Zittau
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Ans Aufhören denkt er nicht

Siegmar Hübner wird heute 75. Der Zittauer Lehrer leitet seit 40 Jahren das Dorfensemble Bertsdorf und auch den Lückendorfer Heimatchor.

Von Elke Schmidt
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Siegmar Hübner mit der Chronik des Bertsdorfer Dorfensembles. Er ist sich sicher, dass diese Chronik auch in Zukunft fortgeschrieben werden kann.
Siegmar Hübner mit der Chronik des Bertsdorfer Dorfensembles. Er ist sich sicher, dass diese Chronik auch in Zukunft fortgeschrieben werden kann. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Schon bei seiner Geburt lässt sich Siegmar Hübner nicht aufhalten. Als es so weit ist, macht sich sein Vater, wie damals durchaus üblich, mit dem Fahrrad auf den Weg zur Hebamme. Die wohnt schließlich nur über den Berg im benachbarten Hörnitz. Doch draußen tobt ein Schneesturm. So kommt es, dass sie beim Rückweg über den Fuchsberg ihre Instrumententasche verlieren. Die Suche danach dauert so lange, dass der kleine Siegmar bereits da ist, als sie endlich bei den Hübners ankommen.

Diesen Tatendrang hat sich Siegmar Hübner bis heute erhalten. Er geht in seinem Heimatort Bertsdorf zur Schule und dann in Zittau auf die Oberschule, lernt anschließend Maschinenschlosser, kann aber aufgrund einer Krankheit seinen Beruf schon nach ein paar Monaten nicht mehr ausüben. Statt aufzugeben, sattelt er um und wird Lehrer. Das sollte sich im Nachhinein als Glücksfall erweisen, denn das sei er mit Leib und Seele, sagt er. Zusätzlich zu Mathe/Geografie hängt er ein weiteres Studium an und wird Musiklehrer. Das unterrichtet er an der Bertsdorfer Grundschule, deren Leiter er gleichzeitig ist sowie an verschiedenen Zittauer Schulen. Sogar jetzt als Rentner unterrichtet er noch, sagt er.

Rückkehr in die Heimat

Doch der Beruf ist nur die eine Seite. Das Leben hat Siegmar Hübner noch sehr viel mehr zu bieten. Mit 19 tritt er als Sänger dem Dorfensemble Bertsdorf bei. Das ist schon damals eine hoch angesehene Institution, die regelmäßig Preise einheimst und auch etliche Fernsehauftritte hat. Dessen Gründer und damaliger Leiter Helmut Wenzel nimmt ihn Silvester 1964 beiseite und sagt ihm: „Wenn ich einmal aufhöre, musst du es machen.“ Eine Woche später hat Siegmar Hübner dort seine erste Probe. Selbst beim Studium in Dresden fährt er ganz selbstverständlich zu jeder Probe. Erst als er nach Mecklenburg-Vorpommern planversetzt wird, ist es damit erstmal vorbei. Der Weg ist dann doch zu weit. Aus den geplanten zwei Jahren werden zehn.

Die Sehnsucht nach der Heimat bleibt. 1981 kommt er zurück. Helmut Wenzel geht in den Ruhestand und ruft ihn zurück. Er soll die Leitung übernehmen. Siegmar Hübner ist inzwischen verheiratet. Seine Frau ist ebenfalls Lehrerin und findet Arbeit an der 5. Polytechnischen Oberschule (Weinauschule). So steht der Heimkehr nichts im Wege und er kann das Dorfensemble Bertsdorf übernehmen. Das ist am 1. Oktober dieses Jahres 40 Jahre her. In dieser Zeit hat das Ensemble viel erlebt. Erstmal lief alles sehr gut, doch dann kam die Wende. Da habe er bei den Proben statt vor 40 Mitgliedern gerade mal noch vor zweien gestanden, erinnert sich der Leiter. Alle anderen waren der Arbeit wegen weggezogen.

Mit Engagement durch die Coronakrise

Doch auch das war für ihn kein Grund zum Aufgeben. Wo immer es ging, machte er Werbung für seinen Verein. Als Lehrer konnte und kann er immer wieder junge Menschen überzeugen. Die Mitglieder sind sehr engagiert und bringen sich teils gegenseitig das Spielen der Instrumente bei. Man braucht also nur Interesse an Musik, um mitmachen zu können. Die Arrangements schreibt er selber und spart so enorm viel Geld, das sie an anderer Stelle einsetzen können. Die Mitglieder seien sehr engagiert, sagt er. Sie wollen unbedingt wieder auftreten und überbrücken die coronabedingten Zwangspausen auf ihre Art. Die jungen Mitglieder haben eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet, auf der sie sich gegenseitig ihre Übungsstücke zuschicken und auch sonst Kontakt halten.

Zum ersten Advent las zum Beispiel eine von ihnen Adventsgeschichten vor. All das lässt Siegmar Hübner hoffen, dass „sein“ Ensemble noch lange bestehen bleiben wird. Sein Motto sei sowieso „Immer optimistisch bleiben“, sagt er und sieht aus diesem Grund auch eine gute Zukunft für die Oberlausitzer Mundart. Die kommt bei Auftritten im Bertsdorfer Dorfensemble ebenfalls zu ihrem Recht. Daher weiß Siegmar Hübner, dass auch heute noch großes Interesse daran besteht. Das gelte übrigens auch für den Lückendorfer Heimatchor, seine zweite große musikalische Liebe, sagt er. Und weil das so ist, denkt er noch lange nicht ans Aufhören, selbst wenn er heute am Nikolaustag 75 Jahre alt wird. Das alles sei jedoch nicht möglich ohne die Unterstützung seiner Familie, sagt er. Besonders dankbar ist er dabei seiner ersten großen Liebe – seiner Frau Heidrun. Sie sei bewundernswert tolerant. Nicht jede Frau würde es schließlich mitmachen, wenn ihr Mann jahrzehntelang zweimal die Woche abends zu irgendwelchen Proben verschwindet, ist er sich sicher. Sie habe daher einen wichtigen Anteil an all seinen Erfolgen.