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Mikrochips sind in Dresden jetzt Chefinnensache

Zwei Forscherinnen leiten ein neues Dresdner Zentrum, das Chipherstellern wie Infineon einen einzigartigen Service bietet. Sie arbeiten an der Zukunft der Dresdner Nanoelektronik.

Von Jana Mundus
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Wafer sind nicht nur für Wenke Weinreich (l.) und Manuela Junghähnel wichtige Grundlage für ihre Arbeit. Der Bedarf an ihnen steigt weltweit. Zeit für neue Ideen.
Wafer sind nicht nur für Wenke Weinreich (l.) und Manuela Junghähnel wichtige Grundlage für ihre Arbeit. Der Bedarf an ihnen steigt weltweit. Zeit für neue Ideen. © kairospress

Noch fehlt ihm ein knackiger Name. Eingängig muss er sein. Aber Manuela Junghähnel und Wenke Weinreich lassen sich Zeit. So was will schließlich gut überlegt sein. Die Frauen leiten gemeinsam ein neues Dresdner Forschungszentrum der Fraunhofer-Gesellschaft. Noch trägt es den sperrigen Arbeitstitel „Center for Advanced CMOS & Heterointegration Saxony“. Klingt kompliziert. Dabei hat das Zentrum das Ziel, es Chipherstellern weltweit einfacher zu machen. Die Wissenschaftlerinnen und ihre Mitarbeiter bieten einen Service, den Halbleiterfirmen so nirgendwo sonst bekommen.

Es geht bunt zu. Die großen, runden Scheiben in den Händen der beiden Frauen reflektieren das Licht orange oder blau. Es sind sogenannte Wafer, die Grundlage für all das, was in der Mikroelektronik entsteht. Auf ihnen werden die nur wenige Millimeter großen Mikrochips hergestellt. Sie sind weltweit gefragt, um moderne Elektroautos zu bauen oder die Superrechner der Zukunft zu ersinnen. Wafer mit einem Durchmesser von 300 Millimetern sind derzeit ein wichtiger Standard für die Industrie. Genau dafür haben die Dresdner eine jahrelange Expertise, die sie nun im neuen Projekt nutzen.

„Wir möchten unseren Kunden dabei helfen, neue Fertigungsprozesse zu entwickeln und zu testen“, erklärt Wenke Weinreich das Anliegen der Neugründung. In den Arbeitsabläufen etablierter Firmen wie etwa Infineon, Globalfoundries oder Bosch ist es im Tagesgeschäft nahezu unmöglich, die Produktionsprozesse zu unterbrechen. Jeder Stopp der Fertigung würde eine Menge Geld kosten. Das Zentrum soll genau diese Lücke schließen.

Die Zukunft ist dreidimensional

Zwei sächsische Fraunhofer-Einrichtungen bündeln dafür ihre Kräfte: das Dresdner Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS mit dem Bereich CNT – Center Nanoelectronic Technologies, das Wenke Weinreich leitet, und das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM mit seinem Institutsteil „All Silicon System Integration Dresden – ASSID“ in Moritzburg. Letzteres leitet Manuela Junghähnel. Die Halbleiterindustrie sei eine der größten und am stärksten wachsenden Branchen weltweit, sagt ihre Kollegin. „Daraus ergeben sich für uns viele spannende und zugleich auch anspruchsvolle Fragestellungen für unsere Arbeit.“

Wer den beiden Zentrums-Leiterinnen zuhört, der spürt schnell, wie sie für ihr Thema brennen – und das schon seit Jahren. Wenke Weinreich studiert Angewandte Naturwissenschaft. Über das Recycling von Solarzellen findet sie schließlich während ihrer Promotion über Dielektrische Materialien für dynamische Informationsspeicher zur Halbleiterherstellung. Der Weg von Manuela Junghähnel war zumindest anfangs kein klassischer. Weil sie Ende der 1980er-Jahre in der DDR kein Abitur ablegen darf, beginnt sie eine Ausbildung zur Elektromonteurin in einem Stahlwerk. „Ich habe die Anlagen überwacht, so richtig im Schichtsystem“, sagt sie und lacht. Nach der Wende macht sie an der Abendschule ihr Abitur, promoviert später zu transparenten leitfähigen Materialien. „Während meiner Arbeit kam ich immer wieder mit Halbleitertechnologien in Berührung“, erinnert sie sich. „Ich wollte irgendwann mehr und auch mehr Verantwortung.“

