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Direkt, provokant, unbequem, wie Pinsel-Heinrich

Erstmals hat die Stadt Radeburg am Sonntag einen Heinrich-Zille-Karikaturenpreis vergeben. 

Von Sven Görner
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Die Zeichnung „Flüchtlingskrise“ des Berliner Cartoonisten Olaf Schwarzbach wählte die Jury mehrheitlich als Siegerarbeit des Heinrich-Zille-Karikaturenpreises 2019.
Die Zeichnung „Flüchtlingskrise“ des Berliner Cartoonisten Olaf Schwarzbach wählte die Jury mehrheitlich als Siegerarbeit des Heinrich-Zille-Karikaturenpreises 2019. ©  dpa

Radeburg. So gut besucht wie am Sonntag ist der Radeburger Ratssaal selten. Aber es gab auch einen besonderen Anlass für das große Interesse. Drei Tage nach dem 161. Geburtstag des Grafikers, Malers und Fotografen Heinrich Zille wurde nur wenige Meter von seinem Geburtshaus entfernt zum ersten Mal der nach ihm benannte Karikaturenpreis vergeben. Entgegennehmen konnte ihn der Berliner Karikaturist und Comiczeichner Olaf Schwarzbach.

Ausgelobt haben den mit 1 000 Euro dotierten Preis im vergangenen Jahr die Stadt Radeburg und die Galerie Komische Meister Dresden. Zum Thema „Die Wahrheit stört zuletzt!“ wurden daraufhin 450 Werke eingereicht. Knapp 90 Künstler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligten sich an dem Wettbewerb. Eine Einsenderin lebt sogar in Estland.

Die Jury wählte im Dezember mehrheitlich die Zeichnung „Flüchtlingskrise“ von Olaf Schwarzbach aus. Das Bild, so die Jury, überzeuge mit Witz, zeichnerischer Qualität und Doppelbödigkeit und treffe somit bestens das aktuelle Motto des Wettbewerbs.

Ein echter Zille und der erste Zillepreisträger. Olaf Schwarzenbach – alias OL – am Sonntag im neuen Zille-Kabinett des Radeburger Heimatmuseums. 
Ein echter Zille und der erste Zillepreisträger. Olaf Schwarzenbach – alias OL – am Sonntag im neuen Zille-Kabinett des Radeburger Heimatmuseums.  © Foto: SZ/Sven Görner

Der waschechte Berliner – er wurde 1965 im Osten der Stadt geboren – veröffentlicht seine Cartoons und Karikaturen unter dem Kürzel OL. Arbeiten von ihm erscheinen regelmäßig unter anderem in der Berliner Zeitung, auf der Onlineseite von n-tv, in der Zeitschrift Die Zeit und im Satiremagazin Eulenspiegel.

Mit Michael Ufert – Jurymitglied und Leiter der Radeburger Zille-Oberschule – hielt gewissermaßen ein Fachmann die Laudatio auf den Preisträger. Schließlich geht es in der Siegerarbeit auch um das Thema Schule. Die sei nicht nur ein Spiegelbild der Gesellschaft, sondern werde auch immer mehr zur Reparaturwerkstatt. „Läuft irgendwas schief in unserem Zusammenleben, rufen die Politiker meist reflexartig nach Schule. Diese soll es richten, gern zum Nulltarif und unter schlechten Rahmenbedingungen.“

Olaf Schwarzbach, gelernter Offsetdrucker, der in der DDR auch wegen seiner Zeichnungen ins Visier der Stasi geriet, verließ kurz vor dem Mauerfall über Ungarn das Land in Richtung München.

Seit über 25 Jahren lebt und arbeitet OL mitten im Prenzlauer Berg. „Er hat die Gentrifizierung des Viertels miterlebt, kennt den alten und neuen Prenzlauer Berg“, so der Laudator. Und Michael Ufert ergänzte: „Ein Zeichner in Berlin, der die Gesellschaft porträtiert, der das Milieu in seinen Zeichnungen einfängt und dabei direkt, provokant und manchmal unbequem ist.“ Die Süddeutsche Zeitung habe Olaf Schwarzbach einmal als eine Art spätmodernen Heinrich Zille bezeichnet. „Wir hätten keine bessere Wahl für den ersten Preisträger des Zille-Karikaturenpreises treffen können“, schloss Michael Ufert.

Er freue sich sehr darüber, so Olaf Schwarzbach, als Berliner Zeichner mit dem Preis des alten Zille geehrt zu werden. Zumal damit auch gleich noch ein Irrtum ausgeräumt wurde, dem OL wie wohl die meisten Berliner verfallen war – dass der Pinsel-Heinrich ein echter Berliner ist.

Galerist Mario Süßenguth lobte die gute Zusammenarbeit mit Bürgermeisterin Michaela Ritter und dem Stadtrat. Nur so sei es möglich gewesen, dass zwischen der Idee für den Preis und seiner ersten Vergabe nicht einmal ein Jahr liegen.

Sponsor des Hauptpreises ist das Radeburger Unternehmen Megger Hagenuk KMT Kabelmesstechnik GmbH. Außerdem wird während der gestern mit 120 ausgewählten Arbeiten eröffneten Ausstellung zum aktuellen Wettbewerb ein Publikumspreis vergeben. Die Ideenwerk Kroemke GmbH stiftet dafür 500 Euro.

Zu sehen ist die Schau bis Ende März im Heimatmuseum, immer dienstags von 10 bis 12 und von 13 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 12 und 13 bis 16 Uhr, sowie jeden ersten und dritten Sonnabend im Monat von 14 bis 16 Uhr.