101 Jahre - und kein bisschen müde

Das Wetter hat's zu ihrem 101. Geburtstag am Montag gut gemeint mit Sylvia Riedel. Anders als am 4. Juli 1921, an dem sie bei heftigstem Gewitter in Spitzkunnersdorf das Licht der Welt erblickte. Und trotz der damaligen und folgenden Turbulenzen hat sie sich bis heute die Sonne im Herzen bewahrt. Die sieht die Oberlausitzerin neben ihrem festen Glauben und einer gesunden Lebensweise ausschlaggebend für ihr hohes Alter und den guten Gesundheitszustand. Vor allem sei sie froh, von Corona verschont geblieben zu sein, sagt Sylvia Riedel. Trotz des Rollstuhls fühlt sich die Seniorin den Umständen entsprechend fit. Vor allem im Kopf, das sei schließlich das Wichtigste.
Die Jubilarin kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Zu den schönsten Erlebnissen zählt noch immer jener Tag 1938, als sie im Dresdner Rosengarten ihren späteren Ehemann Werner kennenlernte. Damals war sie 17. Mit ihm blieb Sylvia Riedel bis zu seinem Tod 2011 zusammen. Und während er in den Krieg ziehen musste, wurde sie zum Dienst verpflichtet und arbeitete nahe der thüringischen Stadt Arnstadt in der Rüstungsindustrie, später bei Piano in Seifhennersdorf. Ihre Schwangerschaft bewahrte die Oberlausitzerin vor weiteren Einsätzen. Im Oktober 1945 kam Tochter Evelin auf die Welt, die heute mit Familie nahe Heilbronn lebt. Zusammen mit ihrem Kind zog Sylvia Riedel nach dem Krieg in die Lüneburger Heide, wo ihr Werner in englischer Gefangenschaft war. Nach seiner Entlassung konnten beide endlich heiraten. Doch irgendwann zog die Familie zurück in die Oberlausitz. Eine große Rolle habe dabei auch das fortgeschrittene Alter ihrer Eltern gespielt, sagt sie.
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So zog die Familie nach Ruppersdorf, wo der Großvater ein Häuschen hatte. Sylvia Riedel war dort bis zur Rente als Buchhalterin tätig, zuerst in der LPG und dann in der Gemeindeverwaltung. Immer hatte sie mit Geld zu tun, sagt die 101-Jährige nicht ohne Stolz. Und das ohne Computer, nur mit dem Kopf. 1959 kam noch Sohn Hartmut auf die Welt, der aber schon mit 49 Jahren verstarb. Dessen damalige Lebensgefährtin Kathrin betreue sie noch immer in liebevoller Art und Weise, sagt Sylvia Riedel. Diese komme regelmäßig und sehe nach dem Rechten. Das sei um so wichtiger, da der Großteil der Familie weit weg wohnt. Mit ihren inzwischen über 76 Jahren könne die Tochter die Strecke bis Zittau mit dem eigenen Auto nicht mehr bewältigen, meint die Mutter. Heute gehören zur Familie der Seniorin sechs Enkel, neun Urenkel und zwei Ururenkel.
Lange kam Sylvia Riedel in ihren eigenen vier Wänden zurecht, aber irgendwann gab sie auf. Nach einer kurzen Zwischenstation in Waltersdorf kam die Rentnerin vor etwa zwei Jahren in die Seniorenresidenz "Zur Linde" an der Zittauer Christian-Keimann-Straße. Dort fühle sie sich sehr wohl, sagt die 101-Jährige. Das Personal sei nett und hilfsbereit, alle geben sich große Mühe, die Wünsche der Bewohner zu erfüllen. Besonders schätzt sie, dass hier selbst gekocht und alles frisch serviert wird. Das Essen sei schmackhaft und abwechslungsreich, wenngleich Sylvia Riedel "in ihrem Alter nicht mehr so großen Hunger verspürt". Obst und Gemüse bilden da eine Ausnahme.
Besonders liebt die Seniorin den wunderschönen Garten hinter dem Haus. Alles in allem fühle sie sich geborgen. Das trage maßgeblich zur inneren Ruhe bei, betont Sylvia Riedel und will auch in Zukunft Kraft aus ihrem Glauben schöpfen und den Optimismus nicht verlieren.