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Wie sieht die Ausbildung der Zukunft aus?

Um junge Leute für eine Lehre zu begeistern, lassen sich sächsische Betriebe inzwischen viel einfallen. Auch die Ausbildung selbst ändert sich.

Von Annett Kschieschan
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Wie lernt man heute für die Arbeitswelt von morgen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich unter anderem das NetzwerkQ 4.0.
Wie lernt man heute für die Arbeitswelt von morgen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich unter anderem das NetzwerkQ 4.0. © AdobeStock

Aufgefüllte Regale, zügiges Vorankommen an den Kassen und ein offenes Ohr, wenn der Leergut-Automat zickt oder das begehrte Produkt einfach nicht zu finden ist – so in etwa wünschen wir uns einen gut funktionierenden Einkaufsmarkt. Was alles nötig ist, damit dort wirklich alles am Schnürchen läuft, ist für Azubis im Handel oft gar nicht zu einfach im Blick zu behalten. Bei Edeka darf der Nachwuchs deshalb auch einmal selbst Verantwortung übernehmen – und zwar für einen kompletten Markt. Das gab es in der Vergangenheit unter anderem in Großenhain und es ist ein Beispiel, das längst nicht nur im Handel Schule macht.

Erst in diesem Herbst hat auch das Dresdner Uniklinikum den Nachwuchs vor eine besondere Aufgabe gestellt. Zwei Wochen lang waren Azubis des dritten Lehrjahrs für einen Teil der Strahlentherapiestation des Klinikums verantwortlich.Das Ziel: berufliche Handlungskompetenz vermitteln, Selbstvertrauen und Austausch stärken. Begleitet werden die angehenden Gesundheits- und Krankenpfleger dabei natürlich von examiniertem Pflegepersonal. „Dieser Praxistransfer ist uns sehr wichtig. Hier geht es nicht nur darum, dass die Auszubildenden das Gelernte umsetzen. Sie übernehmen Verantwortung und wachsen an dem Vertrauen, dass wir ihnen mit der Versorgung der Patienten und Patientinnen übergeben“, sagt Tanja Dreischer, Fachbereichsleiterin an der Carus Akademie, der medizinischen Berufsfachschule.

Yahya Alhukab (l.) und seine Mitschülerinnen und Mitschüler nahmen in diesem Herbst an dem Projekt „Auszubildende leiten eine Station“ teil. Pflegerin Andrea Feyerherd (2.v.l.) leitete die jungen Leute an.
Yahya Alhukab (l.) und seine Mitschülerinnen und Mitschüler nahmen in diesem Herbst an dem Projekt „Auszubildende leiten eine Station“ teil. Pflegerin Andrea Feyerherd (2.v.l.) leitete die jungen Leute an. © Foto: UKD/Kirsten Lassig

Durch den engen Kontakt zur Praxis, der über das geforderte Maß in den aktuellen Bildungsplänen hinausgehe, wolle man die Auszubildenden schon früh binden und ihnen ihren möglichen späteren Einsatzort näher bringen, ergänzt Jana Luntz, Pflegedirektorin am Uniklinikum. Bei den jungen Leuten selbst kommt das Prinzip gut an, auch wenn am Anfang oft auch Nervosität steht. Ob im Einkaufsmarkt oder im Krankenhaus – selbst Verantwortung übernehmen zu dürfen, gibt Selbstvertrauen.„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – die streng hierarchische Definition von Ausbildung gehört längst der Vergangenheit an. Wer guten Nachwuchs finden und halten will, braucht Augenhöhe und Vertrauen – das gilt umso mehr in Zeiten des Fachkräftemangels.Und wer zukunftsfähig sein will, muss auch zukunftsfähig ausbilden. In vielen Betrieben in Sachsen hat man das erkannt. So haben fünf Unternehmen aus dem Erzgebirge 2020 gemeinsam ein Azubi-Camp auf den Weg gebracht. Vorbild waren hier die sogenannten Incentives. Hinter dem englischen Begriff verbergen sich Initiativen, die Mitarbeiter motivieren und enger ans Unternehmen binden sollen. Das funktioniert dort am besten, wo solide Angebote und moderne Konzepte Hand in Hand gehen. Die meisten jungen Leute wollen gerade in der aktuellen Krisensituation einen Beruf mit sicherer Perspektive, der ihnen aber auch Raum für die persönliche Entwicklung gibt.

Als Digital Natives ist die Digitalisierung, die manchem gestandenen Meister noch Kopfzerbrechen macht, für sie selbstverständlich. Kluge Firmenchefs schätzen den natürlichen Wissensvorsprung und nutzen ihn zum Beispiel mit Hilfe der „DigiScouts“. Gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium zeigen dabei Coaches, wie Ideen zur Digitalisierung in Betrieben umgesetzt werden können – und zwar von Azubis. Bei der Curt Bauer GmbH in Aue haben sie vor kurzem eine digitale Azubiplattform auf den Weg gebracht. Wie die Schichtübergabe komplett online funktionieren kann, hat der Nachwuchs bei der Spindelfabrik Neudorf GmbH ausprobiert. Auch hier gilt - Verantwortung übernehmen zu dürfen, schafft Selbstsicherheit und stärkt die Verbundenheit.

Netzwerk für die moderne Ausbildung

Wo die Ausbildung moderner werden soll, müssen auch die Ausbilder dazulernen. Dafür wurde in diesem Jahr das „NetzwerkQ 4.0“ auf den Weg gebracht. Die bundesweite Initiative will Ausbilder fit machen für eine Zukunft, in der Industrie 4.0, Dekarbonisierung und Künstliche Intelligenz mehr als Schlagworte sind. Ziel des Netzwerkes ist die flächendeckende Qualifizierung des Berufsbildungspersonals. Auch deshalb wurden Partner aus jedem Bundesland mit an Bord geholt. In Sachsen ist das die Bildungswerk der Sächsischen Wirtschaft gGmbH (bsw) mit Hauptsitz in Dresden. Die Partner vor Ort sollen den regionalen und branchenspezifischen Bedarf an konkreten Weiterbildungsangeboten feststellen, später selbst Unternehmen beraten und die dabei erworbenen Erkenntnisse in so genannten regionalen Zukunftswerkstätten weitergeben.Das NetzwerkQ 4.0 hat ein ehrgeiziges Ziel: einen bundesweiten Standard für die Qualifizierung des Berufsbildungspersonals schaffen. Theorie und Praxis auf Höhe der Zeit und auf Augenhöhe – so könnte sie aussehen, die Ausbildung der Zukunft.