Sachsen
Merken

Tausende Sachsen protestieren fürs Klima

Sie fordern einen besseren Klimaschutz. In zahlreichen Orten in Sachsen haben Menschen am Freitag protestiert - teils mit kreativen Mitteln.

 5 Min.
Teilen
Folgen
Gut 8.000 Menschen nahmen in Leipzig an den Protesten gegen den Klimawandel teil.
Gut 8.000 Menschen nahmen in Leipzig an den Protesten gegen den Klimawandel teil. © Sebastian Willnow/dpa

Dresden/Leipzig/Berlin. "Wo ist der Klimaschutz? Wer hat den Klimaschutz versaut?" - Ein Chor der Leipziger Hochschule für Musik und Theater (HMT) singt beim globalen "Klimastreik" in Leipzig zur Melodie von "Die Affen rasen durch den Wald" - begleitet von einer ganzen Band. Nicht nur in Leipzig gingen am Freitag Tausende für einen besseren Klimaschutz auf die Straße. In etwa 20 Orten in Sachsen fanden Aktionen statt. Es müsse endlich etwas geschehen, forderten die Klimaaktivisten.

Hunderte Plakate zeigten Sprüche wie "Kurzstreckenflüge nur für Insekten" oder "Dinos dachten auch, sie hätten Zeit". "Ich will, dass Erwachsene und die Politiker mehr auf den Klimaschutz achten", sagte Johanna. Die 14-jährige Schülerin lief bei der Demonstration in Leipzig mit. "Ich bin hier nach Schulschluss, ich schwänze keinen Unterricht", betonte sie.

Nicht nur Schüler, auch Großeltern, Studenten und Eltern beteiligten sich an den Protesten. "Wir sind hier, um für ausreichend Klimaschutz zu demonstrieren", erklärte Bettina van Suntum von den Parents for Future in Leipzig. Die 45-Jährige sammelte von den Demonstranten Wunschzettel zum Klimaschutz, die die Aktivisten an die Landesregierung übergeben wollen.

In Leipzig strömten Tausende zur Demonstration, laut Veranstalter nahmen mehr als 8.000 Menschen teil. In Dresden seien mehr als 6.000 Menschen gekommen, teilte Fridays for Future auf Twitter mit. Nach Angaben der Polizei verlief der Protest friedlich. In Chemnitz hätten sich etwa 800 Menschen beteiligt, so die Veranstalter. Weitere Aktionen sollten in Bautzen, Görlitz, sowie in Taucha, Wurzen, Zittau, Sebnitz, Plauen und Tharandt stattfinden.

Bundesweit beteiligten sich laut Fridays for Future 630.000 Menschen in mehr als 520 Orten an Klimaprotesten, darunter Fahrraddemonstrationen, Blockaden, Picknicks und Demonstrationen an Kohlekraftwerken. Mit den Protesten wollten die Demonstrierenden nach eigenen Angaben vor der Weltklimakonferenz in Madrid deutlich machen, dass sie die Abkehr der Bundesregierung vom 1,5-Grad-Ziel nicht akzeptieren.

Für Deutschland fordert Fridays For Future unter anderem, unverzüglich alle Subventionen für fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas zu streichen sowie ein Viertel der Kohlekraft abzuschalten. Zudem müsse Deutschland bis 2035 auf eine komplett erneuerbare Energieversorgung umschwenken.

Das Thema Erderhitzung treibt derzeit auch die EU um. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat starke Anstrengungen gegen den Klimawandel versprochen. Und das EU-Parlament hatte am Donnerstag den "Klimanotstand" für Europa ausgerufen. Eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten sprach sich dafür aus, als erster ganzer Kontinent überhaupt einen solchen Notstand zu erklären. Das soll nach Wunsch der Abgeordneten die Dringlichkeit des Themas zeigen - konkrete Folgen hat der Schritt aber vorerst nicht.

Fridays for Future reichte das nicht. "Dass die EU den Klimanotstand ausruft, ohne zu handeln, ist wie wenn die Feuerwehr im Einsatz nur noch "Es brennt!" schreit, statt zu löschen", schrieb die Gruppe auf dem deutschen Twitter-Account. In Deutschland richtet sich ihre Kritik vor allem gegen das Klimapaket der Bundesregierung. "Mit business as usual und viel Pillepalle sind diese Maßnahmen nur eine weitere Folge in der Reihe des klimapolitischen Versagens der GroKo", erklärte das Netzwerk.

Greta ist noch auf hoher See

Die Klimaproteste gehen auf einen Protest der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg zurück, die sich viele Menschen in aller Welt im Kampf gegen die Klimakrise zum Vorbild genommen haben. Thunberg selbst wird den Protesttag an einem ungewohnten Ort verbringen: Die 16-Jährige segelt gerade auf einem Katamaran über den Atlantik zurück, um an der am Montag beginnenden Weltklimakonferenz sowie an einem großen Protest in Madrid am kommenden Freitag teilnehmen zu können. Ob sie es zeitlich schafft, ist unklar. Bis zum Donnerstag hatte sie etwas mehr als zwei Drittel der Strecke geschafft.

Thunberg warb am Donnerstag via Twitter für den Protesttag: "Im September sind 7,5 Millionen Menschen rund um den Globus auf die Straße gegangen. Morgen machen wir das nochmal." Jeder werde gebraucht, jeder sei willkommen.

Schon jetzt hat sich Erde nach Befunden des Weltklimarats IPCC um ein Grad aufgeheizt im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Zu den fatalen Folge zählen mehr extreme Wetterereignisse, also je nach Region mehr Hitzewellen, Dürren und Waldbrände, aber auch verheerende Stürme, Überschwemmungen und Starkregen.

Zwei aktuelle Untersuchungen weisen auf die Dringlichkeit eines entschiedeneren Vorgehens gegen die drohende Klimakatastrophe hin. So warnte das UN-Umweltprogramm Unep am Dienstag, alle Länder müssten ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel immens verstärken, wenn sie gemeinschaftlich das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollten. Wenn die Weltbevölkerung so weiterlebe wie derzeit, drohe die Temperatur bis 2100 um 3,4 bis 3,9 statt wie angestrebt um nur 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu steigen.

Ein neuer Monitoringbericht der Bundesregierung zeigte zudem, dass die Folgen der Erwärmung auch in Deutschland spürbarer werden und sich immer besser belegen lassen. Demnach hat sich die mittlere Lufttemperatur hierzulande von 1881 bis 2018 um 1,5 Grad erhöht. Dadurch kommt es unter anderem zu mehr Gesundheitsrisiken durch die Hitzebelastung, einem Anstieg der mittleren Oberflächentemperatur der Nordsee sowie zu stärkeren Ertragsschwankungen in der Landwirtschaft.

Anlass für die Proteste ist die UN-Klimakonferenz, die am Montag in Madrid beginnt. Im Vorfeld des Treffens hatten Vertreter von Fridays for Future der Bundesregierung Untätigkeit vorgeworfen. Deutschland werde in Madrid mit leeren Händen dastehen, hieß es.

Unter dem Hashtag #NeustartKlima wollen Jung und Alt darum gemeinsam auf die Straße gehen. Es ist der vierte globale Klimastreik. Die Aktivisten hatten angekündigt, sich am Wochenende auch an den Protesten in den Kohlerevieren in der Lausitz und bei Leipzig zu beteiligen. (dpa)