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Wo andere nicht hinkommen

Im Elbsandsteingebirge klettert man anders. Wie man dabei nicht abstürzt, erklärt Kletterprofi Bernd Arnold.

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© H. Schulze

Von Marie-Therese Greiner-Adam

Wie jemand, der im nächsten Jahr 70 Jahre alt wird, kommt einem Bernd Arnold nicht vor, wenn er auf dem Brand herumturnt, um Fotos mit seiner analogen Kamera zu machen. Die Gesundheit mache ihm zwar mittlerweile an manchen Tagen einen Strich durch die Rechnung, dennoch ist der professionelle Kletterer nahezu jeden Tag in der Natur. Klettern kenne keine Altersbeschränkung und keine Jahreszeiten, sagt Bernd Arnold.

In der Sächsischen Schweiz sind jedoch nicht nur Profis unterwegs, die wie der Hohnsteiner zahlreiche Erstbegehungen unternommen haben und eins sind mit dem sächsischen Sandstein. Das zeigen auch die jüngsten Unfälle. Stefan Falkenau, Leiter der Bergwacht Sächsische Schweiz, hat den Eindruck, dass die Zahl der Einsätze stetig zunimmt, gerade unter der Woche. Jens Berger von der Bergwacht Bad Schandau bestätigt dies. In diesem Jahr waren er und seine Kollegen an die 50 Mal im Einsatz, wobei auch Unfälle von Wanderern mitgezählt sind. Die steigende Zahl der Bergwacht-Einsätze hat zum einen mit der wachsenden Beliebtheit des Klettersports zu tun. Zum anderen sinkt die Hemmschwelle, die Bergwacht zu alarmieren. Worauf es ankommt, um sich beim Klettern im Elbsandsteingebirge nicht zu verletzen, verriet Bernd Arnold der SZ bei einem Spaziergang auf dem Brand.

Sich des Risikos bewusst sein

„Das Leben ist lebensgefährlich, da macht das Klettern keine Ausnahme“, scherzt Arnold. Wer in der Natur klettern möchte, setzt sich einem Risiko aus. Das sollte sich jeder vorher bewusst machen. „Der Kletterer will an Orte kommen, wo andere nicht hinkommen. Ein Restrisiko, sich zu verletzen, bleibt immer. Das gibt der Sache die Würze. Sonst wäre es ja nichts Besonderes“, erklärt Arnold. Der erfahrene Kletterer, der bereits seit 26 Jahren Kletterkurse gibt, weiß aber auch um das erhöhte Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit: „Durch gesellschaftliche und soziale Veränderungen erhöht sich ständig das Sicherheitsbedürfnis. Die Risikobereitschaft sinkt, was sich auch bei der Sportausübung niederschlägt.“

In der Landschaft ankommen

„Voraussetzung für das Klettern ist, dass man in der Landschaft angekommen ist“, erklärt Arnold. Was ein wenig esoterisch klingt, bedeutet nichts anderes, als sich mit der Umgebung vertraut zu machen und die Gegebenheiten richtig einzuschätzen. Komme man aus einem Kalkstein-Gebiet, sei man gewohnt, dass jede Formation halte. Sandstein verhält sich anders. Aber an der Färbung und der Form des Felsens könne man bereits ablesen, wie fest der Stein ist. Runde Formen deuten auf einen weichen Fels hin. Ist der Fels weiß gefärbt, ist der Sandstein an dieser Stelle bröckelig. Nasse Felsen dürfen generell nicht erklommen werden.

„Viele kommen aus der Kletterhalle zum Naturfelsen und haben dann ein Problem. Der Einstieg in den Naturfels ist ein längerer Weg“, weiß Arnold. Und dieser Weg beginnt zuallererst beim Training am Boden.

Ohne Höhe trainieren

Auch wer bereits den einen oder anderen Gipfel in der freien Natur erklommen hat, sollte sich vor der Tour am Boden noch einmal versichern, dass er mit den Sicherungstechniken vertraut ist, die die Sächsischen Kletterregeln vorsehen.

„Das Regelwerk für das Klettern in der Sächsischen Schweiz wirkt skurril und urdeutsch. Im Grunde aber ist alles ganz einfach – man klettert mit Händen und Füßen und fügt der Natur als Partner, außer der erforderlichen Nutzung, keinen Schaden zu“, bewertet Arnold. Keinen Schaden zuzufügen, das bedeutet zum Beispiel, ohne Magnesia zu klettern und auch sonst keine künstlichen Hilfsmittel zu benutzen, die bei der Fortbewegung am Felsen helfen. „Gebietsfremde sollten verschiedene Sicherungsmethoden zu ebener Erde ausprobieren“, rät Bernd Arnold, und weiter: „Sicherheitsdenken beginnt schon in der Vorbereitung. Die Sicherheit bin zuerst ich selber – das kann ich nicht nur den Ringen und Schlingen überlassen.“

Den Sandstein richtig nutzen

„Am Sandstein klettern zu lernen, ist besonders günstig, weil man die Reibung nutzen und seinen Körperschwerpunkt gut auf die Füße verlagern kann“, erklärt der Profikletterer. Ein gutes Körpergefühl und Fitness sind beim Klettern wichtig, gerade im Elbsandsteingebirge: „Die Absicherungsmethoden sind anders als in anderen Gebirgen. Es gibt weniger Haken, und man muss sich selbst um Absicherung bemühen“, weiß Arnold. Zum Beispiel, indem man Sanduhren oder Risse am Sandstein nutzt, um Schlingen zu legen.

Sich nicht überschätzen

Der Klettersport wird zunehmend beliebter, und damit sind an schönen Tagen auch viele Kletterer in der Sächsischen Schweiz unterwegs. „Für Überflieger ist das Elbsandsteingebirge aber nicht geeignet“, warnt Bernd Arnold. Damit meint er Enthusiasten, die schnell viel erreichen wollen und die Herausforderungen beim freien Klettern unterschätzen. Anfangen sollte man etwa zwei oder drei Schwierigkeitsgrade unter seinem Niveau bleiben. „Man sollte in der Situation an seine persönliche Grenze kommen. Dann wird man zufrieden“, weiß der Profi. Im Elbsandsteingebirge klettert man in Seilschaften, dabei gehe es auch um menschlichen Austausch, nicht nur um sportliche Höchstleistungen.

Wenn man von einem gleichbleibenden Bedürfnis nach Sicherheit und einer weiter anwachsenden Beliebtheit des Kletterns in der Sächsischen Schweiz ausgeht, muss man damit rechnen, dass mancher Gipfel für den Klettersport wegfällt. Schließlich unterliegen die Felsen den natürlichen Bedingungen. Bernd Arnold plädiert dafür, Ruhezonen zu schaffen. Das heißt, dass man gewisse Felsen der Natur zurück- und dafür andere freigibt. Um Besucher des Nationalparks nicht zu gefährden, sei auch hier und da Felssicherung nötig, so auch an der Bastei. „Für die erforderlichen Sanierungsarbeiten könnte man die berühmte Kanzel einfühlsam absperren – statt des Bauzaungitters eine Holzbarriere. Durch das Fällen beziehungsweise Ausschneiden von einigen Bäumen wäre die volle Aussicht auch ohne Kanzel für alle Besucher wieder sichtbar und somit erlebbar“, meint Arnold.