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Ziemlich bessere Freunde

Nachgemachtes muss nicht schlechter sein: Das US-Remake der Erfolgskomödie "Ziemlich beste Freunde" ist besser als das Original, findet unser Redakteur.

Von Oliver Reinhard
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Schau nicht so brummig, schleck lieber: „Pfleger“ Dell (Kevin Hart) und Milliardär Phillip (Bryan Cranston).
Schau nicht so brummig, schleck lieber: „Pfleger“ Dell (Kevin Hart) und Milliardär Phillip (Bryan Cranston). © Constantin Film

Ob es am – unnötigen – Gefühl des Neides liegt? Oder an den alten europäischen Anti-Ami-Klischees? Jedenfalls blickt unser Kontinent, ausgenommen die Filmspezies, gerne mal hinab auf das Kinoschaffen in den USA. Man rümpft die Nase über „Hollywood“, meint damit lediglich das große Blockbustergeschäft und ignoriert dabei völlig die Qualitätsfilmlandschaft, die fraglos die größte, reichste und gehaltvollste weltweit ist. 

Geradezu hochnäsig („Die ham wohl keine eigenen Ideen mehr?“) geht es zu, sobald „Hollywood“ europäische Filmerfolge einkauft und Remakes davon dreht. Wie beim dänischen „Nachtwache“, dem schwedischen „Verblendung“, wie nun auch bei „Ziemlich beste Freunde“. Jenem Wahnsinnserfolg aus Frankreich, der mit neun Millionen Zuschauern auch in Deutschland zum erfolgreichsten Film des Jahres 2013 wurde.

Die bisherigen Kritiken zu Neil Burgers zugegeben einigermaßen bescheuert auf Deutsch „Mein Bester und ich“ heißenden „The Upside“ fallen dann auch so aus, wie man es erwarten musste. Von „ganz nett“ über „nicht annähernd so charmant“ bis „braucht keiner“ reicht der Tenor.

Weniger charmant, nicht ganz so geschmeidig

Tatsächlich halten sich Burger und sein Autor Jon Hartmere sehr eng an das Original, übernehmen den Handlungsstrang weitgehend und manche Szene fast unverändert, ebenso die Namen: Aus Philippe wird Phillip, und Driss wird zu Dell. Der, ein arbeitsloser Afro-Ami, bewirbt sich eigentlich nur deshalb beim gelähmten Phillip Lacasse, weil er den „Dagewesen“-Stempel für seine Papiere braucht. Folglich gibt er sich beim Vorstellungsgespräch auch keine Mühe, im Gegenteil. Eben deshalb gibt Phillip ihm den Job. Dells Konkurrenz besteht aus Schleimern und Esoterikern, und so was mag der Milliardär ganz und gar nicht.

Überhaupt ist Phillip ein Grantler. Zwar smart genug, um sich nach außen in sein Schicksal zu fügen; auch das Blößegeben liegt ihm fern. Doch den seit einem Paragliding-Unfall an Bett und Rollstuhl Gefesselten quälen vor allem die Erinnerungen an seine verstorbene Ehefrau, insbesondere nachts, wenn alles schläft, nur er nicht.

Wie beim französischen Vorbild dauert es lange und geht nicht ohne Stolpern und Rückschläge ab, bis Dell und Phillip sich aneinander gewöhnen und mögen lernen. Die rasante Autofahrt in der Nobelkarosse samt Polizeikontrolle und vorgetäuschtem Anfall, die Wohnungsparty mit Tanzeinlage, der Liebesbriefwechsel zwischen Phillip und einer Unbekannten, dem bald auf Dells Treiben hin ein persönliches Treffen folgt; Fans der ziemlich besten Freunde kennen das. Und ja, das amerikanische Remake ist weniger charmant, nicht ganz so anrührend, nicht ganz so geschmeidig. Nein, niemand braucht diese Neuverfilmung wirklich. So wie niemand überhaupt irgendeinen Film wirklich braucht.

Mehr Ecken und Kanten und Tiefe

Aber eben dieses Weniger macht aus „Mein Bester und ich“ deutlich mehr als eine nette Buddykomödie – und lässt sie schlussendlich sogar größer dastehen als die Vorlage. Denn wo die Franzosen auf den hochgewachsenen, dynamischen, schrecklich gut aussehenden, nahezu immer gut gelaunten und auf der Tanzfläche klamme Zuschauerfantasien auslösende Omar Sy setzen, gibt Komiker Kevin Hart „seinem“ Dell deutlich mehr Ecken und Kanten – und eine richtige Geschichte. Dell ist eher klein und wenig schön, ein absoluter Loser, und kann nicht tanzen. Er hat eine ständig lockende kriminelle Vergangenheit, eine Frau, ein Kind, die ihm vollends zu entgleiten drohen, weil er weder für sich noch für andere Verantwortung übernehmen kann. Er bestiehlt Phillip, ist unzuverlässig, immer wieder ruppig – und das von ihm arrangierte Treffen zwischen Milliardär und Brieffreundin endet ebenfalls ausgesprochen unhappy.

Auch ist Phillips Assistentin Yvonne nicht das bekannte erotisch-coole Rasseweib mit Aussicht auf ein Affärchen unter Angestellten. Vielmehr darf Nicole Kidman daraus eine humorlose ältliche Jungfer machen, die ebenfalls mit ihren inneren Wunden zu kämpfen hat. Und Bryan Cranston, der von seiner großen Klasse seit „Breaking Bad“ nichts verloren hat, gewährt als Phillip Einblicke in dessen Seele, die ungleich abgründiger ist als beim Original.

Wer charmante Filme mit Figuren zum Verlieben vorzieht, die möglichst viel Kopfhonig produzieren, mag bei „Ziemlich beste Freunde“ besser aufgehoben sein. Wer jedoch wahrhaftigere Geschichten und Figuren mag, die wirkliche Tiefe haben, die als Erwachsenwerd- und Sozialdrama und obendrein als Komödie funktionieren, der sollte vielleicht selber ausprobieren, ob er ein Remake wie „The Upside“ nun braucht oder nicht. Auch wenn es „nur“ – Hilfe! – aus „Hollywood“ kommt.

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