Jeden Morgen macht Klaus Möse seine Runde durch die Stellagen: Geht sorgfältig Reihe für Reihe entlang, mustert die Früchte, kontrolliert die Bewässerung, reinigt verstopfte Tröpfer, zupft Stängel vom Weidenröschen aus, das wer weiß wie in das Bodensubstrat gelangt ist und den Erdbeeren wertvolle Nährstoffe nimmt. Hier in den Stellagen im Zittauer Ortsteil Eichgraben wachsen auf einem reichlichen halben Hektar Rendezvous, Harmonie, Florentina, Bravura und wie sie alle heißen in pflückerfreundlicher Höhe unterm Foliedach. "Das ist die Zukunft", sagt Klaus Möse, "wer will sich denn heute noch bücken." Aber hat sein kleiner Obstbau-Betrieb überhaupt eine Zukunft?
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Klaus Möse blickt nachdenklich. Nächstes Jahr wird er 70. "Dann ist definitiv Schluss für meine Frau und mich", sagt er. "Wir hoffen aber sehr, dass wir einen Nachfolger finden." Noch hat er niemanden gefunden, der die Beerenobst-Gärtnerei in Eichgraben übernehmen will. Er selbst führt den traditionsreichen Familienbetrieb seit über 30 Jahren, vor ihm hat ihn sein Vater geführt.
Aber die Bedingungen werden schlechter, weiß Klaus Möse. Seine Tochter, die eigentlich schon als Nachfolgerin bereitgestanden hatte, wird die Gärtnerei nun doch nicht übernehmen, erzählt er. Zu ungewiss das Ganze: Die Erdbeerpflanzen um 15 Prozent im Einkaufspreis gestiegen, das Substrat um 20 bis 30 Prozent, die Düngemittel um knapp 50 Prozent. Die Mindestlöhne für die Erntehelfer steigen stetig. Die EU erlässt immer neue Verordnungen. Auch polnische Erntehelfer, die sich noch bücken, werden rar. Wo wird denn das noch hinführen?
Die Anbaufläche für seine Freilanderdbeeren in Eichgraben hat Klaus Möse inzwischen von ursprünglich fünf auf zwei Hektar reduziert. Es kommen ja auch immer weniger Kunden zum Selberpflücken, muss er feststellen. Normalerweise wären die Selbstpflücker in diesen Tagen schon da, sagt Klaus Möse. In diesem späten Frühjahr aber ist alles verspätet:
Erst war es zu lange zu kalt, jetzt zu lange zu trocken. Da sind die Erdbeeren nicht so schnell gewachsen und gereift. Möses mussten auch im Freiland beregnen. Je nachdem, wie schnell es jetzt wieder warm wird, schätzt Klaus Möse den Erntebeginn im Freiland auf Ende nächster Woche. "Allerfrühestens ab 15. Juni können die Selbstpflücker kommen", sagt er.
Erntebeginn in Löbau voraussichtlich am Wochenende
Auf den Erdbeerfeldern am Stadtrand von Löbau, die ein paar Höhenmeter höher und klimatisch günstiger liegen als die Flächen in Eichgraben, soll die Ernte schon an diesem Wochenende losgehen. Obst- und Gemüsegärtner Jörg Fröhlich baut Erdbeeren verschiedener Sorten auf einer Fläche von 1,5 Hektar an. Mit einer weithin sichtbaren Tafel, die er wie in jedem Frühsommer über das Hoftor der Gärtnerei an der Ortsausfahrt Richtung Neusalza-Spremberg hängen wird, wird er zum zum Selberpflücken einladen.
Bis dahin müssen er und seine sechs Mitarbeiter jäten, jäten, jäten. Wir kommen gar nicht mehr hinterher mit dem Unkraut, sagt der Gärtnermeister. Jörg Fröhlich und Klaus Möse sind die Einzigen im gesamten Rum Löbau-Zittau, die noch in größerem Umfang Erdbeeren anbauen und auch zum Selberpflücken einladen.
Ein gutes Geschäft ist mit dem Obstanbau schon lange nicht mehr zu machen. "Eigentlich lohnt es sich überhaupt nicht mehr", sagt Jörg Fröhlich. In vierter Generation führt er den Familienbetrieb, den sein Uropa 1910 gegründet hat, baut heimisches Gemüse und Gartenkräuter in vielen Arten und Sorten und für alle Jahreszeiten an. "Kaufen, wo es wächst", ist sein Motto.
Aber die frischen, heimischen Produkte finden immer weniger Käufer. Fröhlich liefert an Hofläden, Gaststätten und kleinere Händler. Die aber werden immer weniger, sagt er. Und die Kunden werden sparsamer, greifen oft lieber nach den viel günstigeren Angeboten in den Supermärkten. Mit den Preisen der Massenproduzenten aus Spanien oder den Niederlanden können die hiesigen Produzenten nicht mithalten.
Unser Pfund sind die gute Qualität und die Erntefrische, sagt Jörg Fröhlich. Von den Verkaufserlösen müssen er und seine Mitarbeiter aber auch leben können. Was ihre Erdbeeren in diesem Jahr kosten werden, das können weder Klaus Möse, noch Jörg Fröhlich bisher schon sagen. Die Preiskalkulation fällt schwer in diesem Jahr, sagen die beiden Gärtnermeister unisono. Aber die Qualität und der Geschmack der erntefrischen Früchte vom Feld, auch darin sind sie sich einig, die wird in diesem Frühjahr nicht zu toppen sein.