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Zeitreise mit Postkarten

Ein neues Buch zeigt seltene Ansichten von Dresden. Weil die Blickwinkel außergewöhnlich sind.

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Rund 8 500 verschiedene Motive – alle im Kopf abgespeichert. Holger Naumann besitzt sie nicht nur, er kramt sie bei Bedarf einfach so aus seinem Gedächtnis hervor und schaut sie vor seinem geistigen Auge an. Muss er auch, wenn er sich auf einer Börse oder in einem Antiquariat durch die Stapel wühlt, immer auf der Suche nach einer, die er noch nicht hat.

Dresden auf alten Postkarten

Dieses Gebäude im Jugendstil stand an der Nordseite des Albertplatzes. Im Februar 1945 wurde es bei den Luftangriffen auf Dresden zerstört. Die Karte um 1910 zeigt das Wohn- und Geschäftshaus zwischen Königsbrücker und Alaunstraße mit seinem ganzen Prunk. Dort drin befand sich unter anderem die Neustädter Filiale der Dresdner Bank und das „Albert-Café“.
Dieses Gebäude im Jugendstil stand an der Nordseite des Albertplatzes. Im Februar 1945 wurde es bei den Luftangriffen auf Dresden zerstört. Die Karte um 1910 zeigt das Wohn- und Geschäftshaus zwischen Königsbrücker und Alaunstraße mit seinem ganzen Prunk. Dort drin befand sich unter anderem die Neustädter Filiale der Dresdner Bank und das „Albert-Café“.
Dort, wo sich heute das Militärhistorische Museum in der Albertstadt befindet, entstand nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) eine der größten Kasernenanlagen Europas. Im Arsenal waren unter anderem Beute- und Erinnerungsstücke aus den Kriegstagen ausgestellt, wie diese Postkarte um 1912 zeigt.
Dort, wo sich heute das Militärhistorische Museum in der Albertstadt befindet, entstand nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) eine der größten Kasernenanlagen Europas. Im Arsenal waren unter anderem Beute- und Erinnerungsstücke aus den Kriegstagen ausgestellt, wie diese Postkarte um 1912 zeigt.
Für dieses Postkartenmotiv vom Schillerplatz um 1920 musste der Fotograf auf den südlichen Brückenpfeiler des Blauen Wunders klettern. Zwanzig Jahre zuvor war die Umgestaltung von einem Dorfanger zum einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt abgeschlossen. Rechts ist das „Café Toscana“ zu sehen, auf der linken Seite der Schillergarten und der Gasthof Blasewitz.
Für dieses Postkartenmotiv vom Schillerplatz um 1920 musste der Fotograf auf den südlichen Brückenpfeiler des Blauen Wunders klettern. Zwanzig Jahre zuvor war die Umgestaltung von einem Dorfanger zum einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt abgeschlossen. Rechts ist das „Café Toscana“ zu sehen, auf der linken Seite der Schillergarten und der Gasthof Blasewitz.
Den Canaletto-Blick auf das Dresdner Altstadt-Panorama kennen die meisten. Aber nicht so. 1905 haben Bauern die Ansicht bei der Heuernte verstellt. Damit liefern sie ein ungewöhnliches Motiv für die Nachwelt. Heute wird die Wiese nicht mehr landwirtschaftlich genutzt.
Den Canaletto-Blick auf das Dresdner Altstadt-Panorama kennen die meisten. Aber nicht so. 1905 haben Bauern die Ansicht bei der Heuernte verstellt. Damit liefern sie ein ungewöhnliches Motiv für die Nachwelt. Heute wird die Wiese nicht mehr landwirtschaftlich genutzt.
Der Pirnaische Platz, wie man ihn heute überhaupt nicht mehr wiedererkennt: Schon um 1908, wie auf der Postkarte, pulsierte der Verkehr an diesem Knotenpunkt. Die Wilsdruffer hieß noch König-Johann-Straße (links), führte aber auch zum Altmarkt. In der Mitte wird der Blick durch die Landhausstraße in Richtung Hausmannsturm gelenkt. Das Königliche Polizeipräsidium vor der Frauenkirchenkuppel (rechts) steht erst wenige Jahre. Davor lockt das Restaurant „Mosel-Terrasse“ mit seiner erlesenen Weinkarte.
Der Pirnaische Platz, wie man ihn heute überhaupt nicht mehr wiedererkennt: Schon um 1908, wie auf der Postkarte, pulsierte der Verkehr an diesem Knotenpunkt. Die Wilsdruffer hieß noch König-Johann-Straße (links), führte aber auch zum Altmarkt. In der Mitte wird der Blick durch die Landhausstraße in Richtung Hausmannsturm gelenkt. Das Königliche Polizeipräsidium vor der Frauenkirchenkuppel (rechts) steht erst wenige Jahre. Davor lockt das Restaurant „Mosel-Terrasse“ mit seiner erlesenen Weinkarte.
Das waren noch Zeiten, als um 1910 über die enge Augustusstraße zwischen Fürstenzug und Ständehaus die Straßenbahnen der Linie 9 fuhren.
Das waren noch Zeiten, als um 1910 über die enge Augustusstraße zwischen Fürstenzug und Ständehaus die Straßenbahnen der Linie 9 fuhren.
Am Lahmann-Sanatorium wurden um 1905, als diese Postkarte entstand, fast 4000 Kurgäste auf dem Weißen Hirsch behandelt. Darunter viele Prominente aus Politik, Militär und Kultur.
Am Lahmann-Sanatorium wurden um 1905, als diese Postkarte entstand, fast 4000 Kurgäste auf dem Weißen Hirsch behandelt. Darunter viele Prominente aus Politik, Militär und Kultur.
Flussbäder entlang der Elbe gehörten vor rund 100 Jahren zum Dresdner Stadtbild. Dieses hier befand sich am Strand vor dem Finanzministerium zwischen Augustus- und der alten Carolabrücke.
Flussbäder entlang der Elbe gehörten vor rund 100 Jahren zum Dresdner Stadtbild. Dieses hier befand sich am Strand vor dem Finanzministerium zwischen Augustus- und der alten Carolabrücke.
Dresden zählte neben Berlin, München und Leipzig um 1900 zu den Hochburgen bei der Postkartenproduktion. Der Verleger Johannes Leonhardt bezeichnete seinen Laden in der Pirnaischen Vorstadt als „ältestes und größtes Spezialgeschäft für Ansichtskarten aller Länder.“
Dresden zählte neben Berlin, München und Leipzig um 1900 zu den Hochburgen bei der Postkartenproduktion. Der Verleger Johannes Leonhardt bezeichnete seinen Laden in der Pirnaischen Vorstadt als „ältestes und größtes Spezialgeschäft für Ansichtskarten aller Länder.“
Auch durchaus Amüsantes war auf den Postkarten dargestellt. So gab es eine von der Loschwitzer Schwebebahn, die 1901 eröffnet wurde. Mit einem Augenzwinkern wird gezeigt, wie gefährlich eine Fahrt sein kann. Doch auch echte Unglücke waren mitunter auf den Karten abgebildet.
Auch durchaus Amüsantes war auf den Postkarten dargestellt. So gab es eine von der Loschwitzer Schwebebahn, die 1901 eröffnet wurde. Mit einem Augenzwinkern wird gezeigt, wie gefährlich eine Fahrt sein kann. Doch auch echte Unglücke waren mitunter auf den Karten abgebildet.

