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Zehn Minuten mit Angela Merkel

Die Kanzlerin besuchte vor 25 Jahren Riesa. Vor allem Frauen erhofften sich viel von der damaligen Ministerin.

Von Antje Steglich
 3 Min.
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Angela Merkel – damals Bundesfrauenministerin – 1993 im Gespräch mit Monika Gamlin (li.) und Christine Müller (re. ).
Angela Merkel – damals Bundesfrauenministerin – 1993 im Gespräch mit Monika Gamlin (li.) und Christine Müller (re. ). © Helmut Neumann

Riesa. Kanzlerin war Angela Merkel damals noch nicht. Im Jahr 1993 hatte die 39-jährige CDU-Politikerin dennoch bereits großen Einfluss in Deutschland. Seit Dezember 1990 sitzt sie als Abgeordnete im Bundestag, und Bundeskanzler Helmut Kohl nominiert sie überraschend für einen Ministerposten. Seit Januar 1991 ist „Kohls Mädchen“, wie Angela Merkel damals oft genannt wird, Bundesministerium für Frauen und Jugend – und als die besucht sie am 16. Dezember 1993 erstmals Riesa.

„Wir brauchten damals Hilfe und die Aufmerksamkeit von Politikern“, erinnert sich Gert Vieweger, ehemaliger Betriebsratsvorsitzende der Stahl- und Walzwerk Riesa AG. Denn die ursprüngliche Idee, das Stahlwerk in seiner Gänze zu erhalten und damit knapp 10 000 Menschen vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren, sei mit der veralteten Technik nicht machbar gewesen. 

Stattdessen versuchten die Verantwortlichen, auf dem Areal ein vielseitiges Angebot zu schaffen. Im Nachhinein glaubt Gert Vieweger, die Umgestaltung sei ganz gut gelaufen. „Aber wir konnten nicht jedem helfen, das war und ist schmerzlich.“ Alternativen für die Stahlwerker gibt es wenige, denn auch in den anderen Industriezweigen sieht es nach 1990 zunächst nicht rosig aus. In Spitzenzeiten kommen bis zu 1 500 ehemalige Stahlwerker in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) unter. 

Für die Frauen aus den Büros und den Labors wird sogar extra eine Maßnahme geschaffen. „Frauen hatten es besonders schwer auf dem Arbeitsmarkt – es gab ja genug junge, kräftige, arbeitslose Männer“, so Gert Vieweger. Er begleitet Angela Merkel neben Aufsichtsratschef Kurt Schwarzbach auf ihrer Tour durch das riesige Stahlwerksgelände. Klar, dass die Bundesfrauenministerin auch bei der Frauen-ABM halt macht.

Etwa zehn Minuten nimmt sich Angela Merkel Zeit für den Rundgang durch die Arbeitsplätze, wo die Frauen ausrangierte Kühlschränke, Öfen oder Fernseher zerlegen und fürs Recycling vorbereiten. „Ganz sympathisch war sie. Sie hat uns gefragt, was wir machen und wollte sich dafür einsetzen, dass die ABM weitergeht“, erinnert sich Christine Müller. 

Das kurze Treffen ist für die Riesaer Rentnerin bis heute was Besonderes geblieben, auch wenn Angela Merkel damals noch keine Kanzlerin war. Und was denkt sie heute über Angela Merkel? „Sie ist ja auch älter geworden, wie wir alle“, sagt Christine Müller lachend, „ich habe aber immer noch nichts gegen sie. Das muss erst einmal jemand so viele Jahre machen.“

Auch ihre damalige Kollegin Monika Gamlin kann über die alten Bilder nur schmunzeln. „Wir wir damals aussahen“, sagt die Rentnerin lachend und erzählt von ihrer Enkelin, die das Foto von ihrer Oma und der Kanzlerin stolz in der Schule herumgezeigt hat. Sie sei ja auch sehr nett gewesen, sagt Monika Gamlin, „und sie sagte uns: Sollten wir mal Schwierigkeiten bekommen, können wir uns bei ihr melden.“ 

Ob es tatsächlich an Angela Merkel lag, dass die Frauen-ABM noch viele Monate weiterging und später daraus eine kleine Recyclingfirma entstand, ist zwar fraglich. „Wir waren aber sehr froh, dass es die Maßnahme gab“, erinnert sich Monika Gamlin. „Ich will es aber nicht noch mal machen müssen.“ Denn die Arbeit war körperlich sehr schwer, „und ich kam ja aus dem Labor“, sagt Monika Gamlin. Wie ihre Kollegin Christine Müller war sie deshalb froh, danach in Vorruhestand gehen zu können.

In zehn Monaten zweimal in Riesa

Zur offiziellen Einweihung der neuen Fertigungshallen der BuS-Elektronik Riesa kam die damalige Bundesfrauenministerin Angela Merkel am 29. September 1994 erneut nach Riesa. Mehr als die Hälfte der damals etwa 100 Beschäftigten sind Frauen. 

Angela Merkel (2.v.r.) schaut sich mit dem damaligen Geschäftsführer Werner Maiwald die Fertigung an. 
Angela Merkel (2.v.r.) schaut sich mit dem damaligen Geschäftsführer Werner Maiwald die Fertigung an.  © BuS-Jahrbuch