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Zeitreise im Geopark-Zentrum

Eine Ausstellung in Dorfhain erinnert an die Historie des VEB Elrado – mit einem sozialen Hintergedanken.

Von Verena Schulenburg
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Alte Ausstellungsstücke, Schautafeln und ganz viel Wissen stecken in der Ausstellung, die derzeit in Dorfhain entsteht. Genau in den Räumen, wo einst die Geschichte noch lebendig war, die alte Fabrik an der Talstraße 7. Herta Jähnig und Günter Wolf gehöre
Alte Ausstellungsstücke, Schautafeln und ganz viel Wissen stecken in der Ausstellung, die derzeit in Dorfhain entsteht. Genau in den Räumen, wo einst die Geschichte noch lebendig war, die alte Fabrik an der Talstraße 7. Herta Jähnig und Günter Wolf gehöre © Foto: Karl-Ludwig Oberthür

Mitten in die Provinz soll es bald tausende Besucher ziehen. Dorfhain wird das Zentrum eines neuen Geoparks in Sachsens Mitte. In dem kleinen Ort an der Weißeritz entsteht auch dessen Besucherzentrum. Seit Kurzem ist es nicht mehr zu übersehen. Der Leipziger Künstler Michael Fischer-Art hat für einen Hingucker gesorgt und in einer Kunstoffensive die graue Fassade bunt gemacht, mit Leben erfüllt.

Doch was erlebten die alten Gemäuer vor mehr als einhundert Jahren? Diese Frage beschäftigt derzeit ein kleines Team aus Dorfhainern. 750 Seiten alter Dokumente haben sie durchforstet, mehr als 600 historische Fotos gesichtet und etliche Kontakte geknüpft, um die Geschichte des Standortes aufzuarbeiten. Hier feierte einst die Elektrizität ihren Siegeszug.

Zunächst um 1900 in Tharandt, expandierten die Fabrikanten Otto Ellinger und Max Geißler mit ihren „Elektrotechnischen Werkstätten“ 1905 nach Dorfhain. Es wurde die Fabrik gebaut, in denen wichtige Bauteile für Rundfunk und später auch fürs Fernsehen hergestellt wurden. Ab 1946 firmierte das Unternehmen unter dem Namen „VEB Elektro- und Radiozubehör Dorfhain“, kurz „Elrado“.


Freiwillig halfen damals auch die Mitarbeiter beim Sportplatzbau.
Freiwillig halfen damals auch die Mitarbeiter beim Sportplatzbau. © Foto: privat

Inmitten des Gebäudekomplexes, in einem kleinen Raum im Obergeschoss, entsteht nun eine Ausstellung, die genau dieses Schaffen sichtbar macht. In Schaukästen liegen alte Regler für Lautstärke und Kontrast, sogenannte Potenziometer, die millionenfach hier hergestellt wurden, genauso Lichtschalter aus den 50er-Jahren.

„Wir haben schon etwa die Hälfte der Geschichte aufgearbeitet“, sagt Herta Jähnig. Die 78-Jährige gehört nicht nur zu dem engen Kreis, der sich an die aufwendige Arbeit herantraut. Die gebürtige Wilsdrufferin, die Elektro-Fernwerktechnik studierte, kennt die Firma selbst noch gut. 1963 zog sie nach Dorfhain, war von da an in der Produktionsleitung des Unternehmens und hier später in Sachen Forschung und Entwicklung aktiv. Ihr gehe es aber nicht nur darum, auf die umfassende Historie des Standortes aufmerksam zu machen.

Das Unternehmen, das mit mehreren Standorten in der Region dafür sorgte, dass mehr als 2 400 Menschen ihren Lebensunterhalt verdienten, schuf weit mehr als Arbeitsplätze. „Es ist beeindruckend, wie groß das soziale Engagement der Firma war“, erzählt Herta Jähnig. Auf Initiative des Unternehmens wurde 1976 ein Bad im Ort gebaut – genau dort, wo sich noch heute das Erlebnisbad befindet. Selbst der Sportplatz, das Sportcasino und die Kegelbahn gehen auf das Unternehmen zurück. „Ich habe beim Bau selbst mitgeschaufelt“, sagt Günter Wolf. Der gebürtige Dorfhainer ging 1958 bei dem Unternehmen in die Lehre, war später stellvertretender Betriebsdirektor – bis zur Firmeninsolvenz Anfang der 90er-Jahre. Das Aus traf die gesamte Belegschaft. „Es gab keinen anderen Weg als zu schließen“, erinnert sich Wolf. Keiner habe nach der politischen Wende noch die alten Radios haben wollen, die bis dato nachgefragt waren. Die Auftragslage brach zusammen und damit auch das Engagement für den Ort.

Genau hier soll nun der Gedanke des Miteinanders wieder aufgegriffen werden. „Es ist unsere Aufgabe, das soziale Engagement wieder ins Bewusstsein zu rücken und dieses für nachfolgende Generationen zu bewahren“, erklärt Herta Jähnig. Gerade heute, in Zeiten politischer Bewegungen und spürbarer gesellschaftlicher Unzufriedenheit, brauche es Zusammenhalt mehr denn je. Die Idee dieses Miteinanders verfolgt ihr eigener Sohn, Jens Jähnig. Der Chef der Dorfhainer Firma für Felssicherung hat die Georado-Stiftung ins Leben gerufen, unter deren Dach das Projekt Geopark vorangetrieben wird. Die Geschichte dieses Standortes sei identitätsstiftend, sagt er. „Das macht Heimat aus.“

Die Ausstellung „Vom Elrado zum Georado – 100 Jahre Industriegeschichte in der Region“ kann wieder am Sonntag, dem 16. Dezember, 14 bis 17.30 Uhr, besichtigt werden. Im Bistro gibt es dazu Punsch und Glühwein.

Die Fabrik in Dorfhain, aufgenommen in den 50er-Jahren. Dort, wo einst Bauteile für den Rundfunk hergestellt wurden, soll bald das Herz des Geoparks schlagen.
Die Fabrik in Dorfhain, aufgenommen in den 50er-Jahren. Dort, wo einst Bauteile für den Rundfunk hergestellt wurden, soll bald das Herz des Geoparks schlagen. © Foto: privat