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Wozu die Waffe?

Ein Polizei-Informatiker hat sich Kinderpornografie, scharfe Pistolen und Munition im Internet bestellt.

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© René Meinig

Von Alexander Schneider

Spätestens seit dem Amok-Lauf eines 18-jährigen Schülers in München im Juli 2016 ist das sogenannte Darknet als konspirativer „Ort“ zur Beschaffung scharfer Waffen in aller Munde. In den verschwiegenen Untiefen des Internets ist alles zu haben. Das Motiv dafür muss nicht kriminell sein. Oft wollen Nutzer einfach unerkannt bleiben und installieren sich daher einen speziellen Browser, der ihnen das Tor zum Darknet öffnet. Allerdings tummeln sich dort auch Drogendealer, Waffenhändler, Anbieter von Kinderpornografie, militante Extremisten aus aller Welt – und zunehmend verdeckte Ermittler der Polizei.

Das ist der Hintergrund eines Prozesses am Amtsgericht Dresden. Am Donnerstag musste sich dort ein 35-jähriger Dresdner wegen Handels mit Waffen und Munition und wegen Besitzes von Kinderpornografie verantworten. Delikat ist nicht nur, dass Sebastian Z. ein studierter Wirtschaftsinformatiker ist. Er war seit 2009 im Staatsbetrieb Sächsische Informatikdienste (SID) angestellt und ab 2015 ausgerechnet im Polizeiverwaltungsamt.

Im Juli dieses Jahres haben Beamte des Landeskriminalamtes den Mann festgenommen, als er auf einer Radeburger Poststelle unter falschem Namen seine Bestellung abholen wollte: fünf halbautomatische Pistolen des Typs „Glock 17“ und 100 Schuss scharfe 9 Millimeter-Munition. Z. hatte dafür in der Internet-Währung Bitcoins im Wert von 7 600 US-Dollar bezahlt. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung in der Dresdner Neustadt stellten die Beamten Computer und Datenträger sicher, auf denen sie knapp 1 000 Fotos und Videos mit Kinderpornografie entdeckten. Z. wanderte sofort in Untersuchungshaft.

Der Angeklagte hatte eher zurückgezogen gelebt, wenig Freunde – und offenbar viel Zeit im Internet verbracht. Jetzt in der Haft lese er mehr, sagte er, „auch in der Bibel“. Die spannende Frage dieses Prozesses war, was genau der Angeklagte mit den Waffen vorhatte?

Verteidiger Lukas Kucklick erklärte, sein Mandant habe nur eine scharfe Waffe kaufen wollen, um sich schützen zu können. Bei der Suche danach sei Z., ohne es zu ahnen, an einen verdeckten Ermittler aus Australien geraten. Der habe ihm mindestens fünf angeboten, sonst lohne sich der Aufwand nicht.

Kucklick kritisierte, der Ermittler habe seinen Mandanten gezielt provoziert, mehr Waffen zu kaufen, als er haben wollte. Zur Motivation schwieg der Verteidiger jedoch. Darüber hinaus gab Z. nicht nur den Kinderpornografie-Besitz zu. Monate vor dem Waffenkauf habe er 50 Vollmantelgeschosse für diese Pistolen von einem Darknet-Anbieter aus Mannheim gekauft. Das Paket habe Z. angeblich im Keller versteckt. Die Polizei fand es Wochen nach der Hausdurchsuchung nach einem Hinweis des Angeklagten. „Ich habe aus Angst, es könnte etwas damit passieren, nicht mehr schlafen können“, so Z. In der Pappschachtel befanden sich auch noch Drogen – sechs LSD-Trips. Wenn Z. sprach, stockte ihm der Atem und er rang mit den Tränen. Er sei als Jugendlicher in der rechten Szene in der Lausitz gewesen. Damit habe er abgeschlossen, als er 2003 zum Fachschulstudium nach Dresden kam. Die Waffe habe er sich zum Eigenschutz besorgt, auch wegen der Flüchtlingssituation. Z. hätte selbst gerne mehr zu dem Waffendeal gesagt, was Kucklick jedoch verhinderte. Er forderte eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten für den nicht vorbestraften Z.

Die Staatsanwaltschaft ging angesichts der schieren Menge an Waffen strafverschärfend von Handel aus. Doch Beweise dafür gab es nicht. Z. habe nach dem Waffenkauf auch versucht, mehrere Schalldämpfer für die Glocks zu erwerben – das ließe nichts Gutes erwarten, sagte die Staatsanwältin. Den Ermittlern sei es nicht gelungen, einen Großteil der vielen Datenträger des Angeklagten zu entschlüsseln. Auch was die sichergestellte Kinderpornografie angeht, habe Z. große Schuld auf sich geladen. Unter anderem war der Missbrauch gefesselter Säuglinge zu sehen. Zwei Jahre und zwei Monate Haft forderte die Staatsanwaltschaft.

Das Schöffengericht ging noch etwas höher. Es verurteilte Sebastian Z. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten – und ordnete an, dass der Mann in Haft bleibt. Der Vorsitzende Richter Roland Wirlitsch sprach von einer nicht nachvollziehbaren Tat. Z. habe mit enormer krimineller Energie gehandelt. Die Bitcoins für den Kauf habe sich der Angeklagte konspirativ in Prag besorgt – er hatte einen Störsender dabei, als er mit einem Mietauto das Waffenpaket in Radeburg abholen wollte. Es sei sogar geprüft worden, ob Z. die Waffen für „eine Gruppe“ besorgt habe, allerdings ohne einen konkreten Hinweis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.