Politik in Zittau - mal ganz anders

Aron Michel, Alexander Hilse und August Friedrich sind in letzter Zeit häufiger aufgefallen. Öffentlich. Mit ihren Aktionen. Politischen Aktionen.
Zuletzt war das vor wenigen Wochen im Wahlkampf der Fall. Da präsentierten sie ihre Zenker-Briefkästen im Stadtgebiet. Dass sich CDU, SPD, Grüne, Linke und FDP nach Gesprächen mit dem Zittauer OB hinter seinen Kampf um die Wiederwahl am 12. Juni und damit gegen den AfD-Kontrahenten gestellt hatten, war da schon klar. Aber die drei Nachwuchspolitiker aus Zittau und Olbersdorf sind noch einen Schritt weitergegangen. Auf eine Idee von Hilse (Bündnis 90/Grüne) und einer Parteifreundin hin, haben sie mit weiteren Mitstreitern in der Stadt "Briefkästen" aufgehängt, in die Bürger Fragen an den OB stecken konnten, die später beantwortet wurden.
Die Zusammenarbeit der Drei wäre nicht außergewöhnlich, wenn auch Michel und Friedrich bei den Bündnis-Grünen wären. Sind sie aber nicht. Sie sind Mitglieder von SPD und CDU. Anders als die Fraktionen im Zittauer Stadtrat, die sich in den letzten Jahren beinahe unaufhörlich gestritten und einen Eklat nach dem anderen produziert haben, ziehen sie über Parteigrenzen hinweg an einem Strang.
Sie treffen sich in den Büros der drei Parteien und denken über die Lage und Aktionen nach. Alexander Hilse ist zum Beispiel bekannt für die Organisation der Zittauer Fridays for Future-Proteste und die Fahrraddemos für eine radfahrerfreundlichere Stadt. Weniger bekannt ist, dass SPD und CDU das laut Michel und Friedrich genau wie die Linke unterstützt haben. Auch wenn die Christdemokraten sich bei FfF ein bisschen verhaltener gezeigt hätten, wie Friedrich sagt.
Als der Krieg im Stadtrat um den Ausbau der Parkschule tobte, gründete Friedrich das Bündnis "Parkschulausbau jetzt!". Michel und Hilse waren an seiner Seite. Das Bündnis ging das Problem basisdemokratisch an, initiierte ein Bürgerbegehren und warb um Unterstützung. Am Ende stand ein Bürgerentscheid, in dem sich zwei Drittel der Zittauer für den Ausbau aussprachen. Die drei hatten ihr Ziel erreicht.
Auch bei der überparteilichen Veranstaltung von Grünen, SPD, CDU, Linken und Zkm "Mütter für den Frieden" am 8. Mai haben Michel, Hilse und Friedrich mitgemischt. 300 Deutsche und Ukrainer kamen auf den Markt und zeigten Gesicht gegen Krieg und Gewalt. Und als Friedrich Ende 2021 als Unternehmer sein Impfzentrum in der ehemaligen Zittauer Hauptpost eröffnete, haben ihn die anderen beiden Nachwuchspolitiker unterstützt.
Sind die Drei Freunde, die bewusst in unterschiedliche Parteien gegangen sind, um die politische Landschaft Zittaus aufzumischen und eine neue überparteiliche Zusammenarbeit aufzubauen? Nein, sagen sie. Und dass das wirklich stimmt, wird klar, wenn man ihnen zuhört, wie sie sich gegenseitig necken, wer oder welche Partei die besten Ideen hatte und von wem welche Aktion stammt.
Auch ihre Politisierung ist unterschiedlich zustande gekommen. Der 22-jährige Michel hat sich schon früh in der Jugend mit Politik und Parteien beschäftigt und am Todestag von Helmut Schmidt 2015 entschieden, in die SPD einzutreten. Heute ist er einer von zwei Vorsitzenden des Zittauer Ortsvereins. Hilse ist umweltbewegt. Da lag der Weg Richtung Grüne nahe. Seit wenigen Wochen ist der 21-Jährige einer der beiden Sprecher des Kreisverbandes. Friedrich hat bei einem Auslandsjahr in den USA eigenen Angaben zufolge begonnen, sich stärker mit Politik zu beschäftigen und zu vergleichen. Der 25-Jährige ist bei der Union angekommen, "weil ich wirklich mit den Werten übereinstimme." Auch er ist bereits jetzt in die Führungsriege aufgestiegen und Vize-Chef der Zittauer Christdemokraten.
Auf der anderen Seite verbindet die Drei auch eine ganze Menge. Nicht nur ihre Abneigung gegen die AfD. "Zittau ist halt eine kleine Stadt", sagen sie. Michel, Hilse und Friedrich haben das Christian-Weise-Gymnasium besucht, wenn auch in unterschiedlichen Jahrgängen und sich dort schon an Aktionen wie bei der Umweltinitiative "Plant for the Planet" oder als Schüler- und Klassensprecher engagiert. Friedrich und Hilse kennen sich aus dem Schulchor. Hilse und Michel haben sich bei dem Kampf um mehr Mitbestimmung für die Jugend in Zittau, an dem die Gymnasiasten maßgeblich beteiligt waren, kennengelernt. Der Prozess mündete erst vor drei Monaten in der Gründung eines Jugendbeirates für den Stadtrat.
Dass sie sich gut kennen, hilft bei der überparteilichen Zusammenarbeit natürlich. Alle drei betonen aber, dass sie nur die Gesichter verschiedener Netzwerke sind und in den meisten Fällen viele andere bei den Aktionen ebenfalls mitgewirkt haben.
Auch in Zukunft wollen die Drei in der Zittauer Politik mitmischen - obwohl sie alle eigentlich außerhalb der Zittauer Region Aufgaben haben. Friedrich schließt gerade ein Studium an der TU Dresden ab, Michel büffelt Jura in Leipzig und Hilse studiert in Görlitz. "Wir sind aber in der Heimat verwurzelt", sagt Michel. Und Friedrich ergänzt: "Das Schöne hier ist, dass es wie auf einer Spielwiese ist, auf der man Dinge ausprobieren und schon früh Verantwortung übernehmen kann."
Und deshalb werden sie sicher weiter öffentlich auffallen. Mit ihren Aktionen. Als Nächstes wollen sie versuchen, beim Format der Jugend-Beteiligung nachzusteuern. Mit dem Jugendbeirat des Stadtrates sind sie nicht so richtig glücklich. Ein Jugendparlament wäre ihrer Ansicht nach besser. "Das läuft im Herbst an", sagt Hilse.