Von Kathrin Lauer, Bukarest
Im Gasthof „No Name“ dringen nur amerikanische Gesprächsfetzen von den Tischen. Männer und Frauen in T-Shirts sitzen beim Bier. Aus dem Lautsprecher dudelt ununterbrochen Country, Soul und Rock in die flirrende Mai-Hitze der südrumänischen Tiefebene. Die Musik kommt von einem online zugänglichen US-Radiosender. Dann und wann schnattern Gänse aus Deveselu dazwischen. Hier, am Rand einer staubigen Straße, hat sich der Inhaber der unscheinbaren Pension ganz auf Kundschaft aus den USA eingestellt.
Denn drei Kilometer weiter baut die US-Armee ein Raketenschutzschild zur Abwehr möglicher Angriffe aus dem Iran, das Ende dieses Jahres fertig werden soll. Angesichts der Ukraine-Krise äußert aber Moskau immer häufiger und heftiger Kritik an diesem Objekt. Offiziell war es nach Darstellung der USA aber nie gegen Russland gerichtet.
Dass man sich hier an einem gefährlichen Ort der Weltgeschichte befinden könnte, scheint kaum jemanden zu stören. „Die Russen sollen doch sagen, was sie wollen“, meint der 51-jährige Ion Aliman. Als Bürgermeister von Deveselu, 200 Kilometer südwestlich von Bukarest, freut er sich, dass sein Ort wegen der Präsenz der Amerikaner endlich Kanalisation, Wasserleitung und neu asphaltierte Straßen bekommt.
25 Millionen Lei (umgerechnet rund 5,6 Millionen Euro) hat die Regierung dafür bewilligt und damit seine Gemeinde bevorzugt. Direkt aus den USA seien zudem Gelder zur Renovierung des Kindergartens und der Schule gekommen. In der benachbarten Kleinstadt Caracal freuen sich die Immobilienhaie, denn die Amerikaner haben dort die Mietpreise in die Höhe getrieben.
An Militärpräsenz seien die Menschen in Deveselu schon seit mehr als einem halben Jahrhundert gewöhnt, denn das Raketenschutzschild wird auf einer im Jahr 1953 von den Sowjets gebauten Luftwaffenbasis errichtet. „Sogar meine Eltern haben seinerzeit für diese Baustelle Steine geschleppt“, erzählt Aliman. Er ist seit 2012 Rathauschef. Als gelernter Marine-Offizier hatte er vorher für einen deutschen Reiseveranstalter jahrelang Touristen auf der Donau von Passau bis ans Schwarze Meer geschippert. Jetzt steckt er mit Feuereifer in den Investitionsprojekten seines Heimatdorfs. In den Gassen versperren wegen Kanalarbeiten Erdhaufen den Weg, das Rathaus ist auch sonntags geöffnet.
Angst um die Bienen
Insgesamt arbeiten 700 bis 800 Zivilisten am Raketenschutzschild – die meisten Rumänen, sagt Aliman. Davon seien 80 Handwerker und Arbeiter aus Deveselu. Ansonsten gebe es hier kaum Arbeit für junge Leute. Wie in allen armen Gegenden Rumäniens verdingen sich viele zeitweise als Erntehelfer im westlichen Ausland.
2011 hatte Rumänien den USA Deveselu als Standort für das Raketenschutzschild zur Verfügung gestellt. Vom insgesamt 645 Hektar großen Gelände des rumänischen Luftwaffenstützpunkts nutzen die Amerikaner nun 245 Hektar. Etwa 150 Soldaten sollen dort stationiert werden; maximal 500 wären laut Vereinbarung zwischen Bukarest und Washington erlaubt.
Kaum jemand in Deveselu erinnert sich an die frühere Präsenz der sowjetischen Armee. Immerhin hatten die Russen damals direkt neben dem Militärflugplatz auch eine Wohnsiedlung für Piloten gebaut. Ein alter russischer MiG-Kampfbomber steht jetzt dort auf einer Grünfläche. Macht dies angesichts der Drohungen aus Moskau nicht doch auch ein wenig Angst? „Wir waren immer ein Ziel – früher für die Nato, heute für die Russen“, sagt Kommandeur Nicola. „Aber die Russen und die Amerikaner sind beide schlaue Geschäftemacher – die werden sich schon vertragen – momentan necken sie sich gerade gegenseitig.“
Eine einzige Sache macht dem Rentner und Bienenzüchter Nicola wirklich Angst. Ob die begründet ist, werden ihm, so meint er, die Bienen signalisieren: Die elektromagnetischen Strahlen, die die Amerikaner zur Kommunikation verwenden, könnten gefährlich sein, befürchtet er. „Sollten meine Bienen sterben, werde ich es wissen.“ (dpa)