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Wo sind nur die Pilze hin?

Die Trockenheit und der schlechte Zustand des Waldes sorgen derzeit für eine magere Ausbeute. Viele Sammler greifen auf Pilz-Apps zurück. Experten sehen das kritisch.

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In den Wäldern in und um Dresden gibt es bisher kaum Steinpilze.
In den Wäldern in und um Dresden gibt es bisher kaum Steinpilze. ©  dpa (Symbolbild)

Dresden/Pirna. Pilzsammler in Sachsen müssen sich gedulden. Bisher ist die Saison aus Sicht von Experten in weiten Teilen eher durchwachsen. "Die Trockenheit macht sich das zweite Jahr in Folge bemerkbar", sagte Stefan Zinke, Pilzberater und Mitglied in der Fachgruppe Mykologie Dresden. In den Wäldern in und um Dresden gebe es bisher kaum beliebte Speisepilze wie Maronen und Steinpilze. "Wenn man Glück hat, lassen sich ein paar Täublinge finden." Dabei ist eigentlich Mitte September bis Ende Oktober Hochsaison.

Dabei habe das Jahr gut angefangen, berichtete Zinke. Im Juni seien die Pilze förmlich gesprossen, das Wachstum mit der großen Sommerhitze jedoch eingebrochen. "Auch wenn es jetzt mal einen Tag regnet, das Wasserdefizit ist groß", so Zinke. Die meisten Pilze wachsen bei Temperaturen von 20 bis 25 Grad und Regen. In der Regel braucht das Myzel - die Pilzfäden im Boden - nach dem Regen noch ein bis zwei Wochen, um die überirdischen Fruchtkörper auszubilden.

Nach Einschätzung des Sachsenforst fällt das aktuelle Pilzjahr noch ungünstiger als das Vorjahr aus. "Durch die insgesamt zu niedrigen Niederschläge wachsen viele Pilz nur verhalten", so ein Sprecher. Das Wasserdefizit aus dem Vorjahr habe nicht ausgeglichen werden können, die Pilzausbeute sei bislang gering. "Es sieht aus wie in einer Wüste", sagte Peter Welt, Vorsitzender der Pilzfreunde Chemnitz. Wenn Pilze stünden, dann in geringen Mengen und in schlechtem Zustand. "So schlimm habe ich es noch nicht erlebt."

Gefährliche Verwechslungen

Unterdessen rät das für Sachsen zuständige Giftinformationszentrum in Erfurt, vor dem Sammeln einen Kurs bei einem Pilzberater zu machen. "Manche sammeln schon 30 Jahre lang Pilze und vertun sich dennoch", sagte Expertin Bettina Plenert. Wichtig sei es, nicht nur den Pilz zu kennen, den man sammeln möchte, sondern auch den möglicherweise giftigen Doppelgänger. Immer wieder etwa komme es vor, dass Wiesenchampignons mit dem Karbolegerling oder gar einem Knollenblätterpilz verwechselt werde.

Im Vorjahr zählte das Giftinformationszentrum für Sachsen 66 Meldungen von Pilzvergiftungen - darunter drei schwere Fälle. In diesem Jahr waren es bisher bereits 60 Meldungen, allerdings keine schweren Fälle. "Vieles bekommen wir aber gar nicht mit. Eine Meldepflicht gibt es nicht", so Plenert. Auch verschiedene Pilz-Apps, die beim Bestimmen helfen sollen, böten keine Sicherheit. Oft seien es kleine Details, die den Unterschied machten, so Plenert. Das lasse sich per App nur schwer ausmachen. Immerhin gibt es rund 5.000 Pilzarten in Europa.

Sieglinde Köhler, Kreispilzberaterin für Mittelsachsen, sieht auch in dem durch Stürme und Borkenkäfer beschädigten Wald eine Ursache für die magere Ausbeute. "Wenn es dem Wald schlecht geht, geht es auch den Pilzen schlecht." Zudem verdichteten schweres Gefährt, die das befallene Holz abtransportieren, den Waldboden. Das erschwere es den Pilzfäden im Boden, einen Fruchtkörper auszubilden. "Wenn jemand einen Waldspaziergang macht und was findet, ist das schön - aber meist mit Aufwand verbunden."

Radioaktiv belastet?

Laut Sachsenforst leben etwa Speisepilze wie Maronen mit den Bäumen in einer Symbiose. Der Pilz versorgt den Baum mit Wasser und Mineralien aus dem Boden, der Baum den Pilz wiederum mit Zucker aus der Photosynthese. Wenn die Bäume durch Sturm oder Borkenkäfer abgestorben sind, funktioniert das Prinzip allerdings nicht mehr. Auf der anderen Seite könnten holzzersetzende Speisepilze wie der Hallimasch von dem vielen Totholz in den Wäldern profitieren. "Und vielleicht auch häufiger auf den Tellern der Pilzsammler landen", so ein Sprecher.

Ob die Pilze radioaktiv belastet sind, hängt nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz sowohl vom Cäsiumgehalt der vom Pilzgeflecht durchzogenen Bodenschicht als auch vom speziellen Anreicherungsvermögen der jeweiligen Pilzart ab. In Sachsen ist die Bodenkontamination vergleichsweise gering. Man könne davon ausgehen, dass in Sachsen gesammelte Pilze nicht im selben Maße mit radioaktivem Cäsium belastet sind, wie in Gebieten südlich der Donau oder im Bayerischen Wald, so eine Sprecherin. Seit 2007 nimmt das Bundesamt für Strahlenschutz in unregelmäßigen Abständen Pilze im südlichsten Teil Sachsens in Hohendorf (Vogtland) unter die Lupe. (dpa)