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Wissenschaftler an der Weißeritztalbahn

Vorbildliche Leistungen gab es schon vor 135 Jahren beim Streckenbau. Spannend ist aber auch der Wiederaufbau.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Osterzgebirge. Der Wiederaufbau der Weißeritztalbahn ist auch für die Wissenschaft interessant. Denn dabei kommt auch neue Technik zum Einsatz. Deswegen macht Professor Hans-Christoph Thiel regelmäßig Fachexkursionen mit Studenten, Eisenbahningenieuren und Bauunternehmern an der Strecke. Hans-Christoph Thiel wohnt heute in Dresden, ist aber ein alter Freitaler und leitet den Lehrstuhl für Eisenbahnwesen an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus und Senftenberg. Als Freitaler liegt ihm die Weißeritztalbahn schon immer am Herzen. So war er einer der Mitbegründer der IG Weißeritztalbahn und die Bahn ist auch Gegenstand seiner wissenschaftlichen Arbeit.

Inzwischen rollen die ersten Arbeitszüge oberhalb von Dippoldiswalde. Hier verteilt einer Schotter entlang der Strecke beim Hydraulikgelände in Dippoldiswalde.
Inzwischen rollen die ersten Arbeitszüge oberhalb von Dippoldiswalde. Hier verteilt einer Schotter entlang der Strecke beim Hydraulikgelände in Dippoldiswalde. © Egbert Kamprath

So lädt er regelmäßig zum bauwissenschaftlichen Praxistag auf die Baustelle. Der nächste findet am Freitag, dem 26. August, statt, der jüngste war am vergangenen Wochenende. Dabei gehen die Teilnehmer die ganze Strecke ab und besichtigen bautechnische Besonderheiten. „Das habe ich schon beim ersten Bauabschnitt zwischen Freital und Dippoldiswalde regelmäßig angeboten“, sagt Thiel. Bei seiner jüngsten Exkursion stand eine neue Art der Schwellen besonders im Blickpunkt: Produkte aus wiederverwendetem Plastik. Dieses Material wird aus den Kunststoffen hergestellt, die wir im Gelben Sack zur Wiederverwertung geben. Die Firma Reluma in Großrückerswalde im Erzgebirgskreis stellt daraus neue Produkte her. Das Material ist seit einigen Jahren für verschiedene Zwecke im Einsatz. Seit über 15 Jahren wird es im Wasserbau verwendet beispielsweise für Bootsstege. Der Einsatz im Eisenbahnbau kam etwas später. Die Dresdner Verkehrsbetriebe setzen die Kunststoffschwellen seit über zehn Jahren für die Straßenbahnen ein. Das hat sich gut bewährt. Nun werden die Kunststoffschwellen auf der Schmalspurstrecke im Osterzgebirge verlegt. Die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft verspricht sich davon einige Vorteile gegenüber den herkömmlichen Holzschwellen. Holz verwittert ja. Daher werden die Schwellen mit Imprägnieröl getränkt, damit sie länger halten. So behandeltes Holz ist aber am Ende nur noch als Sondermüll zu entsorgen, was hohe Kosten für den Betreiber bringt. Die Kunststoffschwelle kommt ohne Imprägnierung aus. Fachleute wie Thiel erwarten sogar, dass die Kunststoffschwellen, wenn sie eines Tages ausgewechselt werden, erneut zu Granulat verarbeitet werden können. Daraus kann dann wieder ein neues Plastikprodukt entstehen.

Ein Nachteil ist bisher, dass die Plastikschwellen keine so großen Lasten aushalten. Deswegen werden sie nicht auf den Haupteisenbahnstrecken eingesetzt, wo die Züge schwerer sind. Aber für Straßenbahnen und leichte Nebenbahnen wie im Weißeritztal reichen sie aus. Eine andere neuartige Bautechnik, die bei einem früheren Praxistag eine Rolle spielte, sind die sogenannten bewehrten Dämme. Die standen im Mittelpunkt eines früheren Praxistags von Professor Thiel. Dabei wird in den Untergrund Stahl eingebracht, der dem Bahndamm mehr Stabilität gibt. Laien erkennen dies an den Gabionen, steingefüllten Drahtbehältern. Diese sind an der Oberfläche zu sehen. Die widerstandsfähige Technik wurde bereits im ersten Bauabschnitt der Weißeritztalbahn eingesetzt. Damit ist der Bahndamm besser gegen Ausspülungen bei einem Hochwasser geschützt. Das hat sich beim Hochwasser 2013 schon gut bewährt.

Mit seinen Fachexkursionen entlang der Bahnstrecke steht der Cottbusser Professor in einer Tradition, die bis in die Bauzeit der Bahnstrecke zurückreicht. Bereits 1881 hat der Sächsische Architekten- und Ingenieurverein seine Mitglieder aufgerufen, die Baustelle im Rabenauer Grund zu besichtigen. Damals stand die schöne Gestaltung der Brückenbauten im Mittelpunkt des Interesses. Diese galten seinerzeit als vorbildlich.

Wer sich für die heutigen bautechnischen Besonderheiten der Weißeritztalbahn interessiert, kann sich dem nächsten Praxistag anschließen. Das ist aber eine anstrengende Veranstaltung. Sie startet am 26. August am Bahnhof in Dippoldiswalde, nach der Ankunft des 9.42 Uhr-Zuges aus Freital-Hainsberg. Danach geht es zu Fuß über die ganze elf Kilometer lange Baustelle bis nach Kipsdorf. Feste Schuhe und eine Warnweste müssen die Teilnehmer selbst mitbringen. Detaillierte Informationen auch zur Anmeldung gibt Hans-Christoph Thiel auf der Internetseite der Brandenburgischen Technischen Universität. Bei diesem Termin Ende August können die Teilnehmer schon wieder einen wesentlichen Baufortschritt beobachten. Inzwischen sind bereits Arbeitszüge unterwegs, die Schotter heranschaffen. Ab nächster Woche wird dann die Gleisstopfmaschine arbeiten und die Schienen in ihre endgültige Form bringen, sodass Ende des Jahres wieder die ersten regulären Züge bis nach Kipsdorf rollen können.

Weitere Informationen gibt es hier