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Was hinter den Mauern des Klosters in Marienthal passiert

Die Abtei an der Neiße ist in die Schlagzeilen geraten wegen dem geplanten Verkauf uralter Dokumente. Eine Kennerin gibt nun Einblicke in den Konvent.

Von Jan Lange
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Auch wenn das Kloster St. Marienthal von vielen Gästen besucht wird, was hinter den Mauern im Konvent passiert, bleibt in der Regel verborgen.
Auch wenn das Kloster St. Marienthal von vielen Gästen besucht wird, was hinter den Mauern im Konvent passiert, bleibt in der Regel verborgen. © Foto: Kloster St. Marienthal

Die Schwestern vom Kloster St. Marienthal leben abgeschieden in ihrer Klausur, Internes dringt nicht nach außen. Im Frühjahr gerieten sie bundesweit in die Schlagzeilen, weil der Marienthaler Psalter und andere Handschriften verkauft werden sollten. Der geplante Verkauf auf der Kunstmesse in Maastricht wurde zwar gestoppt, doch die Diskussion um das Kloster dauert an - wegen dessen finanzieller Situation.

Dabei fällt immer wieder der Name von Äbtissin Elisabeth Vaterodt, die seit 2016 dem Kloster vorsteht und zuvor schon viele Jahre Cellerarin und damit für die wirtschaftlichen Belange des Klosters verantwortlich, sowie Priorin, Stellvertreterin der Äbtissin, war. In den Funktionen leitete sie den Verkauf des Klosterwaldes 2010 in die Wege. Die damalige Entscheidung wurde ebenfalls wegen finanzieller Probleme getroffen.

Was wussten die Schwestern über den Waldverkauf?

Aus dem Umfeld des Klosters kommt der Vorwurf, dass viele Schwestern bis kurz vor dem Verkauf nichts von dem Vorhaben wussten, und am Ende nur zustimmen konnten. Ähnlich sei es beim geplanten Verkauf der wertvollen Handschriften gewesen. Eine Kennerin der Marienthaler Nonnen, die interne Einblicke hat, klärt auf: "Ein Kloster nach benediktinischer Tradition ist hierarchisch organisiert, nicht demokratisch." Das sei wichtig, damit es in der Gemeinschaft nicht zu unnötigen Reibereien kommt.

"Marienthal war bereits ein sehr überalterter Konvent", so die Klostervertraute, die lieber ungenannt bleiben will. Und sie fügt hinzu: "Die überwiegende Anzahl der Schwestern war mit den wirtschaftlichen Besonderheiten der Bundesrepublik nicht vertraut." Da die meisten Schwestern zwischen 1947 und 1973 eingetreten waren, gab es mittlerweile Regierungswechsel und Währungsreformen. "Den tatsächlichen Wert einer Summe X kannten sie de facto nicht, da sie lange nichts damit zu tun hatten."

Die meisten Schwestern hatten - ihrer klösterlichen Prägung geschuldet - kein tieferes Interesse daran, aktiv in die Überlegungen einzugreifen. Dazu sei ja ihrer Ansicht nach die Klosterleitung da.

Damals drängten die Äbte einiger Zisterzienserklöster, die Marienthal verbunden waren, darauf, das Kloster langfristig finanziell abzusichern und den Schwestern eine Altersgrundlage zu schaffen. Da dieses Ziel durch Einnahmen im laufenden Betrieb nicht zu erreichen war, kam der Waldverkauf ins Spiel, erklärt die Klosterkennerin.

Es habe auch Gegenwind gegeben, aber konstruktive Vorschläge der Protestler, was man stattdessen tun könne, seien weder vor- noch hinterher gemacht worden. "Auch Außenstehende, deren Stimmen teilweise sehr laut zu hören waren, hätten Konzepte zur Rettung des Klosters vorlegen können. Das ist nicht geschehen."

Schwester Elisabeth die "Alleinschuld" für den Waldverkauf zu geben, sei unfair, findet die Klosterkennerin. Denn sie war nur Cellerarin. Die letztendliche Entscheidung oblag der damaligen Äbtissin Regina Wollmann. "Dass dieses Konzept nicht aufging, ist in höchstem Maß bedauerlich, in gewisser Weise aber den Umständen geschuldet." Sie spielt damit auf die Flut 2010 an, durch die Schäden in Höhe von 18 Millionen Euro entstanden sind. Allein der Eigenanteil für deren Beseitigung hat sämtliche finanzielle Ressourcen des Klosters vernichtet. Und auch die Einnahmen aus dem Waldverkauf.

