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Wo die reichsten Sachsen wohnen

Der Landkreis Meißen hat die größte Dichte an Millionären im Freistaat. Was zieht die Reichen hier an?

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© Arvid Müller

Von Dominique Bielmeier

Großenhain/Riesa/ Meißen/Radebeul. Goldstaubviertel, Klein Nizza oder schlicht Stadt der Millionäre – Radebeul hat viele Beinamen, die auf den Reichtum ihrer Bürger hinweisen. Die Stadt selbst kann ihren Wohlstand auch kaum verbergen: In den Villenquartieren parken SUVs, an der Meißner Straße fühlen sich Nobel-Händler – für Sportwagen oder Haute Couture – heimisch. Leben hier also besonders viele sächsische Millionäre?

Zahlen aus dem Finanzministerium haben zumindest gerade eine gefühlte Wahrheit bestätigt: In keinem sächsischen Kreis ist die Dichte an Millionären so hoch wie im Landkreis Meißen. Unter 100000 Einwohnern leben hier etwa 14 Millionäre. Im Vogtlandkreis sind es mit 4,3 die wenigsten in ganz Sachsen.

Sechs „Single“-Millionäre

Ganz genau heißt das, dass im Jahr 2014 – denn die Steuererklärungen von 2015 sind noch nicht alle bearbeitet worden – 34 Menschen im Kreis Meißen mehr als eine Million Euro Einkommen versteuert haben. Darunter sind sechs „Single“-Millionäre und 14 Paare, die gemeinsam veranlagt sind und mit dem Ehegattensplitting Steuern sparen. Die zahlenmäßig meisten Millionäre – 60 beziehungsweise 53 – leben in den größten sächsischen Städten Dresden und Leipzig (siehe Grafik).

Das Leipziger Land folgt bei der Millionärsdichte knapp hinter dem Kreis Meißen. Das Muster ist also klar erkennbar: Millionäre zieht es in die „Speckgürtel“ um die großen Städte. Aber leben sie deshalb auch in Radebeul?

Oberbürgermeister Bert Wendsche nennt dies „eine Vermutung, die die allgemeinen Klischees bedient“. Er könne das jedoch weder bestätigen noch dementieren, da ihm die nötigen Daten dazu einfach nicht vorlägen. „Ein Herunterbrechen der Kreiswerte auf einzelne Städte und Gemeinden erfolgt aus Gründen der Wahrung des Steuergeheimnisses nicht.“ Denn gäbe es in einer Gemeinde beispielsweise nur einen oder zwei Millionäre, könnte man so schnell darauf schließen, welches Gesicht sich dahinter verbirgt.

Ein Blick zurück in die Statistik des Finanzministeriums zeigt außerdem einen klaren Trend: Die Zahl der Millionäre unter uns steigt seit Jahren. Lebten im Kreis Meißen 2011 nur 21 Millionäre, wuchs die Zahl in den nächsten beiden Jahren beständig um zunächst vier und dann noch einmal drei Neu-Millionäre bis auf heute 34 an. So zumindest der Trend im Kreis mit der höchsten Millionärsdichte.

Denn im Leipziger Land erreichte die Millionärszahl 2012 mit 42 ihren Höhepunkt, danach fiel sie auf 35 Menschen, dem heutigen Stand. Und auch Dresden hat Millionäre verloren: Waren es 2013 noch 70 Millionäre, sank die Zahl inzwischen um zehn Menschen. Sechs davon könnten möglicherweise für den Zuwachs im Landkreis Meißen verantwortlich sein.

Im Vergleich zu westdeutschen Landkreisen gibt Bert Wendsche zu bedenken, ist „die Einkommenssituation im Allgemeinen als auch in Bezug auf die Anzahl der Einkommensmillionäre in Ostdeutschland deutlich schlechter“. Das Klischee der Millionärsstadt, das Radebeul anhaftet – die Bild-Zeitung behauptete vor zwei Jahren sogar, 250 Millionäre lebten hier – ist eine Medaille mit zwei Seiten für ihn. „Das macht eine Stadt natürlich auch interessant und ist ein Werbefaktor“, so Wendsche. In Radebeul gebe es aber alle Einkommensgruppen, auch die mit dem schmalen Geldbeutel – und für die Stadtverwaltung sollten alle Menschen gleich sein.

„Der Wert eines Menschen misst sich nicht am Einkommen“, sagt Wendsche. „Es hilft einer Gemeinschaft keinen Deut, Neid auf die Höhe anderer Einkommen zu schüren.“ Wenn es nicht auch die großen Vermögen gebe und diese ihre Steuern zahlen würden, wäre das deutsche Steueraufkommen deutlich kleiner und es gebe auch viel weniger zu verteilen. „Und im Übrigen steckt ja hinter jedem Einkommen auch eine Lebensleistung“, so Wendsche.

Vermögen und Reichtum

Da weiß sich der Radebeuler Oberbürgermeister auf einer Linie mit dem Vermögensforscher Professor Thomas Druyen. Er ist Direktor des Instituts für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement an der Sigmund Freud Privat-Universität in Wien. „Vermögen ist das, was man zu leisten imstande ist. In diesem Sinne hat jeder ein Vermögen. Wenn eine Lehrerswitwe mit kleiner Rente Migrantenkindern die deutsche Sprache beibringt, ist das ein ganz hohes Vermögen“, erklärte er gegenüber der Westdeutschen Zeitung. „Reichtum heißt, an sich zu denken. Vermögen heißt: Verantwortung zu übernehmen. Deshalb sprechen wir von Vermögenskultur. Damit meine ich nicht nur, dass Vermögen gespendet oder gestiftet wird, sondern vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen.“