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Corona-Dienst im Krankenhaus

Oberfeldwebel Robert Staatz war als Sanitätssoldat schon in Mali und in Afghanistan. Nirgendwo aber war der 35-Jährige dem Tod näher als in Zittau.

Von Jana Ulbrich
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Noch schnell einen Kaffee, bevor es wieder zum Dienst geht: Oberfeldwebel Robert Staatz ist seit drei Monaten als Sanitäter auf der Corona-Station im Zittauer Krankenhaus im Einsatz.
Noch schnell einen Kaffee, bevor es wieder zum Dienst geht: Oberfeldwebel Robert Staatz ist seit drei Monaten als Sanitäter auf der Corona-Station im Zittauer Krankenhaus im Einsatz. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Es sind diese Minuten, die Robert Staatz nie vergessen wird, es sind diese Szene und dieses Gesicht, die sich ihm für immer in seine Erinnerungen brennen. Es ist der Moment, als an seiner Hand ein Leben erlischt, als Robert Staatz zusieht, wie die Seele eines Patienten verschwindet. "Es ist ganz schnell gegangen", wird er später sagen, "ich habe es erst gar nicht verstanden."

Zum ersten Mal in seinem Leben hält Robert Staatz in diesem Moment die Hand eines sterbenden Menschen. "Das ist eine sehr bewegende Erfahrung für mich gewesen", sagt der Oberfeldwebel der Bundeswehr. Sagt ein hartgesottener Soldat.

Robert Staatz, 35 Jahre alt, sitzt am Tisch im leeren Frühstücksraum des Trixi-Park-Hotels. Er hat sich noch schnell einen Kaffee geholt. In einer Viertelstunde geht's wieder zum Dienst. Seit über zehn Jahren ist Staatz Sanitätssoldat bei der Bundeswehr, war als Notfallsanitäter in Mali und Afghanistan. Aber nirgendwo, sagt er, sei er dem Tod so nah und so oft begegnet wie bei diesem Einsatz in Zittau.

Bundeswehrsoldat Robert Staatz in seiner aktuellen Dienstkleidung im Klinikum Oberlausitzer Bergland.
Bundeswehrsoldat Robert Staatz in seiner aktuellen Dienstkleidung im Klinikum Oberlausitzer Bergland. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Der Oberfeldwebel, stationiert in Berlin, gehört zu den Soldatinnen und Soldaten des Bundeswehr-Sanitätsdienstes, die zu einem zivilen Amtshilfeeinsatz in die Krankenhäuser im Kreis Görlitz abkommandiert sind. Seit drei Monaten tauscht er nun jeden Tag seine Uniform mit dem blauen Klinik-Kittel. Sein Einsatzort ist die Corona-Station 4 im Zittauer Krankenhaus.

"Das hier ist was ganz anderes", sagt er nachdenklich. Bei der Bundeswehr übt er, Kranke und Verletzte zu bergen, in der Realität anwenden musste er sein Wissen und Können bisher aber auch während der Auslandseinsätze nur selten. Jetzt braucht er sein ganzes Können jeden Tag - und ist auch weit über sein eigentliches Aufgabenfeld als Notfallsanitäters gefordert: Bis zu 30 Patienten sind auf Station 4 jeden Tag zu versorgen - sehr besondere Patienten: "Sie sind so schwerstkrank, das konnte ich mir bisher kaum vorstellen", sagt er.

Als ausgebildeter Notfallsanitäter ist Robert Staatz den Pflegekräften eine große Hilfe bei der anstrengenden medizinischen Versorgung der Corona-Patienten. Weil die Arbeit körperlich schwer ist, aber auch, weil die Ansteckungsgefahr trotz aller aufwendiger Schutzmaßnahmen sehr hoch ist und Klinikpersonal über die Maßen ausfällt. Robert Staatz hat es vor Weihnachten selbst erwischt. "Ich hab's noch ziemlich gut abgeschmettert", erzählt er, "aber zwei Wochen lang überhaupt nichts geschmeckt und gerochen."

Inzwischen seien auf der Station zu zwei Dritteln alle durch, sagt er, aber immer noch würden Mitarbeiter ausfallen. "Erst gestern der Kamerad, der mich nach der Spätschicht ablösen sollte. Er hat sich krank gefühlt, wir haben einen Schnelltest gemacht: positiv!" Jetzt ist der betroffene Soldat erst mal in seiner Unterkunft isoliert.

Im Frühstücksraum des Trixi-Park-Hotels trinkt Robert Staatz einen Schluck aus der Espresso-Tasse. Durch die verglaste Südfront fällt sein Blick auf die Lausche. "Soll schön sein dort oben, hab ich gehört." Er hat es noch nicht geschafft, mal hinaufzusteigen. "Nach so einer Schicht ist man total kaputt", erklärt er fast entschuldigend, "da will man nur noch unter die Dusche und auf die Couch - oder gleich ins Bett."

Die Soldaten werden vorrangig zu Spät- und Nachtdiensten eingeteilt. Die Dienste sind anstrengend. "20.000 Schritte kommen locker zusammen in einer Schicht", sagt Staatz, "da will man nach dem Dienst eigentlich nur noch seine Ruhe." Er gehört zur Truppe, die im Trixi-Park untergebracht ist. Die Soldaten wohnen alle getrennt in den Ferienhäusern und treffen sich auch sonst untereinander kaum. Die Ansteckungsgefahr soll so gering wie möglich gehalten werden.

Ein richtig gutes Gefühl

Robert Staatz trinkt den letzten Schluck Espresso und setzt im Aufstehen das blaue Barett auf. Auf geht's zum Spätdienst. Auf der Fahrt nach Zittau fragt er sich in Gedanken, was ihn heute wohl erwarten wird. Corona ist unberechenbar. "Wir haben Patienten, die sind am Abend vital noch sehr gut drauf, und am nächsten Morgen können wir ihnen auf einmal nicht mehr helfen. Das geht ganz schön an die Nieren", sagt er.

Manche Patienten liegen wochenlang. "Da baut man auch irgendwie eine Bindung auf", sagt Robert Staatz. Er versuche es immer mit Lockerheit und Humor. So könne man den Patienten auch die Angst nehmen und sie immer wieder aufmuntern: Denken Sie daran, Sie können das schaffen! "Eigentlich versuche ich immer zu lächeln", sagt der 35-Jährige, "aber unter der Maske sieht das ja keiner."

Bis zum 19. Februar werden Robert Staatz und momentan noch 40 weitere Sanitäterinnen und Sanitäter der Bundeswehr noch in den Krankenhäusern im Kreis Görlitz ihren Dienst tun - wenn nötig, auch noch länger. Es ist ein außergewöhnlicher Dienst und eine außergewöhnliche Erfahrung fürs Leben, sagt der Oberfeldwebel. Ganz anders als der Soldaten-Alltag in Berlin und die Einsätze in Mali und Afghanistan.

"Wir merken, dass wir hier wirklich gebraucht werden und helfen können. Das ist ein gutes Gefühl", sagt er. "Und wenn wir es geschafft haben, dass ein Patient wieder nach Hause gehen kann, dann ist das ein richtig gutes Gefühl."

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