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Wofür sich 5G in Dresden lohnen würde

Die Stadt will über das umstrittene schnelle Internet aufklären und lud zur Diskussion. Die Skepsis der Dresdner bleibt.

Von Nora Miethke
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© dpa-Zentralbild

Die Angst vor Strahlung nimmt zu. Die meisten Deutschen verbinden den Begriff vor allem mit Mobilfunk, wie eine Untersuchung des Bundesamts für Strahlenschutz zeigt, die vor einer Woche veröffentlicht wurde. Nach Assoziationen zum Begriff Strahlung gefragt, nannte fast jeder Vierte der insgesamt 2.000 befragten Personen Mobilfunk, Sendemasten, Handys und 5G (23,2 Prozent). Gut die Hälfte der Befragten ist laut der repräsentativen Studie „eher“ oder „sehr“ beunruhigt durch die Strahlung von Mobilfunkmasten und Mobilfunkgeräten.

Diese Verunsicherung und Angst hat vermutlich auch die meisten der rund 200 Dresdner am Donnerstagabend zur Informationsveranstaltung „Ein Netz – viele Meinungen“ der Stadt ins Deutsche Hygiene-Museum getrieben. Denn der Ausbau des 5G-Netzes hat begonnen und Dresden will „5G-Modellstadt“ werden.

5G heißt die neueste Generation des Mobilfunkstandards, mit der das mobile Internet noch schneller werden soll. Hohe Datenraten und eine geringe Latenz, also Reaktionszeiten in Echtzeit, machen ganz neue digitale Anwendungen erst möglich wie die häufig geschilderten Beispiele von Fernoperationen in Telemedizin, das selbstfahrende Auto oder die vollautomatisierte Produktion, wie sie etwa Bosch in seinem neuen Dresdner Chipwerk plant. In Dresden steht die „Wiege“ dieser neuen Technologie. Forscher der Technischen Universität (TU) Dresden haben sie maßgeblich mitbeteiligt.

Leben retten, schneller fahren

Doch leider saßen am Donnerstagabend weder Professor Gerhard Fettweis noch Professor Frank Fitzek auf dem Podium, die beiden Koordinatoren des „5G Lab Germany“ oder ein anderer Experte aus diesem Dresdner Forschungszentrum, um das Revolutionäre des neuen Standards zu erläutern und zu erklären, was 5G dem einzelnen Bürger bringt. Das wurde Bernd Theis, Leiter Test & Technik beim Magazin Connect, Dresdens obersten Wirtschaftsförderer Robert Franke und Stefanie Speidel, Professorin für Translationale Chirurgische Onkologie an der TU Dresden, überlassen. Theis sieht den großen Nutzen für die Menschen etwa beim Katastrophenschutz und Hilfe bei Unfällen, weil viel schneller reagiert werden könne. Speidel führte das Beispiel der Echtzeitassistenz im Krankenwagen aus, bei dem die Ärzte im Krankenhaus die Sanitäter im Rettungswagen bei der Sofortbehandlung anleiten können und so künftig mehr Leben gerettet werden könnten. Robert Franke setzt auf intelligente Verkehrssteuerung. Die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr werden weiter steigen, aber um mehr Straßenbahnen einsetzen zu können, müsse dafür gesorgt werden „dass die Trams zügiger über die Straßenkreuzungen abtransportiert werden und dabei kann 5G helfen“, so Franke. Der Leiter der Wirtschaftsförderung stellte klar, was der Slogan „5G Modellstadt“ bedeutet. „Das wir nicht abwarten, bis 5G-Anwendungen kommen, sondern wir gehen proaktiv in neue Technologien“ und schaffen dafür die Voraussetzungen wie den Breitbandausbau mit Glasfaser und eine breite Abdeckung in der Stadt mit dem 4G-Netz.

Denn 5G soll zunächst in Frequenzbereichen um 700 MHz sowie 2 GHz und 3,6 GHz eingesetzt werden, wie sie heute üblich sind für Umts oder LTE-Anwendungen. Auf die Frage nach möglichen gesundheitlichen Wirkungen der Mobilfunkstrahlung in diesen Frequenzbereichen verwies Stefanie Speidel, unter höhnischem Gelächter aus dem Publikum, auf das Bundesamt für Strahlenschutz, das dafür keine negativen Belege sehe. Die Behörde beruft sich bei ihrer Einschätzung auf über 1.200 experimentelle und knapp 300 epidemiologische Studien im niedrigeren Frequenzbereich der bisherigen Mobilfunkanwendungen. Zusammengefasst besteht nach diesem derzeitigen Kenntnisstand unterhalb der empfohlenen Grenzwerte kein gesundheitliches Risiko, wie auch die vom Scientist Media Center befragten Wissenschaftler im vergangenen März betonten.

