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Das Abfall-Floß auf großer Fahrt

Kunststoff kann mehr als Müll. Das bewiesen Forscher der TU Dresden nun ganz praktisch auf der Elbe. Jetzt sind sie wieder an Land.

Von Jana Mundus
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Ungewöhnliches Floß: Auf gepresstem Abfall aus dem Gelben Sack und Salatschüsseln ist Roman Maletz von der TU Dresden mit seinen Kollegen unterwegs.
Ungewöhnliches Floß: Auf gepresstem Abfall aus dem Gelben Sack und Salatschüsseln ist Roman Maletz von der TU Dresden mit seinen Kollegen unterwegs. © kairospress

Roman Maletz ist nicht der Typ, der langweilige Vorträge über das korrekte Sortieren von Müll hält. Mit dem erhobenen Zeigefinger, das weiß er, kommt er bei seinen Mitmenschen bezüglich dieses Themas nicht weiter. Da baut er doch lieber ein Floß und fährt damit die Elbe runter. Was das mit Abfall zu tun hat? Das Floß besteht nahezu komplett daraus. Die HMS Recyclo der TU Dresden brach jetzt zu ihrer ersten Forschungsreise auf.

Vom Neustädter Hafen in Dresden aus ging es bis nach Magdeburg. Die Wissenschaftler an Bord wollten damit gleich drei Dinge erreichen: Zum einen zeigten sie, wofür vermeintlicher Abfall durchaus noch zu gebrauchen ist. Zum anderen sollen entnommene Wasserproben aus verschiedenen Stellen des Flusses beweisen, welche Auswirkungen gerade kleinster Kunststoffmüll auf unsere Gewässer hat. Drittens ist die Tour auch gute Werbung für ein Studium am Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der TU Dresden.

Die schwimmende Salatschüssel

Die hippen Designer des schwedischen Möbelhauses Ikea dürften beim Anblick des Floßes aus Dresden durchaus Bekanntes entdecken. Ganz vorn schwimmt Blanda Blank. Die große metallene Rührschüssel bildet die Spitze der beiden Schwimmkörper unter dem Floß. Gleich dahinter befindet sich jeweils ein großer, grauer Pflanzkübel, der mit mehreren blauen, in Reihe angeordneten Kunststofffässern verbunden ist.

Fast drei Jahre haben Roman Maletz und Felix Dobritz vom Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der TU Dresden an dem Floß gearbeitet. „Wir konnten eine ganze Menge Abfall wiederverwenden, vor allem Plastikabfälle“, schildert Maletz. Für ihn ein wichtiger Punkt, denn gerade Kunststoffabfälle haben oftmals ein schlechtes Image. Dabei könnten sie viel länger verwendet werden. Es braucht nur die passende Idee.

Beim genauen Hinsehen sind die bunten Kunststoffreste von Waschmittel-Flaschen oder Shampoo-Behältern noch deutlich im gepressten Baumaterial zu erkennen.
Beim genauen Hinsehen sind die bunten Kunststoffreste von Waschmittel-Flaschen oder Shampoo-Behältern noch deutlich im gepressten Baumaterial zu erkennen. © kairospress

Von der musste Anfang Mai aber erst einmal das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt überzeugt werden. „Die erforderliche Abnahme war für die Behörde sicherlich auch kein alltäglicher Termin“, erzählt der Wissenschaftler. Auf Jungfernfahrt ging es mit dem drei mal sechs Meter großen Floß von Pirna-Copitz, wo das Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft angesiedelt ist, bis nach Dresden.

Auf den ersten Blick sehen die Bretter, aus denen das Floß gebaut ist, gar nicht ungewöhnlich aus. „Das ist aber alles Verpackungsmüll“, erläutert Maletz. Es sind Reste aus dem Sortieren des Gelben Sacks, sogenannter Mischkunststoff, der nicht mehr sortenrein zu trennen ist. Der wird unter hohem Druck zu sechs Meter langen Brettern gepresst. Ab und an kommen die in Deutschland bereits beim Bau von Parkbänken zum Einsatz. „Wir haben damit erstmals ein Floß gebaut.“

Wenn plötzlich der Sprit fehlt

Das erwies sich stellenweise als gar nicht so einfach. Als im Herbst 2019 mit dem Floßbau begonnen wurde, waren wichtige Fragen zu klären: Wie lässt sich das Material am besten sägen? Wie bohrt man Löcher hinein? „Es ist kein Holz, das war schon komplizierter.“ Vor allem Felix Dobritz erweist sich beim Bau als kreativer Kopf, was das Besorgen von geeigneten Materialien angeht. Die Salatschüsseln ersteht er per Kleinanzeige, die Fässer, in denen früher Scheibenwaschflüssigkeit war, stammen aus einem Autohaus. Die Reling besteht aus alten Kletterseilen.

Am 7. Juni starteten die Wissenschaftler auf dem Floß „HMS Recyclo“ zur ersten Forschungsfahrt in Richtung Magdeburg.
Am 7. Juni starteten die Wissenschaftler auf dem Floß „HMS Recyclo“ zur ersten Forschungsfahrt in Richtung Magdeburg. © dpa

Am Dienstag nach Pfingsten brechen die Wissenschaftler auf. Zu viert geht es auf der Elbe in Richtung Magdeburg. Mit an Bord sind zwei Forscher der Fachrichtung Hydrowissenschaften der TU Dresden. Auf dem Weg entnehmen sie gut 50 Wasserproben, um diese später im Labor analysieren zu können. Interessant sind die im Wasser enthaltenen Spurenelemente, bestimmte Standardparameter des Flusses und sogenannte Isotope, die Aufschluss über den Gewässerzustand geben. „Besonderes interessieren die Kollegen dabei die verschiedenen Zuflüsse zur Elbe.“ Welchen Einfluss haben sie auf den Zustand des Flusses?

Kurz vor der Ankunft in Magdeburg ist Roman Maletz mit dem Verlauf der Tour zufrieden. „Es lief alles nach Plan, das Floß hat wunderbar funktioniert.“ Alle angestrebten Wasserproben konnten entnommen werden. Nur einmal gibt es einen Schreckmoment. Gerade als ihnen ein großes Schiff entgegenkommt, hat der Motor keinen Sprit mehr. „Da mussten wir in rasendem Tempo auffüllen“, schildert er. Wenig später legt das Floß nach fast fünf Tagen Reise in Magdeburg an.

Lale Carstensen und Rene Zippel (r.), Wissenschaftler der TU Dresden, entnahmen während der Forschungsfahrt in Richtung Magdeburg mehrere Wasserproben, die später im Labor genauer analysiert werden.
Lale Carstensen und Rene Zippel (r.), Wissenschaftler der TU Dresden, entnahmen während der Forschungsfahrt in Richtung Magdeburg mehrere Wasserproben, die später im Labor genauer analysiert werden. © dpa

Dort wird es nun erst einmal eingelagert. Wie es mit dem Floß danach weitergeht, steht noch nicht fest. „Ursprünglich wollten wir bis Hamburg und mussten die erste Fahrt nur aus Zeitgründen verkürzen.“ Womöglich könnte 2023 die restliche Etappe folgen. Und danach? „Wir haben die Idee, daraus einen schwimmenden Hörsaal zu machen.“ Studenten für das Thema Recycling zu begeistern – ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit Floß. Das passt.