen genutzt werden, so genannte Millimeterwellen bei z. B. 26, 38 oder 70 GHz. Diese Frequenzen bringen technisch große Herausforderungen mit sich, denn die Millimeterwellen werden in ihrer Ausbreitung sehr stark gedämpft. Deshalb sind die Versorgungsbereiche um die Antennen sehr klein. Die Millimeterwellen werden deshalb nur dort eingesetzt werden, wo viele Nutzer viel Datenrate nachfragen. Ein Einsatz in der Fläche ist weder erforderlich noch wirtschaftlich.

5G kann jedoch viel mehr, als nur mehr Bandbreite zur Verfügung zu stellen. Vor allem die Übertragung mit sehr geringer Verzögerung (Latenz) steht im Vordergrund. Diese Eigenschaft ist insbesondere für Anwendungen erforderlich, bei denen der Mensch mit Maschinen zusammenarbeitet, z.B. in der Landwirtschaft und bei sicherheitskritischen Einsätzen von Feuerwehr und Rettungsdiensten. Der Nutzen der geringen Latenz von 5G ist also vor allem in professionellen Anwendungen zu suchen.

Damit ist der Nutzen von 5G vielleicht nicht für jede oder jeden von uns offensichtlich, aber trotzdem unbestritten. So wie wir uns auf die Existenz von Straßen verlassen, benötigt unser digitalisiertes Leben heute eine mobile Internetanbindung.

5G ist die Basis für eine erfolgreiche Digitalisierung. Wenn wir vom Strukturwandel in den Kohleregionen sprechen, sprechen wir eigentlich immer über die Digitalisierung und damit über 5G, denn es gibt keine neuen Industriezweige und Industriearbeitsplätze ohne Digitalisierung und damit ohne 5G. Bereits jetzt hat die Digitalisierung unser Privat- und Geschäftsleben verändert und uns in den letzten Monaten den Umgang mit der Pandemie etwas leichter gemacht. Die damit verbundenen Änderungen in der Nutzung des Internets, sowohl privat als auch in der Wirtschaft, führen zu neuen Anforderungen für die Zukunft. 5G kann diese Anforderungen bedienen, so wie 4G vor zehn Jahren bereitstand, die aus der Nutzung von 3G gestiegenen Anforderungen in den 2010er Jahren zu bedienen. In diesem Sinne ist 5G ein Mobilfunkstandard mit Tradition, um ein neues Jahrzehnt zu bedienen, das Jahrzehnt der 2020er. (Mitarbeit: Norman Franchi)

Zu den Autoren: Professor Dr. Gerhard Fettweis ist Professor für Nachrichtentechnik an der Technischen Universität Dresden und Koordinator des 5G Lab Germany. Tim Hentschel ist Geschäftsführer des Barkhausen Instituts in Dresden. Dr. Norman Franchi forscht am Industrial Radio Lab Germany (IRLG).