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Wirtschaft in Sachsen - Das Wochen-Briefing

Gas-Krise: Sachsens Autobranche mit Sorgen, Priorität für Lebensmittelbranche + Masterplan für Gründungen + Sachsen plant neues Vergabegesetz

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In Leipzig will Porsche bald ein drittes SUV-Modell bauen. Derzeit drückt aber die Gas-Krise auf die Stimmung in der Automobilbranche.
In Leipzig will Porsche bald ein drittes SUV-Modell bauen. Derzeit drückt aber die Gas-Krise auf die Stimmung in der Automobilbranche. © Agentur

Guten Morgen,

mein Kollege Thilo Alexe ist der Meinung, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gefällt sich auch in der Rolle, auf der politischen Bühne abseits zu stehen und ein unbequeme Gegenposition zu vertreten, nicht Mainstream zu sein. Ich mache mir dagegen Sorgen, dass sein ständiges Befeuern der Debatte um eine Verlängerung von Kohle- und Atomkraftwerken dem Image des Wirtschaftsstandorts Sachsen schaden könnte.

Fast jeden Tag verkünden wir eine positive Nachricht von Unternehmen, die sich in Sachsen engagieren, um die Energiewende voranzutreiben. Porsche will sein drittes, rein elektrisches SUV-Modell in Leipzig produzieren. Der Technologieführer für Superkondensatoren, Skeleton Technologies, baut in Markranstädt eine zweite Fabrik. Der Klimafonds des US-Riesen Amazon investiert in die grüne Wasserstofftechnologie des Dresdener Unternehmens Sunfire. Was müssen die Manager und Beschäftigten in diesen Unternehmen denken, wenn sie Kretschmers Satz hören, dass die Energiewende, so wie sie geplant war, gescheitert sei. Denn in dieser Absolutheit stimmt das nicht.

Sicherlich, die Energiewende läuft nicht so wie erhofft. Doch derzeit drücken die erneuerbaren Energien den Strompreis, die Preise für Kohle- und Atomstrom treiben ihn nach oben. Wir sind auch in den nächsten Jahren auf Gas angewiesen, keine Frage. In allen großen Studien, die analysieren, wie Deutschland bis 2045 klimaneutral werden kann, wird Erdgas eine Brückenfunktion beim Übergang in ein vollständiges auf erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem zugeschrieben. Doch die Brücke Erdgas wird schmaler und kürzer ausfallen als bisher angenommen.

Deshalb wäre es jetzt wichtig, dass der Ministerpräsident mit der gleichen Vehemenz, mit der er die Energiewende kaputtredet und düstere Chaos-Szenarien zeichnet, endlich eine Führungsstrategie entwickelt, die zeigt, wie Sachsen bei Energieeffizienz, Energieeinsparung und Ausbau erneuerbarer Energien vorangehen kann. Als Land der Ingenieure, das so viel wie kaum ein anderes Bundesland in Energieforschung investiert, hätte Sachsen beste Voraussetzungen für diese Vorreiterrolle.

Ihre Nora Miethke, Leiterin Wirtschaftsredaktion sächsische.de


Das Wichtigste aus Sachsens Wirtschaft:

Autobranche blickt mit Sorgen auf Gas-Krise

Die Automobilbranche und ihre Zulieferer in Sachsen verfolgen die unsichere Gasversorgung aus Russland mit großer Sorge. "Zwar ist der Einsatz von Gas in der Automobilindustrie insgesamt gesehen relativ gering", sagt Dirk Vogel, Geschäftsführer beim Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen (AMZ). Es seien vor allem Gießereien, Härtereien, Glasproduzenten und Lackierereien, die Gas in großen Mengen in ihren Produktionsprozessen nutzen. "Doch die Auswirkungen, wenn Gas an einer wichtigen Stelle fehlt, betreffen die ganze Branche." Die großen Autokonzerne mit ihren Standorten in Leipzig, Dresden, Chemnitz und Zwickau bereiten sich deshalb auf eine mögliche Mangellage vor.

Derweil ist wahrscheinlich, dass ab Donnerstag wieder Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 fließt - aber wohl weniger als vor der Reparatur. Alle Entwicklungen zur Gas-Krise gibt es in unserem Newsblog.

Gas-Krise: Priorität für Lebensmittelindustrie

Sollte es zu einer Gas-Rationierung kommen, gibt es in Sachsen keine vorher festgelegten Abschalte-Reihenfolgen für die Industrie. Das betont das Energieministerium gegenüber saechsische.de. Die Entscheidungen in einer Mangellage seien "immer Einzelfall-Entscheidungen", heißt es. Laut Minister Wolfram Günther (Grüne) ist beispielsweise die Lebensmittelproduktion aber besonders geschützt. Festhalten will er außerdem an einer Priorisierung von Wohnhäusern, Altenheimen und Kliniken. ("Die Lage darf für niemanden existenzbedrohend werden", sagt er im Interview.) Auch Sachsen-Energie-Chef Frank Brinkmann betont, Haushaltskunden seien "die letzten", die auf Wärme verzichten müssten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema Gas-Rationierung in Sachsen.

Derweil hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in dieser Woche deutlich gemacht, dass er die Energiewende wegen der Gas-Krise in der ursprünglichen Planung als gescheitert ansieht. Er fordert ein "Einfrieren" des Ukraine-Kriegs, will von Russland weiterhin Rohstoffe beziehen. Wirtschaftsminister Martin Dulig zeigt sich offen für längere AKW-Laufzeiten, warnt aber vor überzogenen Erwartungen. Wie angespannt die Lage ist, zeigt auch ein offener Brief einer Löbauer Genossenschaft. Sie prangert ein Versagen der Politik an. Derweil scheinen sich die Gaspreise aber zu stabilisieren.

Gemkow: Masterplan für mehr Firmengründungen

Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) kündigt für kommendes Jahr einen Masterplan an, um Forschung und Wirtschaft für mehr Firmengründungen zu verzahnen. "Wir als Ministerium analysieren derzeit die Stärken und Schwächen der Transferlandschaft", sagt er im Interview. "Da geht es zum Beispiel auch um die bessere Nutzung von Patenten. Wir denken über neue Strukturen nach, Innovationsteams in geeigneter Art." Man müsse sich auch überlegen, "wie wir Investoren schon in ganz frühen Gründungsphasen für das hier Erfundene interessieren".

Durchbruch für neues Vergabegesetz?

Sachsens Vergabegesetz, das soziale und ökologische Standards bei Aufträgen des Freistaats festlegen soll, steht seit Jahren auf der Tagesordnung der Landesregierung. Eigentlich sollte die Novelle 2021 durch sein, doch die Neufassung des 2013 beschlossenen Gesetzes, zu der sich die Regierungsparteien verpflichtet hatten, lässt auf sich warten. Nun heißt es: Der Entwurf soll noch 2022 stehen. Doch es gibt Bedenken. Beobachter befürchten erneut eine Lightversion – etwa, dass die Kriterien für Kommunen nur freiwillig sein sollen. Deswegen gab es eine Demonstration vor dem Landtag.


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