Bereits in den vergangenen Jahren arbeiteten die Forscherinnen und ihre Gruppen wiederholt eng zusammen. Einfach ausgedrückt: Während Wenke Weinreich und ihre Kollegen am Fraunhofer IPMS ergründen, wie leistungsfähige Mikrochips gebaut sein müssen, schauen Manuela Junghähnel und ihr Team, wie sich all das effektiv in ein System bringen lässt. „Aktuell geht der Trend raus aus der Fläche hin zu dreidimensionalen Lösungen“, erklärt sie. Die Chips der Zukunft sollen besser, energie- und chemikaliensparend und zudem preiswerter in der Herstellung sein. Stück für Stück tasten sich auch die Dresdner an die Lösungen heran.

Das neue Zentrum in Dresden will Halbleiter-Hersteller wie etwa Globalfoundries beim Entwickeln neuer Ideen und Konzepte unterstützen.
Das neue Zentrum in Dresden will Halbleiter-Hersteller wie etwa Globalfoundries beim Entwickeln neuer Ideen und Konzepte unterstützen. © PR/Globalfoundries

Wenke Weinreich sieht bei all dem einen großen Vorteil. „Unser Know-how zu bündeln macht bei vielen Kundenprojekten einfach Sinn und schafft außerdem Mehrwerte“, sagt sie. Die Gründung des Centers sei deshalb ein logischer Schritt gewesen. Gleich in Nachbarschaft zur Chipfabrik von Globalfoundries investierten Bund, Land und Fraunhofer-Gesellschaft rund 140 Millionen Euro. Unter anderem entstand so ein 3.000 Quadratmeter großer Reinraum. Ein Gebäude mit Labors und Büros folgt bald. Die ersten Großgeräte, alles Industriestandard, bauen Experten in den nächsten Wochen auf. Bis 2027 kommen noch einmal knapp 40,5 Millionen Euro dazu. Dann wird auch der Reinraum nochmals um 1.000 Quadratmeter wachsen.

Dass sie und ihre Teams nun zusammen die neuen Räumlichkeiten nutzen, das sei effizient und kostenbewusst. Haben die Männer ein Problem damit, dass dort jetzt zwei Frauen das Sagen haben? Beide schütteln den Kopf. Dabei seien Frauen in der Mikroelektronik leider immer noch eine Seltenheit. Studentinnen, die sie an den Universitäten in ihrem Fachbereich treffen, kommen zum Großteil aus dem Ausland. „Da frage ich mich schon, was da eventuell im deutschen Bildungssystem falsch läuft“, sagt Wenke Weinreich.

Exklusive Forschung für die ganze Welt

Die Wissenschaftlerinnen setzen sich für die Förderung des Nachwuchses ein – vor allem des weiblichen. „In den vergangenen Jahren hat sich schon etwas getan, aber Frauen landen in unserer Branche leider immer noch recht selten in Führungspositionen.“ Dabei beweisen die Center-Chefinnen: Mikroelektronikerin, Standortleiterin und Mutter – das funktioniert durchaus gut zusammen.

Ihre Verantwortung ist nun erst einmal, dass das Center ein Erfolg wird. Bisher begleiteten die beteiligten Institute bereits zahlreiche Industrieprojekte aus aller Welt, aus Deutschland, Europa, den USA oder auch Asien. Bis heute sind sie die einzigen beiden deutschen Forschungszentren für eine industrienahe Mikroelektronikforschung im 300-Millimeter-Bereich. „Nun bieten wir den Kunden eine gute technische Lösung aus einer Hand“, sagt Wenke Weinreich. Das dürfte den Mikroelektronik-Standort Sachsen weiter voranbringen – und funktioniert auch erst mal ganz ohne knackigen Center-Namen.