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Zeit, dass sich was dreht

Die Stadt Wilsdruff möchte die historische Turbine mithilfe der Grumbacher sanieren. Und sie hat noch mehr vor.

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© Andreas Weihs

Von Maik Brückner

Wilsdruff. Obwohl es sich schon lange nicht mehr dreht, sind die Grumbacher stolz auf ihr historisches Windrad. Dieses steht unterhalb des Dorfes an der Straße nach Tharandt. Mehrmals wurde es beschädigt, so bei Stürmen in den Jahren 2002 und 2007. Immer wieder wurde es repariert. 2013 musste es dann abgenommen werden, weil die Kugellager verschlissen waren. Seither liegt die Turbine auf der Wiese.

Marcel Fischer (l.) und Ulrich Klein bemühen sich um die Sanierung des Grumbacher Windrades. Hier stehen sie an einem der wenigen Originalteile.
Marcel Fischer (l.) und Ulrich Klein bemühen sich um die Sanierung des Grumbacher Windrades. Hier stehen sie an einem der wenigen Originalteile. © SZ/M. Brückner
An einigen Stellen sind die Stahlteile verrostet.
An einigen Stellen sind die Stahlteile verrostet. © SZ/M. Brückner

Seit mehreren Jahren bemühen sich die Grumbacher Ulrich Klein und Marcel Fischer intensiv um die umfassende Sanierung des Denkmals. Und die ist dringend nötig, sagt Marcel Fischer, der gelernter Elektriker und Maschinenbauer ist. Er hat sich die Anlage in den letzten Jahren gründlich angeschaut. Dabei sind ihm einige rostige Stellen am Turm aufgefallen. Besonders kritisch ist es an den Stahlteilen oberhalb des Fundaments. Hier hat sich der Rost fast durchgefressen. Es ist einiges zu tun, sagt auch Ulrich Klein. Der Ingenieur im Ruhestand hat gemeinsam mit Marcel Fischer, einigen Firmen des Ortes, dem Grumbacher Ortschaftsrat und der Stadt Wilsdruff vor vier Jahren die Interessensgemeinschaft Windrad gegründet.

Unterstützung kommt auch von Christoph Spensberger. Unter der Leitung des Professors, der an der Dresdener Hochschule für Technik und Wirtschaft lehrt, untersuchten Studenten die Anlage und fassten die Ergebnisse in einer Belegarbeit zusammen. Klein und Fischer sind froh, dass auch die Stadt Wilsdruff ein großes Interesse am Wiederaufbau des Windrades hat.

Für Bürgermeister Ralf Rother (CDU) ist die Anlage nicht nur ein Zeitzeugnis, das er erhalten will. Der Rathauschef möchte es auch erlebbar machen. Deshalb soll nicht nur die Anlage instand gesetzt werden. In ihrer Nähe soll ein kleiner Rastplatz mit Infotafeln zum Windrad entstehen.

Nach ersten Schätzungen wird das nicht billig. „Der ermittelte Gesamtaufwand liegt bei 236 000 Euro“, sagt Rother. Weil das auch für Wilsdruff viel Geld ist, bemüht sich die Stadt um Fördermittel aus dem EU-Programm Leader. Von der Bewilligung der Fördermittel ist auch der Sanierungsbeginn abhängig, erklärt Rother.

Die Zeit bis zum Beginn der Arbeiten will Marcel Fischer nutzen, um noch weitere Details zur Baugeschichte zu ergründen. Als er sich dem Thema zuwandte, war die Faktenlage sehr dünn. „Vieles ist in Vergessenheit geraten“, erzählt er. Inzwischen hat er einiges zutage fördern können.

So viel ist schon klar: Das Windrad geht auf die Gemeinde Braunsdorf zurück. Sie hatte vor mehr als hundert Jahren die Dresdner Firma Carl Reinsch beauftragt, es zu bauen. Die Anlage sollte eine Pumpe antreiben, die Trinkwasser aus einem Brunnen zu einem Hochbehälter am Ortsrand pumpen sollte. Zu überwinden waren 60 Höhenmeter auf einer Distanz von 1,8 Kilometern. Die Planungen zum Anlagenbau entstanden im Frühjahr 1909, im Herbst stand die Anlage. Dass das so schnell ging, lag an der Firma. Denn die Firma Reinsch gehörte bereits in den 1880er-Jahren zu den größten und bedeutendsten Herstellern von Windmotoren, erzählt Fischer. Sie durfte sogar das Prädikat Hoflieferant tragen. Reinsch habe den Bau solcher Anlagen perfektioniert. Die Windturbinen wurden vielfältig eingesetzt, sie arbeiteten als Antrieb von Maschinen, halfen bei der Entwässerung von Bergwerken, Steinbrüchen und Lehmgruben und der Polder im Hinterland von Deichen. In anderen Orten gewährleisteten sie die Wasserversorgung der Bevölkerung, so wie in Braunsdorf.

Reinsch hatte verschiedene Standardlösungen parat. Die Anlagen ließen sich relativ unproblematisch anliefern und aufbauen, sagt Fischer. In Grumbach entstand ein 22 Meter hoher Turm. Dort so drehte sich zunächst ein Windrad mit einem Rotordurchmesser von 8,50 Metern. Mitte der 1920er-Jahre gab es den ersten größeren Umbau. Damals wurde das Reinsch’e Windrad gegen eine neun Meter breite Stahlwindturbine der Firma Herkules ausgetauscht, so Fischer. Und das macht das Grumbacher Windrad so einmalig.

Denn es gibt nur noch wenige historische Windkraftanlagen aus jener Zeit. Nach Fischers Recherchen gibt es in Deutschland nur noch in Koblenz eine Herkules-Stahlwindturbine in dieser Größe. Das überrascht. Immerhin standen um 1910 im Deutschen Reich etwa 18 000 Windmotorenanlagen. Fast alle sind verschwunden, in Norddeutschland gibt es einige. Dass das Grumbacher Windrad stehen geblieben ist, mag auch an dessen Effizienz gelegen haben. Immerhin stellte es bis 1982 die Trinkwasserversorgung in Braunsdorf sicher, sagt Fischer. Im Laufe der Jahrzehnte wurden mehrere Teile, wie die Pumpen, an der Anlage ausgetauscht. Deshalb gibt es nur noch wenige originale Teile. Dazu zählen einige Einzelteile, das Turmgerüst und die Stahlturbine.

Für Fischer und Klein sind das gute Gründe, die Anlage zu sanieren. Die Idee, einen Rastplatz zu errichten, finden beide gut. Hier sollte nicht nur über die Historie des Windrades, das streng genommen eine Stahlwindturbine ist, sondern auch über die Geschichte des Dresdner Windturbinenbaus informiert werden, sagt Fischer.

Denn Dresden war einst eine Hochburg im Bau solcher Anlagen. Um 1910 waren mindestens vier Firmen in Dresden tätig. Deren Turbinen wurden auch in die damaligen deutschen Kolonien bis nach Afrika und Asien, aber auch nach Südamerika geliefert. „Auch das ist in Vergessenheit geraten“, sagt Fischer. Das möchte er ändern.