Merken

„Wolfs-Abschüsse werden kommen“

Für Jäger Manfred Friedrich aus Ottendorf gehört der Wolf zu Sachsen. Er sollte sich aber nicht ungehindert verbreiten.

Teilen
Folgen
© dpa

Cunnewitz, Ralbitz und Zescha: Mehr als 30 Schafe wurden in den vergangenen Tagen in der Region gerissen. Verantwortlich für die beispiellose Serie sind vermutlich Wölfe aus dem Rosenthaler Rudel. Tierhalter sind verunsichert. Der Bautzener Landrat Michael Harig (CDU) fordert jetzt den Abschuss von solchen Problemtieren. Die SZ hat über das Thema mit Manfred Friedrich gesprochen. Er ist Ingenieur für Wildbewirtschaftung, Jäger und Naturschützer in Ottendorf.

Manfred Friedrich aus Ottendorf ist Jäger und Naturschützer.
Manfred Friedrich aus Ottendorf ist Jäger und Naturschützer. © Thorsten Eckert

Herr Friedrich, der Ruf nach einem Abschuss von Wölfen wird immer lauter. Sie als Naturschützer müssten darüber doch empört sein oder?

Ich bin für die im Wolfs-Managementplan des Freistaates festgelegten Schritte. Dort ist der Abschuss von Problemwölfen als allerletztes Mittel vorgesehen. Er ist möglich, wenn alle Schutzvorkehrungen nichts mehr bewirken. Eine Expertenkommission entscheidet über den Abschuss. Grundsätzlich bin ich als Naturschützer dafür, dass der Wolf hier in Deutschland wieder heimisch wird.

Sie sind also gegen einen Abschuss problematischer Tiere?

Nein, als letztes Mittel muss er möglich sein. Ich will ein Beispiel nennen. Auf einem Truppenübungsplatz bei Münster in Nordrhein-Westfalen hatten Soldaten einen Wolf gefüttert. Das Tier verlor seine Scheu vor dem Menschen. Es wurde zur Gefahr und musste geschossen werden. Das kann auch in Sachsen passieren. Die Ereignisse in Cunnewitz oder auch in Zescha weisen darauf hin, dass dort eine Grenze überschritten wurde.

Wölfe sind nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt. Ähnliche Regelungen gibt es auch von der EU, in Deutschland genießt der Wolf den höchsten Schutzstatus und Sie sind dafür, diese Tiere zu töten?

Noch einmal. Es geht nicht darum, den Schutzstatus aufzuheben. Der Abschuss darf nur das letzte Mittel sein. Aber wie wir sehen, werden einige Tiere zur Gefahr. Da müssen wir etwas tun. Ich bin auch überzeugt, dass es künftig Wolfs-Abschüsse in Ausnahmefällen geben wird.

Wird damit nicht die Wolfspopulation in Deutschland insgesamt gefährdet?

In Deutschland und angrenzenden osteuropäischen Ländern leben nach meinen Informationen rund 2 000 Tiere. Wenn einzelne Tiere getötet werden, wird der Wolf in Deutschland nicht aussterben. Rudel, aus denen zwei, drei gefährliche Tiere entfernt werden, stellen sich auch meist neu auf. Die Rangordnungen werden neu gebildet. Das bedeutet nicht das Ende des Tierverbandes und schon gar nicht das Ende der Wolfspopulation in Deutschland.

Wäre es vor einem Abschuss nicht besser, die Schutzvorkehrungen bei Schafherden zu verbessern und so die Schäden zu vermindern?

Wir sehen ja gerade, dass die Schutzzäune nicht in jedem Fall helfen. Besonders bei kleineren Herden steht dann der Aufwand in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen. Herdenhunde beispielsweise lohnen sich nur bei großen Schafherden. Ich befürchte ohnehin, dass Halter mit einzelnen Tieren und kleineren Herden aufgeben werden. Das ist bedauerlich, da dadurch auch das Landschaftsbild leidet. Wiesen, die die Schafe jetzt noch freihalten, werden verbuschen, also zuwuchern.

Zahlreiche getötete Schafe und verunsicherte Halter – ist der Preis, den wir für die Ausbreitung des Wolfes zahlen, nicht mittlerweile zu hoch?

Der Wolf gehört nach Deutschland, er darf sich aber nicht ungehindert verbreiten. Wenn es zu einem starken Anstieg kommt, dann habe ich Bedenken, ob das gut geht. Das gilt nicht nur im Hinblick auf Schafsrisse. Wölfe dezimieren auch das Wild. In manchen Gebieten in meinem Jagdrevier gibt es kaum noch Rehe.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Das muss eine Expertenkommission klären. Wir sind in Deutschland ja gerade dabei, neue Erfahrungen im Umgang mit dem Wolf zu sammeln. Erkenntnisse aus Polen, Russland oder anderen Ländern lassen sich nicht ohne Weiteres auf das dicht besiedelte Deutschland übertragen. Die neuen Erkenntnisse, die wir auch aus Ereignissen wie in Cunnewitz oder Zescha gewinnen, müssten dann in einen überarbeiteten Managementplan für den Wolf einfließen. Ziel ist ein möglichst gefahrloses Nebeneinander von Wolf und Mensch.

Gespräch: Thomas Drendel