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Unsere Leber ist nicht einmal drei Jahre alt

Die Leber ist ständig mit Giftigem konfrontiert. Zum Glück erschafft es sich immer wieder selbst neu. Forscher der der TU Dresden haben Erstaunliches herausgefunden.

Von Jana Mundus
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Die Leber ist ihr eigener Jungbrunnen. Während der Mensch drum herum altert, regeneriert sie und bleibt in Sachen Zellen auf dem Stand eines frischen, dreijährigen Organs.
Die Leber ist ihr eigener Jungbrunnen. Während der Mensch drum herum altert, regeneriert sie und bleibt in Sachen Zellen auf dem Stand eines frischen, dreijährigen Organs. © 123rf

Die Leber kann etwas Wunderbares: Nach einer Verletzung kann sie regenerieren. Bisher war jedoch unbekannt, ob diese Fähigkeit im Laufe unseres Lebens abnimmt. Internationale Wissenschaftler unter der Leitung von Olaf Bergmann vom Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) an der TU Dresden bestimmten nun mit einer speziellen Technik das Alter der menschlichen Leber. Sie beobachteten, dass unabhängig vom Alter des Menschen die Leber im Durchschnitt immer weniger als drei Jahre alt ist. Das Altern hat demnach keinen Einfluss auf die Erneuerung der Leberzellen. Sie ersetzen sich bei jungen und alten Menschen gleichermaßen gut.

Die Leber ist ein wichtiges Organ, das sich um die Neutralisierung von Giftstoffen in unserem Körper kümmert. Da sie ständig in Kontakt mit giftigen Stoffen ist, kann sie leicht geschädigt werden. Um das auszugleichen, besitzt die Leber das einzigartige Vermögen, sich nach einer Verletzung zu regenerieren. Weil die Fähigkeit des Körpers, sich selbst zu heilen und zu regenerieren, im Laufe des Lebens abnimmt, fragten sich die Forscher, ob auch die Erneuerung der Leber mit dem Alter sinkt.

Ebenso blieben einige Grundlagen der Lebererneuerung beim Menschen ein Rätsel. Einige Studien wiesen auf die Möglichkeit hin, dass Leberzellen langlebig sind, während andere einen konstanten Umsatz zeigten. „Uns war klar: Um zu wissen, was beim Menschen passiert, müssen wir einen Weg finden, das Alter der menschlichen Leberzellen direkt zu bestimmen“, sagt Forschungsgruppenleiter Olaf Bergmann.

Lebern Verstorbener untersucht

Das interdisziplinäre Team aus Forschern der Fachgebiete Biologie, Physik und Mathematik sowie klinischen Fachkräften analysierte die Lebern mehrerer Personen, die im Alter zwischen 20 und 84 Jahren gestorben waren. Überraschenderweise stellte das Team fest, dass die Leberzellen aller Probanden mehr oder weniger das gleiche Alter hatten. „Egal, ob man 20 oder 84 Jahre alt ist, die Leber bleibt im Durchschnitt unter drei Jahre alt“, erklärt Bergmann. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anpassung der Lebermasse an die Bedürfnisse des Körpers durch den ständigen Austausch von Leberzellen genau geregelt ist. Dieser Prozess bleibt auch bei älteren Menschen erhalten. Der ständige Austausch von Leberzellen ist für verschiedene Aspekte der Leberregeneration und der Krebsentstehung von Bedeutung.

Allerdings sind nicht alle Zellen in unserer Leber so jung. Ein Teil der Zellen kann bis zu zehn Jahre alt werden, bevor sie sich erneuern. Diese Unterpopulation von Leberzellen trägt mehr DNA als die typischen Zellen. „Die meisten unserer Zellen haben zwei Chromosomensätze, aber einige Zellen akkumulieren mit zunehmendem Alter mehr DNA.“ Am Ende könnten solche Zellen vier, acht oder sogar mehr Chromosomensätze tragen.

Blick auf die Herzmuskelzellen

Als die Wissenschaftler typische Leberzellen mit den DNA-reicheren Zellen verglichen, fanden sie grundlegende Unterschiede in ihrer Erneuerung. Typische Zellen erneuern sich etwa einmal im Jahr, während die DNA-reicheren Zellen bis zu einem Jahrzehnt in der Leber verbleiben können. „Da dieser Anteil im Laufe des Lebens allmählich zunimmt, könnte dies ein Schutzmechanismus sein, der uns im Alter vor der Anhäufung schädlicher Mutationen bewahrt.“ Die Forscher wollen herausfinden, ob es ähnliche Mechanismen bei chronischen Lebererkrankungen gibt, die sich in einigen Fällen zu Krebs entwickeln können.

Die Bergmann-Gruppe erforscht auch Mechanismen, welche die Regeneration von anderen Geweben antreiben, die als statisch gelten, etwa das Gehirn oder das Herz. Das Team hat bereits sein Fachwissen in der retrospektiven Radiokohlenstoff-Geburtsdatierung genutzt, um zu zeigen, dass die Bildung neuer Gehirn- und Herzzellen nicht auf die pränatale Zeit beschränkt ist, sondern das ganze Leben lang andauert. Derzeit untersucht die Gruppe, ob bei Menschen mit einer chronischen Herzerkrankung noch neue Herzmuskelzellen gebildet werden können.