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SZ + Zittau

Ein Waltersdorfer in Amerika - vom Zittauer Gebirge auf die Pisten der Rocky Mountains

Etliche Menschen aus der Region Löbau-Zittau hat es ins Ausland gezogen, wo sie teils ungewöhnliche Lebenswege gehen. Die SZ hat einige aufgespürt. Christian Otto aus Waltersdorf lebt in den USA.

Von Andrea Thomas
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Christian Otto mit Freundin Jen beim Klettern in der Nähe von Las Vegas/Nevada.
Christian Otto mit Freundin Jen beim Klettern in der Nähe von Las Vegas/Nevada. © privat

Mit dem Versprechen „Greatest snow on earth“ bewirbt Utah seine Top-Skigebiete in den Rocky Mountains. Wintersportfreaks träumen davon, einmal im Leben den „Champagne Powder“ zu genießen. Ihm wird nachgesagt, er würde beim Einatmen leicht in der Nase kribbeln wie das edle Getränk, nachdem er benannt ist. Obwohl dieses Vergnügen für Christian Otto längst zum Alltag gehört, schwärmt er noch immer von der anderen Dimension des Skifahrens: „Es ist wirklich der mit Abstand tiefste, kälteste und pulvrigste Schnee, den ich jemals erlebt habe. So fluffig, dass sich die Leichtigkeit auf das Skifahren überträgt.“

Seit fünf Jahren lebt der Oberlausitzer in Park City inmitten des größten zusammenhängenden Skigebietes der USA. Doch der Weg dorthin erforderte viel Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen.

Ein Leben ohne Skifahren ist für den Waltersdorfer undenkbar. Regelmäßiges Training im Bertsdorfer SV wurde schon frühzeitig mit vorderen Plätzen in Langlaufwettbewerben belohnt. Mit 14 Jahren ging das Talent an die Eliteschule des Wintersports nach Oberwiesenthal, um dort seinem Traum, bei internationalen Wettkämpfen ganz vorn mitzumischen, näherzukommen. Hartes Training bestimmte von nun an das Leben des Jugendlichen. Ihm wurde eingetrichtert, dass nur das Ziel, der Beste zu sein, zähle. Nichts anderes gab es mehr außer Ski, Schule, Essen und Schlafen. Hier kämpfte jeder für sich allein, wurde zum Konkurrenten des anderen. Im Leistungssport war wenig Platz für Spaß und tiefgründige Freundschaften. Die Isolation auf der Sportschule war eine Herausforderung, Heimweh wurde totgeschwiegen.

Sportlich unterwegs in Amerika

Christian Otto in Utah.
Christian Otto in Utah. © privat
Christian Otto beim Skifahren mit seiner Freundin.
Christian Otto beim Skifahren mit seiner Freundin. © privat
Beim Mountainbiken in der Wüste von New Mexico.
Beim Mountainbiken in der Wüste von New Mexico. © privat
Christian Otto mit seinen Eltern auf dem Mt. Elbert, dem mit 4.401 Meter höchstem Berg in Colorado.
Christian Otto mit seinen Eltern auf dem Mt. Elbert, dem mit 4.401 Meter höchstem Berg in Colorado. © privat

Aus heutiger Sicht spricht Christian Otto von extremem Leistungsdruck, Disziplinierung und Drill, wobei der Teamgedanke genauso wenig eine Rolle spielte wie die Psyche des einzelnen Sportlers. Mit dem Wechsel von der Mittelschule aufs Gymnasium wurde es für Christian noch schwieriger, den hohen sportlichen Anforderungen der Kaderschmiede gerecht zu werden. Nach vier Jahren kam plötzlich mit der knallharten Einschätzung des Trainers: „Du wirst nie ein Weltcup-Läufer“ die Ernüchterung. Er riet ihm, den Sport aufzugeben und sich stattdessen auf die Schule zu fokussieren.

„Es zog mir den Boden unter den Füßen weg“, erinnert sich Christian, der über 700 Stunden im Jahr trainiert und alles für den Sport gegeben hatte. „Umsonst!“ Was damals geschah, hat er auch nach 15 Jahren noch nicht weggesteckt. Er spricht von einer tiefen Krise, weil er sich bis dahin ausschließlich über den Sport definiert habe.