Der 59-jährige Archivar im Haus der Presse sammelt Postkarten mit Dresden-Motiven. Sie müssen original sein und vor 1945 gedruckt. Schon als Schüler hat er damit begonnen, die Leidenschaft für die Geschichte seiner Heimatstadt war früh entfacht. Während Naumann als Kind ein Matchbox-Spielzeugauto als Tauschobjekt opferte, muss er heute in seine Geldbörse greifen.

Einfache, abgewetzte Karten mit gängigen Motiven oder geknickten Ecken gibt es schon ab einem Euro, nach oben sind lange keine Grenzen gesetzt. Vor allem für Ansichten von Straßen und Plätzen, die es heute nicht mehr gibt, zahlen Sammler 30 bis 80 Euro. Auch Preise von über 100 Euro für seltene Exemplare sind üblich. Selbst die 1 000 Euro werden für herausragende Ausnahmekarten geknackt.

Ob Naumann solche Wertanlagen besitzt, dazu hält er sich bedeckt. Zeigen will er dagegen eine Auswahl aus seinem Fundus. Dazu hat er jetzt ein Buch geschrieben mit fast 70 Postkarten, die zum Teil noch nie veröffentlicht wurden. Die meisten werden von einem ausführlichen Text begleitet, der die Leser auf einen Stadtbummel durch Dresden in der Zeit von 1895 bis 1929 mitnimmt. Naumann verzichtet auf unbekannte Ecken, wählt stattdessen lieber Ansichten, die Einwohner, aber auch Touristen einordnen können.

Naumann, der über die Jahre ein Gespür entwickelt hat, wie wertvoll eine Karte ist, sammelt sie aber auch, um Geschichte zu dokumentieren. Nicht selten lassen die Texte des Absenders Einblicke in das Alltagsleben, aber auch in die Entbehrungen während der Kriegsjahre oder nach Unglücken zu. Wie groß Naumanns Sammlung wird, kann er nicht abschätzen. Das Feuer ist nach wie vor da, etwa, wenn er im New York-Urlaub den Laden eines im Zweiten Weltkrieg in Deutschland stationierten US-Soldaten durchstöbert.

Doch sein Buch ist nicht nur eine außergewöhnliche Zeitreise, es bricht auch eine Lanze für das Medium Postkarte. 1869, noch ohne Bild als „Correspondenzkarte“, erstmals verschickt, trat das Grußpapier einen Siegeszug an, der zwischen 1897 und 1914 seinen Höhepunkt erreichte. Damals wurde in fast jedem Haushalt gesammelt, heute braucht es dafür Menschen wie Holger Naumann.

„Ein seltener Blick aufs alte Dresden. Entdeckt auf historischen Ansichtskarten“ ist für 24,90 Euro in allen SZ-Treffpunkten erhältlich (ISBN 978-3-943444-56-8)