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WTK entwickelt den schlauen Traktor

WTK-Elektronik ist Teil eines Projekts, das autonome Landmaschinen entwickelt – mit Auswirkungen auf den Standort Neustadt.

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© Grafik: Feldschwarm

Von Nancy Riegel

Neustadt. Immer höher, immer breiter, immer schwerer. In diese Richtung entwickelten sich Landmaschinen in den letzten Jahren. Traktor, Heulader und Pflug, so riesig dimensioniert, dass sie auf dem Weg zum Feld nicht nur die Straßen verstopfen, sondern auch die Böden mit ihrem Gewicht belasten. Das geht auch anders, lautet die Auffassung einer Projekt-Gruppe aus Unternehmern und Wissenschaftlern, die in Zukunft einen „Feldschwarm“ auf die Äcker schicken wollen – kleine, selbstfahrende Module, die bei der Saat und der Ernte eingesetzt werden. WTK-Elektronik aus Neustadt sitzt mit am Steuer.

WTK-Elektronik aus Neustadt ist Teil eines Forschungsprojekts zur Schwarmintelligenz in der Landwirtschaft. Geschäftsführer Thomas Pohlmann zeigt einen Steuerkasten, der beispielsweise in einem selbstfahrenden Traktor zum Einsatz kommen kann.
WTK-Elektronik aus Neustadt ist Teil eines Forschungsprojekts zur Schwarmintelligenz in der Landwirtschaft. Geschäftsführer Thomas Pohlmann zeigt einen Steuerkasten, der beispielsweise in einem selbstfahrenden Traktor zum Einsatz kommen kann. © Steffen Unger

Nicht nur, weil Geschäftsführer und Ingenieur Thomas Pohlmann Sprecher der Initiative ist. Auch, weil das Unternehmen sich auf Bordcomputer und Bedienpulte für Großmaschinen spezialisiert hat. „Die Technik, die wir heute bei WTK entwickeln, kann künftig beim Feldschwarm zum Einsatz kommen“, sagt er und zeigt die neueste Steuerung aus der Entwicklungsabteilung. Wie die Methodik der selbstfahrenden Landmaschinen einmal funktionieren soll, stellte das Bündnis vor rund einem halben Jahr in Dresden vor (SZ berichtete). Eine Flotte leichter Maschinen fährt automatisch übers Feld, nur im Führungsfahrzeug sitzt noch ein Landwirt. Sensoren und Funktechnik sorgen dafür, dass die Maschinen niemanden überfahren und die Spur halten. Angetrieben werden sie nach Möglichkeit von Eletromotoren, ohne Abgase.

Klingt nach einer Revolution der Landwirtschaft. Klingt aber auch aufwendig und teuer. Nicht unbedingt, sagt Pohlmann. „Schlussendlich sollen die Maschinen nicht mehr kosten als die heutigen.“ Es bringe ja nichts, fügt er hinzu, Technik zu entwickeln, die sich kein Bauer leisten kann. Aber klar, der Forschungsaufwand ist groß. Das Bündnis besteht aus sieben sächsischen Firmen und drei Forschungseinrichtungen, hinzu kommt der globale Landmaschinen-Riese John Deere. Zwölf Millionen Euro verschlingt die Entwicklung innerhalb von drei Jahren, der größte Teil kommt vom Bundesforschungsministerium. Nach dem ersten halben Jahr sei man jetzt so weit, dass die 16 Einzelprojekte der Schwarmintelligenz feststünden.

WTK tüftelt an der Steuerungstechnik, die Mitarbeiter von Raussendorf Maschinen- und Gerätebau in Obergurig kümmern sich um modulare Energiezellen, die Firma Indikar soll später den Prototyp bauen, um nur einige Aufgabenfelder zu nennen. 300 neue Arbeitsplätze in Sachsen sind das Ziel, das die Initiative nennt, sollte die Technik in die Serienproduktion gehen.

Bereits jetzt ist WTK-Elektronik auf der Suche nach Mitarbeitern. „Wir könnten auf der Stelle fünf Entwickler einstellen“, so der Geschäftsführer. Rund 140 Personen arbeiten in der Firma, die seit letztem Jahr an der Wall Street gelistet ist. Das amerikanische Unternehmen Trimble übernahm im Sommer 2017 die Firma Müller-Elektronik mit Sitz in Salzkotten, die wiederum Teilhaber von WTK ist. „Eine Chance, um sich stärker am internationalen Markt zu entwickeln“, kommentiert Pohlmann die Übernahme. Ihm ist durchaus bewusst, dass ein solcher Kauf immer mit Vorbehalten belastet ist. Wird der Mutterkonzern den Standort in Neustadt erhalten wollen? Die Firma hat immerhin eine lange Tradition in der Stadt, war früher Teil des Fortschritt-Kombinats, bevor sich das Unternehmen im Jahr 1992 auf eigene Füße stellte. 2014 kam die neue Produktionsstätte im Gewerbegebiet Langburkersdorf dazu. „Wir sind derzeit sehr zufrieden am Standort Neustadt und das sieht auch der neue Eigentümer so“, sagt Thomas Pohlmann bestimmt. Perspektivisch sei sogar eine Erweiterung der Produktion geplant, neben dem Neubau an der Ziegeleistraße wäre dafür noch Platz.

Überhaupt blickt der Sprecher des Forschungsprojekts zur Schwarmintelligenz in der Landwirtschaft positiv in die Zukunft. Weitere Firmen aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge könnten mit einsteigen, vor allem, wenn es dann später an die Produktion der Maschinen geht. Und das soll schon in fünf bis sechs Jahren der Fall sein. Denn, sagt der 56-Jährige: „Ich will vor der Rente auf jeden Fall noch erleben, dass ein Feldschwarm über den Acker fährt.“