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Wo geht es hier zur Groko?

Sachsens CDU-Spitze wirbt für das Bündnis mit der SPD im Bund. Skepsis gibt es an der Basis.

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© Thomas Kretschel

Von Thilo Alexe

Rund 200 CDU-Mitglieder sind gekommen, und erst mal ertönt langer Applaus für Thomas de Maizière. Die bitterste Kröte im Zuge der Koalitionsverhandlungen, sagt Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks, sei, dass de Maizière der neuen Regierung nicht mehr angehöre. Der Mann, der seit zwölf Jahren Bundesminister ist, genießt Beliebtheit in der sächsischen Union. Geklatscht wird heftig.

Es ist dann auch der scheidende Bundesinnenminister, der beim Mitgliederforum der Sachsen-CDU in Dresden die Vorzüge des Koalitionsvertrages erläutert. Rasch ist er bei den Themen Asyl und innere Sicherheit. Er lobt die Begrenzung des Zuzugs und mehr Rechte für Polizei: „Diese beiden Themen tragen eins zu eins die Handschrift der Union.“ Doch der langjährige Politprofi versäumt es nicht, die Grundkonstellation zu analysieren, manchmal sympathisch brummelnd im Ton, scharfsinnig ohnehin.

De Maizière kommt auf die Rolle der Volkspartei CDU: Die müsse Verantwortung übernehmen und die SPD, selbst wenn sie schwächele, eben auch. Falls Parteien im Bereich von zehn bis fünfzehn Prozent der Stimmen die Debatten dominierten, drohe die Spaltung des Landes. Ihm zuliebe, witzelte de Maizière, müsse niemand den Vertrag ablehnen, auch nicht, wenn er aus Sachsen komme.

Die Leitlinie, die die sächsische Parteispitze vor der Entscheidung der Bundes-CDU am Montag skizziert, sieht so aus. Die Erfolge – mehr Bundespolizisten, Bundesgeld für Schulen, Grundrente, Pflegestellen – dürfen nicht kleingeredet werden. Kompromisse sind nun mal nötig, und wer soll es denn sonst machen? Eine Minderheitsregierung nicht, findet Sachsens CDU-Chef, Ministerpräsident Michael Kretschmer: „So kann man nicht arbeiten.“

Nach den einleitenden Statements können die CDU-Mitglieder im Saal der Dreikönigskirche ans Pult treten. Die frühere Leipziger Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla, die nach harscher Kritik an Merkel nicht mehr nominiert wurde, sorgt sich um den Markenkern der Union. „Wo bleiben unsere Bürger?“ Rolf Schröder aus Dresden sagt „Nein zur Groko“. Die SPD sei zerrissen, Verhandlungsführer Martin Schulz nicht mehr in der Verantwortung.

Redner sprechen am Samstag vom „Ausverkauf von Werten“ und kritisieren, dass es doch ausschließlich um den Erhalt des Kanzleramtes gehe. Emotional sind mehrere Beiträge. Die Leipzigerin Jessica Heller, die Medizin studiert, ist für den Vertrag. Allerdings empfindet sie die 8 000 zusätzlichen Stellen für die Pflege als zu gering. Die Zustände seien heftig, engagierte Pfleger stünden oft „mit einem Bein im Knast, mit dem anderen beim Psychiater“. Ein Asylbewerber, der seit Januar CDU-Mitglied ist, sagt unter Applaus, dass das hiesige System wie ein Paradies sei. Er sei dankbar, hier sein zu dürfen und forderte die CDU dennoch auf, die Menschen in Deutschland nicht zu vergessen.

Anders als Kretschmer und de Maizière gehen mehrere Mitglieder der Sachsen-Union auf die AfD ein. Die habe nicht nur mit ihrem Rechtskurs und der Kritik an der Asylpolitik der CDU geschadet. Sie sei, sagt ein Redner, im Wahlkampf auch „in die Kneipen gegangen“, anders als die Union. Da gibt es Applaus. De Maizière kontert: Der Koalitionsvertrag enthalte mit Blick auf die Zuwanderung das Bekenntnis, eine Situation wie 2015 zu vermeiden. Zudem sei mit dem Korridor von 180 000 bis 220 000 Asylbewerber pro Jahr eine Grenze geschaffen worden. Dies bedeute nicht, dass pro Jahr auch so viele kommen. Es heiße aber: Mehr kommen bestimmt nicht.

Abgestimmt wird nicht. Die Stimmung ist, trotz deutlicher Kritik, doch eher Pro-Groko. „Diese Demokratie ist die anstrengendste Staatsform, die es gibt“, sagt Kretschmer. Kompromisse zu schließen, sei eine Stärke, nicht nur in der Politik. Gelegentlich müsse man auch Niederlagen verkraften. Er sei gerade mit seiner Familie im Skiurlaub gewesen. „Und da hat es viele Punkte gegeben, bei denen ich mich nicht durchsetzen konnte.“ Kretschmer gibt zudem zu Protokoll, dass er einseitige, aber große Sympathien für RB Leipzig hegt. Da erklingen Buhs und Jubelrufe. „Ich gelobe Besserung“, sagt Kretschmer lächelnd.