Trauriges Ende am Friedhofsrand?

Ralph Bürger muss um die richtigen Worte ringen. "Ja, das ist schon sehr traurig", sagt er dann, "wirklich sehr traurig." Aber was könne er in so einem Fall denn machen? Auf dem Schreibtisch des Olbersdorfer Hauptamtsleiters liegt der Fall Udo W., alleinstehend, Mitte 50, verstorben zwischen dem 11. und 13. Januar 2022 in seiner Wohnung in der Olbersdorfer Grundbachsiedlung. Ralph Bürger muss sich um die Beerdigung kümmern. Es wird eine Beisetzung von Amts wegen. Es wird die preiswerteste Beisetzung, die es gibt auf dem städtischen Friedhof in Zittau: vollkommen anonym, an einer unbekannten Stelle, ohne alles - auch ohne Angehörige. Aber Udo W. hat doch einen Sohn im Teenager-Alter!
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Doch der Verstorbene hat kein Geld für die Beerdigung hinterlassen. Und auch seine wenigen Angehörigen können oder wollen die Kosten nicht übernehmen. Das Nachlassgericht in Zittau hat einen erwachsenen Sohn ausfindig gemacht, der im Ausland lebt. "Unseres Wissens hatte der Sohn aber keinen Kontakt zu seinem Vater und das Erbe ausgeschlagen". Dennoch müsste er als Verwandter für die Beerdigung aufkommen. "Aber was sollen wir tun, wenn er sich nicht meldet?", fragt Bürger.
Udo W. hat aber auch noch einen unehelichen Sohn aus einer anderen Beziehung. Der Junge, der in der Nähe lebt, ist im Teenager-Alter. Deshalb kann er von den Behörden nicht herangezogen werden, auch seine Mutter nicht, weil sie mit dem Verstorbenen nicht verheiratet war, so erklärt es Ralph Bürger. Ein halbes Jahr hätten Angehörige Zeit, eine Bestattung nach eigenen Wünschen und am gewünschten Ort zu veranlassen. So steht es im Sächsischen Bestattungsgesetz. Erst, wenn sich in dieser Frist niemand findet, der das tut, muss per Gesetz die Ortspolizeibehörde der Gemeinde einspringen, in der der Mensch gestorben ist.
Diese Frist für die Aufbewahrung der Urne mit der Asche von Udo W. ist abgelaufen. "Wir haben beim Zittauer Krematorium noch einmal eine Verlängerung bis zum 31. August beantragt", sagt Ralph Bürger. "Wir hoffen immer noch, dass sich bis dahin doch noch eine Lösung für eine würdigere Abschiednahme findet." Doch danach sieht es nicht aus.
Völlig anonymes Grab an unbekannter Stelle
Die Beisetzung von Amts wegen wird die preiswerteste Variante: Die Urne findet dabei nicht einmal Platz auf der Grünen Wiese des städtischen Friedhofs in Zittau, auf der Verstorbene namenlos beigesetzt werden können. Denn auch für die Pflege der Grünen Wiese müssen Angehörige einen finanziellen Beitrag für 25 Jahre Pflegezeit entrichten. Olbersdorf wählt deshalb einen noch anonymeren Weg: Die Urne mit der Asche von Udo W. soll an einer für den Friedhof anderweitig nicht nutzbaren Stelle in die Erde kommen, an der auch später keine Kosten anfallen. Damit dort auch später keine verwelkten Blumen weggeräumt werden müssen, soll niemand wissen, wo genau diese Stelle ist. Auch die Angehörigen nicht.
Ralph Bürger hebt bedauernd die Schultern: "Der gesetzliche Werdegang und die finanzielle Lage der Gemeinde lassen keinen anderen Weg zu", sagt er, "auch wenn wir das aus menschlicher Sicht sehr bedauern - wir müssen die Kosten im Auge behalten." Das müsse man bei der Gemeinde auch "ganz nüchtern" sehen. Der minderjährige Sohn und seine Mutter allerdings sehen das bei Weitem nicht so nüchtern. Sie sind entsetzt. "Für den Jungen ist das ein Drama", sagt ein langjähriger Freund der Familie. Er erzählt, wie gut sich Vater und Sohn verstanden hätten, wie oft sie Zeit miteinander verbracht hätten, wie sie die Leidenschaft für Modelleisenbahnen geteilt hätten. Auch wenn die Eltern getrennt gelebt hätten, Vater und Sohn hätten immer Kontakt gehabt.
"Der Junge hat seinen Vater geliebt. Und er möchte doch dabei sein, wenn er beerdigt wird. Er möchte doch wissen, wo das Grab ist. Er braucht doch einen Ort, an dem er trauern und seinen Vater besuchen kann", sagt der Freund. In diesem Fall müsse man doch eine Ausnahme machen, da könne man doch nicht so stur nach Gesetz handeln. "Für uns ist diese Haltung der Gemeinde absolut nicht nachvollziehbar", sagt er.
Ralph Bürger verteidigt die Entscheidung der Gemeinde dennoch: Man könne keine Ausnahmen machen, sagt er. Der Fall sei zwar besonders tragisch, aber eben auch kein Einzelfall. Rund 2.000 Euro muss die Gemeinde für diese Art Beisetzung bezahlen. Zwei bis drei solcher Fälle gebe es in Olbersdorf jedes Jahr. Die müsse man alle gleich behandeln, argumentiert der Chef der Ordnungsverwaltung.
Sozialamt kann in diesem Fall nicht einspringen
Im Fall von Udo W. kann auch das Sozialamt nicht einspringen. Das würde die Kosten übernehmen, wenn Angehörige die Beerdigung nicht bezahlen können. Aber weder der Sohn noch seine Mutter sind antragsberechtigt, erklärt Bürger, eben weil der Sohn noch minderjährig ist und die Eltern nicht verheiratet waren. So einen Antrag könnte nur der erwachsene Sohn stellen, der im Ausland lebt und eigentlich für die Beerdigung zuständig ist - der sich aber nicht meldet.
In 83 Fällen hat das Sozialamt im Landkreis Görlitz im vorigen Jahr die Kosten für eine Bestattung übernommen. Im Durchschnitt 2.170 Euro pro Fall. Natürlich müsse auch der Landkreis die Kosten im Blick haben, sagt Sprecherin Julia Bjar. Aber die Angehörigen könnten den Bestatter und den Friedhof frei wählen. "Es werden einfache, aber würdevolle Bestattung im einfachen Kostenrahmen", erklärt Julia Bjar. Als Grabstelle sei in diesem Kostenrahmen aber auch ein Reihengrab vorgesehen.
Für Udo W. wird es das wohl nicht geben, wenn die Aufbewahrungsfrist der Urne am 31. August endet und bis dahin nichts geschieht. Eine nochmalige Verlängerung der Frist, für die der Gemeinde weitere Kosten entstehen würden, werde es - ebenfalls aus Kostengründen - nicht geben, sagt Bürger. Aber vielleicht gibt es bis dahin ja doch noch eine bessere Lösung? Udo W. und seinem Sohn wäre das sehr zu wünschen.