Wie Perlen an einer Schnur reihten sich einstmals im Zittauer/Lausitzer Gebirge beiderseits des Kamms Bauden und andere Rastmöglichkeiten für müde Wanderer aneinander. Leider wurden viele von ihnen – insbesondere zu Ende des Zweiten Weltkrieges – Opfer unsinniger Zerstörung. Meist setzte ihnen jemand den „roten Hahn“ aufs Dach, sodass sie in Schutt und Asche versanken. Dieses traurige Schicksal ereilte am 8. Januar 1946 auch die Baude auf der Lausche – dem mit 792,6 Metern über NN höchsten deutschen Gipfel östlich der Elbe.
Die Geschichte des Gasthauses begann genau vor 200 Jahren, als der Schuhmacher und Krämer Carl Friedrich Matthes aus Waltersdorf am 31. Juli 1824 endlich die ersehnte offizielle Schank-Konzession erhielt.
Sein Traum von einem gemütlichen Lokal dort oben war allerdings schon viel älter. Und er besaß die Ausdauer, ihn zu verwirklichen. So legte er 1805 einen Wanderweg zum Gipfel an und schuf dort einen Rastplatz. Zuvor hatte es nur einen steilen Pfad am Osthang gegeben. 1823 entstand das erste einfache Holzhäuschen, das Matthes bald durch einen Pavillon ergänzte. Die Wasserversorgung wurde durch den 1823 in Stein gefassten Lauscheborn gesichert, einer Quelle am mittleren Nordhang. Um den in seiner Hütte verschnaufenden Wanderern Speis und Trank bieten zu können, musste der rührige Händler alles mit zwei Eseln aus Waltersdorf den Berg hinaufbringen.
Die mitten über den Gipfel verlaufende deutsch-österreichische Staatsgrenze erwies sich als weitere Schwierigkeit. Doch die Behörden wurden sich einig, Matthes erhielt die erforderliche Lizenz. Mit einem Inserat in den „Privilegierten Zittauischen Nachrichten“ empfahl er allen Naturfreunden, den Lauschegipfel zu besuchen, insbesondere die Sonnenunter- sowie -aufgänge zu erleben und die herrliche Aussicht zu genießen.
Die Besucherzahlen wuchsen spürbar an. 1825 baute der Betreiber eine Kegelbahn und 1830 einen Aussichtsturm, der 1833 erweitert wurde. Der Blick von dieser kleinen Plattform wurde später vielfach mit dem von der Schneekoppe gleichgesetzt. Zeitzeugen berichteten von lustigem Treiben mit Harfnerinnen, Drehorgelspielern und Tänzen zum Geigenspiel. Glaswaren verkaufte Ignaz Krische aus Steinschönau (Kamenický Šenov).
Im Jahre 1851 wurde auf der böhmischen Seite eine neue Straße gebaut. Anlass dafür war der Besuch des österreichischen Kaisers Ferdinand I., genannt „der Gütige“, in der Gegend. Da dieser Südzugang bequemer war als der nördliche, wählte ihn später nicht nur Sachsens König Friedrich August II., sondern hier entlang kamen auch die Eselgespanne, die das Wasser für die Baude vom Lauschebrunnen holten.
Die hohen Besucherzahlen erforderten schließlich den Bau eines geräumigeren Gebäudes. Diese neue Lauschebaude wurde 1882 vollendet. Sie war mit Unterstützung der Vereine und Einwohner von sächsischer Seite erbaut worden und galt bald als eine in der weiten Umgebung bekannte Kuriosität, denn in der Mitte ragte aus dem Dach ein zehn Meter hoher Aussichtsturm heraus.
Ähnlich den Bauden auf dem Südgipfel des Hochwalds führte mitten durch den Hausflur die Staatsgrenze zwischen dem Königreich Sachsen und dem Kaisertum Österreich. Hier konnte in beiden gängigen Währungen bezahlt werden, je nachdem, ob man im Sächsischen Gastzimmer (dort gab es Zittauer Bier) oder im Böhmischen Stüberl eingekehrt war, wo man Bier aus Zwickau in Böhmen ausschenkte. Nur beim Versenden von Postkarten musste man aufpassen und sie in den richtigen Postkasten werfen.
Bereits 1878 hatte Alwin Weickert die Baude übernommen. Sein Name ist fast Legende. Weickerts Initialen „AW“ sind im Türstock-Schlussstein eines Waltersdorfer Umgebindehauses an der Auffahrt zur Lausche verewigt, wo er wohnte. Hier befand sich auch der Stall für die Esel, die jeden Tag in der „Butte“, dem Wasserwagen, das Wasser vom Lauscheborn auf halber Höhe zum Gipfel brachten und in Satteltaschen die Gaumenfreuden für die Baude transportierten. 1925 übergab Weickert die Bewirtschaftung seiner Tochter Alma Goldberg aus Warnsdorf.
Auch nach dem Ersten Weltkrieg war die Einkehrstätte gut besucht. Die letzte Besitzerin führte die Restauration trotz bewegter Zeiten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges weiter. Dann wurde die Grenze gesperrt, der touristische Betrieb auf der Lausche kam zum Erliegen.
Schließlich kam jener schicksalsschwere 8. Januar 1946: Die Baude ging in Flammen auf, wahrscheinlich absichtlich angezündet, das Haus brannte bis auf die Grundmauern nieder. Später gab es zwar einige Pläne zum Bau einer neuen Baude, keiner von ihnen wurde aber realisiert. Es blieben nur ein paar Bänke auf dem Gipfel, ein kleiner Sendemast auf der deutschen Seite und eine schöne Aussichtsterrasse, umgeben von einer Steinmauer mit Orientierungstafeln auf den Fundamenten der ehemaligen Bergbaude.
Erst im Jahr 2008 begann die Gemeinde Großschönau (Waltersdorf war 2003 Ortsteil geworden) mit der Verschönerung des Gipfels. Als schon kaum noch jemand daran glaubte, waren die Bemühungen, wenigstens einen Turm zu errichten, tatsächlich erfolgreich: 2018 wurde der bestehende Sendemast umgebaut und im Sommer 2020 durch eine Stahlkonstruktion mit einer Treppe und einer überdachten Aussichtsplattform in einer Höhe von acht Metern über dem Boden komplettiert. Das Bauwerk wurde von der Zittauer Firma Kratzer Metallbau nach einem Entwurf von Ralf Reimann aus Bautzen und dem Zittauer Ingenieurbüro Bau Planung Risch errichtet. Am Freitag, dem 21. August 2020, wurde die frei zugängliche Aussichtsplattform offiziell für die Öffentlichkeit eröffnet – ein im wahrsten Sinne des Wortes erhebender Moment.
◾ Die Gemeinde Großschönau würdigt das Jubiläum mit einer Sonderausstellung im Volkskunde- und Mühlenmuseum Waltersdorf, die am 10. August, 14 Uhr, eröffnet wird. „Die Lausche im Wandel der letzten 200 Jahre“, so der Titel der Sonderausstellung, kann zu den Museumsöffnungszeiten besucht werden.