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Wohin geht die Reise für den Görlitzer Waggonbau?

Zunächst gibt es Sicherheit bis 2019. Doch ist auch immer von neuen Eigentümern die Rede.

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© Nikolai Schmidt

Von Sebastian Beutler

In all der vielen Unsicherheit rund um den Görlitzer Waggonbau ist diese Nachricht schon etwas Besonderes: Bis Ende 2019 wird Bombardier keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen. Für Festangestellte ist das eine Arbeitsplatzgarantie für die nächsten 27 Monate. Das haben die Tarifpartner vereinbart. Doch heißt das nicht, dass niemand das Unternehmen in der Zeit verlässt. Von Freiwilligenprogrammen ist die Rede. Dabei kann es dann in Stoßzeiten dazu kommen, dass die entstandenen Lücken mit Leiharbeitern aufgefüllt werden. Die SZ berichtete über eine solche Aktion in Görlitz zuletzt. Doch scheint das kein Görlitzer Phänomen zu sein. Nach Recherchen des Zürcher „Tages-Anzeigers“ sucht Bombardier für sein Werk in Villeneuve (Schweiz) Zeitarbeiter. Dort werden die Hochgeschwindigkeits-Doppelzüge Twindexx für die Schweiz komplettiert, für die in Görlitz die Wagenkästen entstehen. Beim Schweiz-Auftrag steht Bombardier unter riesigem Zeitdruck. Auch für Villeneuve hatte Bombardier den Abbau von 480 Zeitarbeitern in den nächsten Jahren angekündigt.

Mitarbeiter des Werkes in Villeneuve berichteten im Schweizer Fernsehen von teilweise chaotischen Zuständen. Ständig müssten Teile ein- und wieder ausgebaut werden, weil die Baupläne verändert werden. Nicht bezahlte Lieferanten würden Bauteile zurückhalten, wodurch sich die Fertigstellung verzögere. Insgesamt sei die Stimmung in dem Bombardier-Werk schlecht, und die Gewerkschaften fordern nun auch Sozialpläne für die entlassen Zeitarbeiter ein.

Währenddessen ist die langfristige Zukunft von Bombardier offen. Zeitungen hatten im Sommer davon berichtet, dass Bombardier und Siemens ihre Bahnsparten zusammenlegen wollen. Nun hieß es am Montag, Siemens und der französische Konzern Alstom würden noch in dieser Woche einen solchen Schritt bekanntgeben. Erst in einer zweiten Phase stünde es Bombardier offen, der Fusion beizutreten.

Die Bahnindustrie ist von hohen Überkapazitäten geprägt, die Aufträge reichen für die Vielzahl der Anbieter nicht aus, es herrscht ein großer Preiskampf. Vor diesem Hintergrund gibt es in regelmäßigen Abständen Berichte über Fusionen, in derem Zuge auch immer wieder von Werkschließungen die Rede ist. Oder davon, dass Standorte an Dritte abgegeben werden, damit die fusionierten Unternehmen nicht mehr über eine solch große Marktmacht verfügen. Als Unternehmen, die an Werken in Europa interessiert sind, werden der größte Schienenfahrzeug-Hersteller der Welt genannt, die chinesische Firma CRRC oder der japanische Anbieter Hitachi. CRRC wird Interesse an der Bahnsparte von Skoda nachgesagt. Oder doch an Görlitz?

Überall werden die Entwicklungen aufmerksam verfolgt und laufen Bestrebungen, darauf zu reagieren. So hat der Schweizer Schienenfahrzeug-Hersteller Stadler Rail einen Wechsel an seiner Spitze Anfang 2018 angekündigt. Der neue Chef ist in Görlitz noch gut bekannt. Es ist Thomas Ahlburg, der von 2010 bis Ende 2011 Nachfolger des heutigen Görlitzer Oberbürgermeisters Siegfried Deinege als Leiter des Waggonbaus in der Neißestadt wurde. Der Maschinenbauingenieur Ahlburg, heute 47 Jahre alt, war vor Görlitz in Augsburg beim Luft- und Raumfahrtunternehmen MT Aerospace tätig. Bei Stadler hat er schnell Karriere gemacht, seit rund zweieinhalb Jahren amtiert er als stellvertretender Konzernchef. Dass Stadler auf dem Höhepunkt der Ingenieurkrise bei Bombardier im vergangenen Jahr regelmäßig Stellenanzeigen in der SZ schaltete, wurde auch auf Ahlburgs Wirken zurückgeführt.