"Die Stimmung ist mehr als düster"

Seit Anfang November sind Gaststätten und Restaurants geschlossen. Auch bei den jüngsten Beratungen der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten wurde kein konkreter Termin für die Wiedereröffnung der Gastronomie festgelegt. Die seit dreieinhalb Monaten andauernde und nun verlängerte Zwangsschließung setzt die Gastronomen und Hoteliers enorm unter Druck. Die SZ sprach darüber mit Matthias Schwarzbach, dem Leiter der Zittauer IHK-Geschäftsstelle.
Herr Schwarzbach, wie ist aktuell die Situation in der heimischen Gastronomie?
Sie kämpfen ums Überleben. Für viele Betroffene sind das Warten auf Hilfszahlungen und die Ungewissheit zermürbend. Aber, man muss gerechter Weise auch sagen, dass die staatlichen Hilfsangebote hier besser greifen als in der Handelsbranche.
Gibt es Gespräche zwischen der Kammer und Gastronomen?
Ja, bei Anfragen beraten wir zum Beispiel bei der Beantragung von Hilfsgeldern. Stärker war der Kontakt in Zeiten, als die Gaststätten unter Hygieneauflagen öffnen durften. Da gab es viele Verständnisfragen bei der Vielzahl der Rechtsverordnungen zu klären: Was darf ich, was darf ich nicht? Wie ist das konkret gemeint?
Wie steht es aktuell um die Liquidität der gastronomischen Betriebe der Region?
Wo keine Rücklagen vorhanden sind, wird es ganz eng. Die Anschlusshilfe an November- oder Dezemberhilfe lässt zu lange auf sich warten, Lücken entstehen gerade bei Unternehmen mit hohen Fixkosten. Das ist alles sehr bedrohlich.
Wie viele Betriebe aus der Region Löbau-Zittau werden nach Ihrer Einschätzung den Lockdown nicht überleben?
Auf eine fixe Zahl kann ich mich nicht festlegen. Aber die Situation ist durchaus kritisch, auch weil viele Restaurants von Familien geführt werden und die Rücklagen auf dem Konto mittlerweile schlicht weg sind. Es wird nicht ohne Geschäftsaufgaben ausgehen. Wenn der Lockdown für die Branche bis in den April und Mai dauert, wird der Anteil der Insolvenzen gravierend steigen.
Wird die befürchtete Schließung von Restaurants aus Ihrer Sicht Auswirkungen auf den Tourismus haben und wenn ja, welche?
Wir verzeichnen schon seit einigen Jahren den Rückgang von Dorfgaststätten. Sie sind für ein touristisches Rad- und Wanderangebot in der Region sehr wichtig. Ich befürchte, dass diese Form der Gastronomie durch die Corona-Pandemie weiter ausgedünnt wird.
Neben der Insolvenzwelle droht der Branche auch ein existenzieller Fachkräftemangel, einer der größten Kollateralschäden der Pandemie. Es besteht die Gefahr, dass sich Mitarbeiter einen neuen Job suchen, weil ihnen das Kurzarbeitergeld nicht ausreicht. Dazu werben andere Branchen gezielt Mitarbeiter ab. Gerade die Gastronomie ist ja ein Niedriglohnsektor. Das trifft bei uns auch gerade auf Mitarbeiter aus Tschechien zu.
Aber es gibt auch Chancen: Privatreisen werden zuerst wieder im Inland stattfinden und damit sicher auch eine neue Zielgruppe wie die westdeutschen Bundesländer erreichen. Und, ich hoffe auf den Urlaub „daheeme“.
Welche Betriebe haben die größten Chancen zum Überleben?
Händler und Gastronomen, die schon vor Corona Sorgen um ihre Existenz hatten, werden kaum eine Überlebenschance in der Post-Corona-Zeit haben. Chancen besitzen die, die bisher auf Qualität, gute Konzepte und Einmaligkeit gesetzt und über den Lockdown Kundenpflege betrieben haben. In erster Linie jedoch auch solche, die über eine zwingend notwendige Liquidität bis zum Neustart verfügen, diejenigen, die um ihre - ihnen zustehende – Entschädigung vehement gekämpft und sich nicht von den Bürokratiehürden haben beeindrucken lassen.
Wer überleben will, darf die Augen vor der Digitalisierung nicht verschließen. Um sichtbar zu werden, bieten wir am 1. März ein kostenloses Webinar für Händler und Gastronomen an. Es werden die Möglichkeiten im Online-Handel aufgezeigt.
Gastronomen beklagten sich über die schleppende Auszahlung der Staatshilfen. Wissen Sie, ob es noch Schwierigkeiten gibt?
Nach unseren Erfahrungen geht es bei perfekt erstellten und schlüssigen Anträgen relativ zügig. Die SAB berichtet in dieser Woche von der aktuellen Auszahlung der Hilfsgelder: Demnach sind bei der Novemberhilfe 95 Prozent der Abschläge und 76 Prozent abschließend bearbeitet, bei der Dezemberhilfe sind ebenfalls 95 Prozent der Abschläge und 43 Prozent abschließend bearbeitet.
Fast alle Fälle, die noch offen sind, gehen entweder zurück an die Steuerberater oder müssen sich einer speziellen Prüfung des Subventionsbetrugsverdachts unterziehen. Komplizierte Einzelfälle machen extra Schleifen und dauern länger. Aber all das ist keine Entschuldigung für verspätete Auszahlungen der Entschädigungen. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: "Es wurde eine Bazooka versprochen, aber aktuell ist es noch eine Steinschleuder ohne Stein".