Ein neues Buch zeigt seltene Ansichten von Dresden. Weil die Blickwinkel außergewöhnlich sind.
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Rund 8 500 verschiedene Motive – alle im Kopf abgespeichert. Holger Naumann besitzt sie nicht nur, er kramt sie bei Bedarf einfach so aus seinem Gedächtnis hervor und schaut sie vor seinem geistigen Auge an. Muss er auch, wenn er sich auf einer Börse oder in einem Antiquariat durch die Stapel wühlt, immer auf der Suche nach einer, die er noch nicht hat.
Dresden auf alten Postkarten
Der 59-jährige Archivar im Haus der Presse sammelt Postkarten mit Dresden-Motiven. Sie müssen original sein und vor 1945 gedruckt. Schon als Schüler hat er damit begonnen, die Leidenschaft für die Geschichte seiner Heimatstadt war früh entfacht. Während Naumann als Kind ein Matchbox-Spielzeugauto als Tauschobjekt opferte, muss er heute in seine Geldbörse greifen.
Einfache, abgewetzte Karten mit gängigen Motiven oder geknickten Ecken gibt es schon ab einem Euro, nach oben sind lange keine Grenzen gesetzt. Vor allem für Ansichten von Straßen und Plätzen, die es heute nicht mehr gibt, zahlen Sammler 30 bis 80 Euro. Auch Preise von über 100 Euro für seltene Exemplare sind üblich. Selbst die 1 000 Euro werden für herausragende Ausnahmekarten geknackt.
Ob Naumann solche Wertanlagen besitzt, dazu hält er sich bedeckt. Zeigen will er dagegen eine Auswahl aus seinem Fundus. Dazu hat er jetzt ein Buch geschrieben mit fast 70 Postkarten, die zum Teil noch nie veröffentlicht wurden. Die meisten werden von einem ausführlichen Text begleitet, der die Leser auf einen Stadtbummel durch Dresden in der Zeit von 1895 bis 1929 mitnimmt. Naumann verzichtet auf unbekannte Ecken, wählt stattdessen lieber Ansichten, die Einwohner, aber auch Touristen einordnen können.
Naumann, der über die Jahre ein Gespür entwickelt hat, wie wertvoll eine Karte ist, sammelt sie aber auch, um Geschichte zu dokumentieren. Nicht selten lassen die Texte des Absenders Einblicke in das Alltagsleben, aber auch in die Entbehrungen während der Kriegsjahre oder nach Unglücken zu. Wie groß Naumanns Sammlung wird, kann er nicht abschätzen. Das Feuer ist nach wie vor da, etwa, wenn er im New York-Urlaub den Laden eines im Zweiten Weltkrieg in Deutschland stationierten US-Soldaten durchstöbert.
Doch sein Buch ist nicht nur eine außergewöhnliche Zeitreise, es bricht auch eine Lanze für das Medium Postkarte. 1869, noch ohne Bild als „Correspondenzkarte“, erstmals verschickt, trat das Grußpapier einen Siegeszug an, der zwischen 1897 und 1914 seinen Höhepunkt erreichte. Damals wurde in fast jedem Haushalt gesammelt, heute braucht es dafür Menschen wie Holger Naumann.
„Ein seltener Blick aufs alte Dresden. Entdeckt auf historischen Ansichtskarten“ ist für 24,90 Euro in allen SZ-Treffpunkten erhältlich (ISBN 978-3-943444-56-8)