Preisentwicklung bringt Baufirmen in Bedrängnis

Gerade hat Marco Franke eine E-Mail von seinem Asphalt-Lieferanten bekommen: Wegen der "nicht berechenbaren Entwicklung im gegenwärtigen Konfrontationszustand" kündigt der Hersteller alle Lieferverträge. Die Bau GmbH Franke könne für die Zukunft neue Verträge abschließen - allerdings zu einem höheren Preis.
Marco Franke wirft das Schreiben auf den Tisch. Irgendwie muss er seinem Unmut ja mal Luft machen. Seit 30 Jahren gibt es die Baufirma in Hainewalde, die seine Eltern 1991 als Familienbetrieb gegründet haben und die er jetzt gemeinsam mit seinem Bruder Dirk weiterführt. Die Frankes haben mittlerweile 90 Mitarbeiter. "Die brauchen Arbeit und Lohn", sagt Marco Franke. Seit Wochen hat er schlaflose Nächte deswegen.
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Frankes arbeiten vor allem im Tiefbau - und vor allem für öffentliche Auftraggeber. Letzteres aber erweist sich in Zeiten nie dagewesener Materialknappheit und täglich steigender Rohstoffpreise inzwischen als ein fatales Dilemma. Marco Franke sagt es ganz nüchtern: "Wenn das so weitergeht, können wir keine gesicherten Angebote mehr kalkulieren - und damit auch Aufträge verlieren."
Nicht nur die Asphaltpreise explodieren, auch alle anderen Rohstoffe für den Bau werden immer knapper und immer teurer. "Inzwischen gibt es Tagespreise. Da hast du als Unternehmer die Wahl: Entweder du kaufst heute, oder du wartest ab und gehst das Risiko ein, dass es morgen vielleicht noch teurer ist."
Die Firma hat gerade den Auftrag für die Bahnhofstraße in Neusalza-Spremberg bekommen - eine große Gemeinschaftsmaßnahme des Landkreises, der Gemeinde, des Abwasserzweckverbands und der Versorger. Im Januar hat Marco Franke im Görlitzer Landratsamt sein Angebot abgegeben. Da war von einem Krieg in der Ukraine noch nicht die Rede. Öffentliche Ausschreibungsverfahren dauern. In den Wochen vom Einreichungsschluss im Januar bis zum Baubeginn im Frühjahr aber ist eine Welt zusammengebrochen. Doch Angebot bleibt Angebot: Mit dem Tag der Abgabe sind alle Bedingungen geregelt. Eine veränderte Weltlage ist in der Vergabeordnung für Bauleistungen (VOB) nicht vorgesehen.
Der Bau der Bahnhofstraße in Neusalza-Spremberg ist ein Zwei-Millionen-Projekt. Wer einen öffentlichen Auftrag abbekommen will, ist gezwungen, der preiswerteste Anbieter zu sein. Nur der "Wirtschaftlichste" bekommt den Zuschlag. Marco Franke hat im Januar also auch für die Bahnhofstraße knapp kalkuliert. Er braucht ja Arbeit für seine Leute. "Mit dem Wissen vom Januar wäre die Baustelle für uns auch gut machbar gewesen", sagt der 46-Jährige. Aber jetzt? Die zwei Millionen werden bei Weitem nicht mehr reichen.
"Innerhalb der letzten zwei Monate sind die Preise noch einmal explodiert", erklärt der Geschäftsführer. "Der grundhafte Ausbau wird jetzt in Größenordnungen teurer. Und das buchstäblich mit jedem weiteren Tag. Wir können gar nicht so schnell bauen, wie die Preise weiter steigen." Franke-Bau wird auf den Mehrkosten sitzenbleiben. Eine Ausschreibung ist verbindlich, eine nachträgliche Änderung - etwa mit einer Preisgleitklausel - ist rein rechtlich nicht möglich, heißt es aus dem Landratsamt.
Vor der Corona-Pandemie hatten Frankes in Wachstum investiert, die Firma erweitert, mehr Mitarbeiter eingestellt. "Alles, was wir erwirtschaftet haben, ist wieder in den Betrieb geflossen", sagt Marco Franke. "Welches Unternehmen hat denn hier schon große Rücklagen?" Die Mehrkosten, die nicht vorhersehbar waren, finanziert Franke jetzt mit Zwischenkrediten. Er wird nachdenklich: "Das Dramatische ist ja, dass hier 90 Mitarbeiter und ihre Familien dranhängen." Und dass die Baugesellschaft Franke längst nicht die einzige Baufirma ist, die in diesem Dilemma steckt.
Als wäre das nicht alles schon schwierig genug, brechen die öffentlichen Aufträge jetzt auch noch in Größenordnungen weg. Der Freistaat hat im letzten Jahr die Fördermittel für den Straßenbau massiv zusammengekürzt und wegen der Preisentwicklung verzichten die Kommunen jetzt lieber auf Bauvorhaben, die gerade nicht zwingend notwendig sind. "Ich weiß nicht, wo das noch hinführen wird", sagt Marco Franke. "Ein Ende dieser Entwicklung ist ja überhaupt noch nicht abzusehen." Er hofft, dass die öffentlichen Auftraggeber die Baubetriebe in dieser unvorhersehbaren Situation nicht im Regen stehen lassen. "Wir hoffen sehr darauf, dass der Bund schnellstmöglich klare Vorgaben macht, wie diese Preissteigerungen geschultert werden können", sagt Marco Franke. "Es muss möglich sein, dass wir gemeinsam mit den Auftraggebern Lösungen finden."