In Dresden steht der erste 5G-Sendemast in der Overbeck-Straße. Dort wurde vor einer Woche die Feldstärke im Frequenzbereich 720 MHz bis 4 GHz gemessen. Sie beträgt 22 Volt je Meter, hochgerechnet auf die volle Anlageleistung. Das entspreche einer Grenzwertausschöpfung von 13,7 Prozent, betonte am Donnerstag der Mitarbeiter vom Landesumweltamt, der die Messung vorgenommen hat.

Keine Langzeitstudie

Wenn das 5G-Netz weiter ausgebaut wird, sollen aber auch wesentlich höhere Frequenzen im Millimeterwellen-Bereich 30 bis 100 GHz genutzt werden. Und da sieht die Studienlage erheblich dürftiger aus. Es gibt keine fundierte Langzeitstudie über die Wirkungen dieser extrem kurzwelligen Strahlung. Stefanie Speidel betonte, dass es keine ionisierende Strahlung sei, die das Erbgut verändern und eine Krebsursache sein könnte. Die Strahlung im Millimeterwellen-Bereich dringt kaum in den Körper ein, sondern wird in den oberen Hautschichten absorbiert.

Wegen der geringen Reichweite werden für 5G deutlich mehr Antennen benötigt. Wie sich das genau auf die Strahlenexposition des Einzelnen auswirkt, kann derzeit nicht abgeschätzt werden. Mobilfunkexperte Bernd Theis geht davon aus, dass die Strahlung sogar abnehmen könnte. „Je weiter die Funkstationen auseinander liegen, desto mehr und höher ist die Strahlung in der Luft. Bei 5G rücken sie enger zusammen. Mehr, aber kleinere Funkzellen führen zu weniger Strahlung“, so Theiß. Robert Franke als Stadtvertreter bekräftigte die Ansage von Oberbürgermeister Dirk Hilbert, dass es auch künftig auf Kitas und Schulen keine Sendemasten geben werde. „Das ist eine Tatsache und keine Lüge“, so Franke.

Zweifelnde Dresdner

Doch so recht wollten vielen im Publikum daran nicht glauben. „Ich sehe die Mobilfunkstrahlung als einen Versuch an Menschen“, sagte eine Zuhörerin. Sie sei enttäuscht über die Zusammensetzung des Podiums, auf dem ausgewiesene medizinische Strahlenexperten fehlten. Stefanie Speidel musste mehrmals betonen, dass sie Informatikerin ist und keine Ärztin. Ein anderer Teilnehmer beklagte mangelnde Transparenz in den Medien, die nicht über die rund 30.000 Studien zu den Risiken elektromagnetischer Felder berichten würden.

Tatsächlich bringen diese Studien oft sehr unterschiedliche Ergebnisse hervor und tragen so zur allgemeinen Verunsicherung bei. Im Internetzeitalter können Studien einfacher veröffentlicht werden und sie sind für jeden zugänglich, auch wenn sie nicht fundiert sind und auf umstrittenen Methoden basieren. So wurde auch am Donnerstagabend in Dresden die sogenannte NTP-Studie aus den USA mehrfach angesprochen, die für viel Aufregung sorgt. Sie hat einen klaren Zusammenhang zwischen starken hochfrequenten Feldern bestehender Mobilfunkstandards und Krebs im Herzen von Ratten festgestellt. Viele Expertengremien stufen die Ergebnisse jedoch als kritisch ein und halten daran fest, dass es keine gesundheitlichen Wirkungen unterhalb der Grenzwerte gibt. Bei den Tierexperimenten für die NTP-Studie wurden die Ratten einer ganzkörperlichen Strahlung ausgesetzt, die 20-fach und mehr über dem Grenzwert für die Allgemeinbevölkerung liegen. „Die Ratten wurden so stark bestrahlt, das da Effekte auftreten mussten. Das ist nicht verwunderlich“, betonte Bernd Theis.