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Wohin mit meiner Wut?

Der siebenjährige Ben lebt in seiner eigenen Welt. Ein ausgebildeter Begleithund könnte ihm helfen, doch der ist teuer.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Manchmal sitzt er mit im Käfig von Lily und Marshall, den beiden Meerschweinchen. Ben mag das. Tiere fragen nicht nach und sie schauen ihn nicht komisch an. Sie schnurpsen einfach weiter ihre Möhre und das ist eines der Geräusche, das Ben nicht wehtut. Laute Dinge regen ihn auf. „Die Waschmaschine darf nicht laufen, wenn er da ist, der Geschirrspüler ist okay“, sagt seine Mutter Sarah Kausmann. Auch in der Straßenbahn gibt es ein Geräusch, das Ben hasst, bei dem er zu Schreien und zu toben beginnt. Dabei liebt der Siebenjährige das Bahnfahren. Auf der Linie 12 kennt er alle Stationen auswendig. Daheim in der Dachgeschosswohnung in Cotta ist die Holzeisenbahn im Kinderzimmer jeden Tag in Aktion.

„Ben ist ein gutmütiger, ehrlicher und sehr fröhlicher Junge, für den es aber oft nicht möglich ist, sich in unserer Welt zurechtzufinden“, sagt Mutter Sarah. 2010 kam er als extremes Frühchen auf die Welt, wog gerade einmal 540 Gramm. Kurz nach der Geburt erlitt er eine schwere Hirnblutung, die Teile seines Gehirns schädigten. Seitdem wurde Ben schon zehn Mal operiert. Seine Fähigkeiten entwickeln sich langsamer als bei anderen Kindern. Erst mit fünf Jahren lernte er laufen. Jetzt, mit sieben, ist Ben auf dem Entwicklungsstand eines Dreijährigen. Er spricht gern Hörbücher nach, guckt Videos von sich selbst und singt gern Lieder, zurzeit am liebsten von Mark Forster. Doch er wird nie von sich erzählen können. Vor zwei Jahren diagnostizierten die Ärzte bei ihm frühkindlichen Autismus. Ben kann die Reize in seiner Umgebung nicht filtern. Ob an der Haltestelle oder im Kindergarten, sie prasseln einfach auf ihn ein. Vor allem viele Menschen stressen ihn. Häufig wird Ben dann wütend. Er schreit, strampelt, schlägt sich selbst.

Was könnte ihm helfen, die Wut besser beherrschen zu lernen? Seine Eltern glauben, es zu wissen: Ein Hund. Den Plan haben sie schon seit einiger Zeit. Freunde machten sie auf den Verein Rehahunde Deutschland aufmerksam, der auch Hunde speziell als Begleiter für Autisten ausbildet. „Er soll ein Ruhepol an seiner Seite sein“, sagt Sarah, „ihn in Stresssituationen abschirmen und ihm Sicherheit geben.“ Außerdem könne er Ben als „Brücke“ zur Außenwelt dienen, zum Beispiel, um leichter mit anderen Kindern in Kontakt zu kommen, offener zu werden.

Der Hund, den Sarah und ihr Mann Marc gern in ihre Familie aufnehmen würden, hat sogar schon einen Namen. Lima wird gerade noch vom Verein Rehahunde-Deutschland trainiert. Der Golden-Retriever-Welpe würde perfekt passen, nur ein Problem gibt es. Die Ausbildung des Hundes kostet rund 28 000 Euro. Auf die Krankenkasse können sie nicht hoffen. Die übernimmt bislang nur die Kosten für Blindenhunde. Doch auch Familie Kausmann kann so viel Geld nicht bezahlen. Sarah hat Agrarwirtschaft studiert, jobbte aber zuletzt als Kellnerin. Vor sechs Monaten wurde ihre gesunde Tochter Luca geboren. Seitdem ist die 29-Jährige zu Hause. Vor vier Jahren kam sie mit Marc zusammen, der als Softwareentwickler arbeitet. Zu Hause kümmert sich der 30-Jährige liebevoll um die Familie, lässt Bens leiblichen Vater vergessen. Bald wollen sie zusammen in eine größere Wohnung nach Striesen ziehen, auch wenn die vielen Treppen hier ein gutes Training für Bens Motorik waren. In Striesen soll ihr Sohn nächstes Jahr in eine Förderschule kommen. Nachmittags wird er weiterhin zur Musiktherapie oder zum Reiten gefahren. „Das Reiten hat bei ihm schon große Fortschritte in der Körperhaltung gebracht“, freut sich Sarah. Ihre größte Sorge bleiben die Wutanfälle. Ihr größter Wunsch bleibt Hund Lima.

Wenn sie das Geld zusammenbekommen, dann könnte der Hund im nächsten Herbst zu ihnen ziehen. Sie haben ihn sogar schon in Mecklenburg-Vorpommern besucht. Manchmal zeigen Sarah und Marc ihrem Sohn Fotos von ihm auf dem Handy. Sie sind sich sicher, dass er sich freuen und an der Verantwortung wachsen würde. „Er ist ja eher zurückhaltend, würde ihn ganz sicher nicht an den Ohren oder am Schwanz ziehen“, sagt Sarah. Die beiden könnten schnell Freunde werden, so die Hoffnung der Eltern, die nun den Schritt in die Öffentlichkeit wagen.

Vor wenigen Tagen haben sie eine Facebook-Seite mit dem Titel „Lima – eine Chance für Ben“ und ein Spendenkonto eingerichtet. Außerdem wollen sie Hunderte gedruckte Zettel mit dem Spendenaufruf in Dresden verteilen.

Jeder Euro zählt für die Familie. Den Anfang macht die Stiftung Lichtblick, die sich seit 22 Jahren für Menschen engagiert, die in Notlage geraten sind.

Wer Ben direkt helfen möchte, kann hier spenden:

Rehahunde-Deutschland e.V.
Rostocker Volks- und Raiffeisenbank
IBAN: DE19 1309 0000 0002 5341 18
Verwendungszweck: Ben Kausmann.

Wer Menschen in Not aus Sachsen helfen möchte, kann an die Stiftung Lichtblick spenden:

Stiftung Lichtblick
Ostsächsische Sparkasse Dresden
IBAN: DE88 8505 0300 3120 0017 74
BIC: OSDDDE81

Hilfesuchende melden sich bitte bei den Sozialverbänden vor Ort, die mit Lichtblick zusammenarbeiten:

Kontakt: Sächsische Zeitung, Stiftung Lichtblick, 01055 Dresden.
Tel.: 0351-4864-2846 (Montag bis Donnerstag von 9 bis 16 Uhr)
E-Mail: [email protected]
www.lichtblick-sachsen.de