Er zog aus dem Internat der Eliteschule aus, konzentrierte sich auf das Abi und trainierte für die langen Distanzen von 30 sowie 50 Kilometer. So gewann er nicht nur an sportlicher, sondern auch mentaler Stärke und begann wieder an sich selbst zu glauben. „Vielleicht habe ich diese negative Erfahrung gebraucht, um daran zu wachsen“, zieht er sein Resümee.

Nach dem Militärdienst im Skizug beim Gebirgsjäger-Bataillon in Mittenwald bewarb er sich für ein Stipendium an der University of New Mexiko in Albuquerque, wo er neben dem Studium Skilaufen konnte. Schmunzelnd erzählt er: „Auch wenn es unvorstellbar ist, in der Wüste von New Mexiko Ski zu fahren, gab es an der Uni ein Skiteam, das hinter den Prestigesportarten Basketball oder Football natürlich eher ein Schattendasein fristete. Etwas nördlich gelegen, bei Santa Fe, fanden sich sogar gute Trainingsbedingungen.“

Leben im mondänen Wintersportort

Hier sammelte der Waltersdorfer Erfahrungen, die zu den besten seines Lebens gehören. Skifahren begriff er jetzt als Teamsport, wo nicht der Einzelne im Vordergrund stand, sondern die Mannschaft, zu der Franzosen, Finnen, Norweger, Deutsche und Amerikaner gehörten. Der Wille, gemeinsam bei nationalen Meisterschaften erfolgreich zu sein, schweißte die Studenten zusammen und ließ sie Freunde werden.

Mit Dankbarkeit erinnert sich der Sachse an eine wunderbare Zeit, in der er die Gastfreundschaft der Amerikaner schätzen lernte. Mit unerwarteter Selbstverständlichkeit wurden er und andere europäische Teamkollegen in amerikanische Familien aufgenommen. So fühlten sich Weihnachten und Neujahr fast wie zu Hause an. Niemals wäre man ihm mit Vorurteilen begegnet, hebt der Sachse hervor.

Der Student schloss sein Studium der Betriebswirtschaft/Schwerpunkt Daten Analyse mit dem Master ab. Weil der bisherige Trainer des Skiteams nach Utah ging, übernahm der Waltersdorfer dessen Stelle, bis die Mannschaft zwei Jahre später wegen Geldmangel aufgelöst werden musste. Nicht ohne Stolz verweist Christian Otto auf den Landesmeistertitel, mit dem sich „seine Jungs“ würdig verabschiedeten.

Im mondänen Wintersportort Park City, wo man den Reichtum gern mit Luxuskarossen und exklusiven Anwesen zur Schau stellt, fand er eine Anstellung als Analyst bei Backcountry.com, einem Ausstatter für Ski- und Bergsport mit Online-Vertrieb, dessen deutscher Ableger unter bergfreunde.de bekannt ist. Mehrere Jahre arbeitete er hier im Marketing-Team, wo mittels Auswertung von Statistiken Werbestrategien zur Gewinnung von Neukunden optimiert wurden. Mit großzügigen Rabatten beim Einkauf hochwertiger Waren wurden die Mitarbeiter zusätzlich belohnt. In einem schönen Appartement fühlt sich der Waltersdorfer wohl. Jede freie Minute genießt er in der einzigartigen Natur der Rocky Mountains - auf Skiern, beim Klettern, Laufen oder Radfahren.

Mit etwas Wehmut schaut er auf einen anstehenden Umzug nach Victor in Idaho. Den Ort, der nun fünf Jahre sein Lebensmittelpunkt war und wo er Freunde gewonnen hat, wird er vermissen. Doch er möchte auch die Karrierepläne seiner Freundin Jen unterstützen. Die promovierte Computerwissenschaftlerin will sich künftig am Idaho National Laboratory neuen Herausforderungen stellen.

Ihr Partner wird für das Versicherungsunternehmen, bei dem er seit zweieinhalb Jahren angestellt ist, weiter tätig sein. Bald bezieht das junge Paar ein eigenes Haus, das aber kleiner sei als seine jetzige Wohnung, wie der 35-Jährige erzählt. „Bei uns zu Hause legte man auf unnötigen Luxus keinen Wert. Viel wichtiger war ein erfüllendes Familienleben. Das hat mich geprägt“, stellt er klar.

Er hofft, dass sie sich in dem beschaulichen Ort, der nicht größer als Waltersdorf ist, wohlfühlen werden und neue Freunde finden. Mit Jackson Hole wartet ein Skigebiet von Weltklasse mit trockenem „Champagne Powder“ auf das sportbegeisterte Paar.