Einerseits werde von Marienthal verlangt, selbst für seinen Erhalt zu sorgen, ohne dafür öffentlichen Gelder zu beanspruchen. Andererseits werde Marienthal beschimpft, wenn es genau das nach seinen Möglichkeiten tut.

Darf eine Äbtissin auch Cellerarin sein?

Als in Marienthal noch mehr Schwestern lebten, waren die einzelnen Ämter auf vielen Schultern verteilt. Schwester Elisabeth war später Priorin und Cellerarin in einer Person, auch als Äbtissin ist sie weiter Cellerarin. Ist diese Ämterhäufung gut fürs Kloster?

In der Regel Benedikts heißt es, dass der Cellerar keine andere Aufgabe im Kloster haben sollte, weil es so zeitraubend ist, sich um die Wirtschaft eines Klosters zu kümmern und genügend Raum für die geistliche Entwicklung bleiben muss. Auch sollte der Cellerar nicht gleichzeitig Abt sein. In Marienthal sei das wegen der Größe des Konvents nicht zu leisten, meint die Klostervertraute. "Da auf die Regel zu pochen, bringt absolut nichts."

War Schwester Elisabeth nicht die Richtige, um die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Klosters zu verantworten? Die Klostervertraute hat darauf eine klare Antwort: "Es war keine andere Schwester da, die es hätte machen können. Expertinnen in Betriebswirtschaft gab es im Konvent nicht."

Warum wurde Schwester Elisabeth Äbtissin?

Außenstehende sehen im Amt der Äbtissin die ultimative Karrierestufe im Kloster. Doch es bedeutet auch, 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche für alles und jeden erreichbar zu sein. Deshalb ist die Klostervertraute überzeugt, dass niemand gern Äbtissin werden möchte - auch Schwester Elisabeth nicht. Man habe keine Privatsphäre mehr. Schwester Elisabeth nahm es an, weil sie wusste, dass de facto keine andere dafür geeignet war. Die meisten Schwestern waren über 75 Jahre und nicht mehr wählbar.

Ist Schwester Elisabeth eine gute Äbtissin?

Personen aus dem näheren Umfeld von Marienthal wettern hin und wieder fürchterlich über Schwester Elisabeth. Auch Schwestern beklagen sich schon mal über den harschen Umgangston im Konvent. Schwester Elisabeth könne sehr bestimmt auftreten, wenn die Situation es erfordert, meint die Klostervertraute. Die Äbtissin sei aber von Natur aus sanftmütig und tief geistig geprägt. So habe sie es sich nicht nehmen lassen, neben ihren vielen Aufgaben, auch um die Alten zu kümmern, weiß die Vertraute. "Das war für sie eine Art Ausgleich zu all dem Weltlichen, mit dem sie sich beschäftigen musste."

Bei der Kritik Außenstehender spiele aus ihrer Sicht persönliche Enttäuschung eine Rolle. "Nimmt man die Emotionen heraus und beleuchtet die Sachverhalte nüchtern, bleibt in den seltensten Fällen irgendwas an Substanz übrig." Schwester Elisabeth sei vor allem eines: ein Mensch. Menschen machen Fehler. Auch die Mutter Oberin hätte rückblickend vermutlich einiges anders gemacht, ist die Vertraute überzeugt.

Warum zieht der Konvent nicht in ein kleineres Kloster?

So mancher Schwester wäre es lieber, sagen zu können: „Wir verkaufen Marienthal, ziehen in ein kleineres Haus und konzentrieren uns dort auf unser geistliches Leben.“ Der ein oder andere Konvent hatte damit Erfolg - so wie die Schwestern der Abtei Maria Frieden, die ihr zu groß gewordenes Kloster gegen das kleinere in Kall-Steinfeld tauschten. Zwischenzeitlich überlegten sie auch, nach Marienthal zu kommen.

"Das Wichtigste an Marienthal ist der Konvent, nicht das Gebäude", steht für die Vertraute fest. Der Orden selbst habe vor langer Zeit aufgegeben, historisch wertvolle Klöster um jeden Preis retten zu wollen, weil es nicht mehr zu leisten ist. Marienthal einfach aufzugeben, sei für die Schwestern keine Option. Es hänge einiges an Arbeitsplätzen und Attraktivität für die Region daran. Ohne aktives geistliches Leben ist Marienthal nichts weiter als ein hübsches Gebäude, meint die Klostervertraute.