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Neue Streiks möglich: Wenn der Postmann wieder nicht klingelt

Weil es kein Lohnangebot der Post gibt, wird in Verteilzentren und bei der Zustellung erneut gestreikt. Ohnehin könnten bald seltener Briefe im Kasten sein.

Von Michael Rothe
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Am Donnerstag und Freitag vergangener Woche wurden bundesweit Paket- und Briefzentren der deutschen Post bestreikt. Fortsetzung folgt.
Am Donnerstag und Freitag vergangener Woche wurden bundesweit Paket- und Briefzentren der deutschen Post bestreikt. Fortsetzung folgt. © dpa/Bernd Wüstneck

Dresden. Nach dem zweitägigen Warnstreik Ende voriger Woche in allen Verteilzentren der Deutschen Post sowie in der Zustellung müssen sich die Deutschen darauf einstellen, dass Briefkästen leer bleiben und der Postmann nicht klingelt. Wie von der Gewerkschaft Verdi zu erfahren war, sind schon in Kürze neue Aktionen geplant.

Die mit 1,9 Millionen Mitgliedern zweitgrößte deutsche Gewerkschaft fordert für die hierzulande 160.000 Postbeschäftigten 15 Prozent mehr Lohn und Gehalt und eine um 200 Euro höhere Ausbildungsvergütung. Das lehnt der Konzern ab, hat aber auch in der 2. Tarifrunde kein eigenes Angebot vorgelegt. Das soll es nun bei den Gesprächen am 8./9. Februar geben.

Zudem wurde aus Betriebsratskreisen bekannt, dass die Post prüft, wegen des rückläufigen Briefgeschäfts aus der Universaldienstleistung auszusteigen. Dann wäre sie nicht mehr für die flächendeckende Zustellung zuständig und würde diese Pflicht an den Staat zurückgeben. Dadurch könnten Briefe künftig statt an sechs nur noch an fünf oder vier Werktagen kommen.

Die Post dementiert das: Man plane keinen Rückzug aus dem sogenannten Universaldienst und wolle "diesen wichtigen Beitrag zur Grundversorgung weiterhin leisten", teilte der Konzern am Dienstag auf Anfrage mit.

So viel Beschwerden wie nie

Schon länger monieren Postkunden ausbleibende oder verspätete Sendungen. Im vorigen Jahr gab es laut Bundesnetzagentur rund 43.500 Beschwerden in der Branche, fast dreimal so viele wie 2021, mehr denn je – und die allermeisten über den gelben Marktführer. Er begründet „lokale Probleme“ mit allgemeiner Personalnot, hohem Krankenstand und gelobt Besserung.

Da kommen Streiks äußerst ungelegen, drei Millionen Briefe und eine Million Pakete waren liegengeblieben. „Da wir bereits angekündigt haben, in der dritten Runde ein Angebot vorzulegen, sind Warnstreiks aus unserer Sicht unnötig, da sie letztlich nur zulasten unserer Kundinnen und Kunden gehen“, sagt ein Sprecher zur SZ.

Laut Normen Schulze von Verdi hatten sich in Sachsen 2.347 Beschäftigte am befristeten Streik beteiligt, 1.060 davon in der Briefniederlassung Dresden mit dem Verteilzentrum Ottendorf-Okrilla. Der Fachbereichsleiter für Mitteldeutschland spricht von „unerwartet hoher Streikbereitschaft“.

Deutsche Post DHL hat im Freistaat insgesamt rund 9.000 Beschäftigte. Hinzukommen rund 6.000 Mitarbeitende am DHL-Luftfrachtkreuz am Flughafen Leipzig-Halle. Sie sind nicht Teil des Konflikts, da ihr Haustarifvertrag bis Ende März gilt.

Post ist ein Krisengewinner

Die Gewerkschaft hält ihr gefordertes Lohnplus von 15 Prozent für „notwendig, gerecht und machbar“. So steht es auch auf vielen Plakaten der Demonstrierenden. „Die Post ist ein Krisengewinner“, sagt Normen Schulze. Immerhin hatte der Konzern 2022 das Rekordergebnis von 8,4 Milliarden Euro eingefahren und gibt mittelfristig ähnliche Gewinnprognosen ab.

„Aus unserer Sicht steht im Vordergrund, wie wir die Balance zwischen Lohnsteigerungen für unsere Beschäftigten und wirtschaftlicher Tragfähigkeit erreichen können“, heißt es indes aus der Pressestelle. Schon heute reiche das deutlich rückläufige Ergebnis im Deutschen Post- und Paketgeschäft nicht mehr aus für notwendige Investitionen aus. „Um sowohl attraktive Löhne zahlen zu können als auch die Arbeitsplätze in diesem Bereich auf Dauer zu sichern, sind daher Einkommenssteigerungen in der von ver.di geforderten Größenordnung nicht vertretbar“, so der Sprecher.

Die meisten Verdi-Mitglieder bei der Post hätten ein niedriges Einkommen und könnten Reallohnverluste nicht verkraften, argumentiert die Gewerkschaft. Rund 140.000 der 160.000 Tarifbeschäftigten verdienten monatlich zwischen 2.108 und 3.090 Euro brutto. Sie treffe die hohe Inflation besonders hart, da sie einen großen Teil des Einkommens für Nahrungsmittel und Energie verwenden müssten.

Postchef erhält 10 Millionen

Zum Vergleich: Frank Appel, der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Post DHL Group, verdiente 2020 und 2021 jeweils mehr als zehn Millionen Euro. Er gilt als bestbezahlter Chef unter den 40 größten deutschen Konzernen im Börsenindex Dax.

Die Verdi-Angaben seien „nicht ganz eindeutig“ entgegnet die Post auf SZ-Anfrage. In den unteren Entgeltgruppen 1-3 gebe es auch Besitzständler, also langjährig Beschäftigte mit Ansprüchen aus älteren Tarifverträgen. Sie würden mehr verdienen, sagt der Sprecher, ohne Zahlen zu nennen. In den genannten Lohngruppen seien „lediglich 104.000 Arbeitnehmer“ eingestuft, zwei Drittel der tariflich Mitarbeitenden.

„Es geht uns nicht um die gut bezahlten Leute im Vertrieb, sondern vor allem um jene, die in den Lohngruppen 1-4 mit jedem Cent rechnen müssen“, sagt Verdi-Mann Schulze. Das seien 91 Prozent aller Postlerinnen und Postler. „Was wir fordern, ist nicht mehr als der reine Inflationsausgleich“, so der Gewerkschafter – wohl wissend, dass die Forderung am Ende nie auch das Ergebnis ist. Die letzte Tariferhöhung gab es im Januar 2022: plus zwei Prozent.