Deutschland & Welt
Merken

In Thüringen wird nach Ursauriern gegraben

Der Bromacker gilt als eine weltweit bedeutsame Fossillagerstätte. Das Fenster in die Vergangenheit misst gut 30 mal 50 Meter. Ein Dutzend Wissenschaftler und Studierende öffnen es.

 3 Min.
Teilen
Folgen
In den insgesamt vier Wochen der Sommergrabung will ein internationales Team aus Geologen und Paläontologen zwischen Georgenthal und Tambach-Dietharz erneut Funde aus einer Zeit von vor 290 Millionen Jahren aus dem Boden holen.
In den insgesamt vier Wochen der Sommergrabung will ein internationales Team aus Geologen und Paläontologen zwischen Georgenthal und Tambach-Dietharz erneut Funde aus einer Zeit von vor 290 Millionen Jahren aus dem Boden holen. © dpa

Tambach-Dietharz. Der rostrote Sandstein lässt sich mit dem Meißel ähnlich gut aufspalten wie Schiefer. Immer wieder kommen dabei Funde zutage, die mehr als 290 Millionen Jahre im Erdreich verborgen lagen. "Die Fundstelle auf dem Bromacker bei Tambach-Dietharz ist einzigartig", schwärmt Jörg Fröbisch vom Berliner Museum für Naturkunde.

Der Professor für Paläobiologie und Evolution an der Berliner Humboldt-Universität ist im zweiten Jahr bei der Grabung im Thüringer Wald dabei. Hier wurden Skelette von zwölf Ursaurierarten gefunden - von einigen auch die passenden Fußspuren im versteinerten Schlamm. Dazu versteinerter Kot, Insekten und Pflanzenteile. Selbst auf Kratzspuren im damals weichen Boden bis hin zu ganzen Wohnhöhlen der urzeitlichen Reptilien ist Fröbischs Team schon gestoßen.

Der Bromacker im Dreieck zwischen Gotha, Suhl und Eisenach gilt als weltweit einzigartige Fossillagerstätte. Seit 2020 gibt es dort wieder systematische Ausgrabungen und geologische Bohrungen. Beteiligt an dem Wissenschaftsprojekt sind neben dem Berliner Naturkundemuseum die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, die Schiller-Universität Jena und der GeoPark Thüringen.

An der Fossillagerstätte Bromacker im Thüringer Wald wird ein Fund dokumentiert.
An der Fossillagerstätte Bromacker im Thüringer Wald wird ein Fund dokumentiert. © dpa

Es ist ein heißer Augusttag an der Grabungsstätte. Ein Student hat einen winzigen Knochen in einem Stein entdeckt. Eine Präparatorin gießt Flüssigkleber in die Spalten rund um den Fund, Fotos werden gemacht und der Fundort eingemessen. Vorsichtig wird das Erdreich um den Knochen herum abgetragen. Vielleicht hängt ja ein ganzes Skelett daran.

Knochen seien spektakuläre Funde, sagt Fröbisch. Aber in den mehreren hundert Kisten, die während der vierwöchigen Grabung abtransportiert werden, stecke viel mehr: "Wir haben etwa eine kleine, versteinerte Pfütze entdeckt." Jeden Tag sei das Wasser verdunstet und habe Ablagerungen am Rand hinterlassen. So wisse man nun, dass es damals 60 Tage lang nicht geregnet habe.

Vor 290 Millionen Jahren lag Thüringen noch nahe am Äquator

Was man auch weiß: Vor 290 Millionen Jahren lag Thüringen noch nahe am Äquator, und die heutige Grabungsstätte war die Talsohle eines tief eingeschnittenen Canyons. Durch das Tal mäanderte ein Fluss. Die Vegetation war eher spärlich. Das Klima war mal knochentrocken, und dann habe es wieder heftige Niederschläge gegeben. Möglicherweise seien einige der Ursaurier in ihren Wohnhöhlen vom Schlamm eingeschlossen und so für die Wissenschaft konserviert worden, sagt der Forscher.

Von einem Aussichtspunkt am Rand spähen einige interessierte Wanderer in die etwa sechs Meter tiefe Grube. Einer der Forscher erklärt ihnen die Grabung. Wissenschaftskommunikation wird in diesem Projekt großgeschrieben. "Das hier ist Grundlagenforschung", sagt Fröbisch. Auch deshalb sei es wichtig, die Öffentlichkeit mitzunehmen. Vielleicht könnten auch einmal Interessierte hier mitgraben. So werde Forschung zum Tourismusmagneten.

Der Bromacker gilt als eine weltweit bedeutsame Fossillagerstätte.
Der Bromacker gilt als eine weltweit bedeutsame Fossillagerstätte. © dpa

Seit 1974 wird am Bromacker gegraben. Der langjährige Paläontologe der Gothaer Stiftung Schloss Friedenstein, Thomas Martens, hatte hier die ersten Skelette gefunden. Die spektakulären Funde sind im 30 Kilometer entfernten Gothaer Museum der Natur ausgestellt.

Tiefbohrungen von 250 Metern

Seit 2021 läuft ein neues Forschungsprojekt, das sich auf die Rekonstruktion der urzeitlichen Welt konzentriert. Das sei "Hightech pur", sagt Mertens-Nachfolger Tom Hübner. Grabgänge würden im Gestein gescannt, ebenso ins Schädelinnere der Ur-Echsen geschaut. "Ein Team der Uni Jena macht Tiefbohrungen von 250 Metern, um die Geologie zu erforschen", berichtet er

Andere Kolleginnen und Kollegen würden aus den Tausenden Puzzlestücken Erkenntnisse über Fressbeziehungen, Fortbewegung oder die Lebensweise der Tiere gewinnen. Und dennoch blieben selbst grundlegende Fragen vorerst offen: "Das genaue Alter der Fundstelle ist unbekannt. Wir wissen nicht, wie hoch das Land lag oder ob es Frost gab." Das Fenster in die Vergangenheit ist längst noch nicht vollständig geöffnet. (epd)