Jiri Zahradnik hat's gut. Der Mitarbeiter der Zittauer IHK-Geschäftsstelle kann das Problem auf seine Art lösen. Er bleibt ab Montag einfach zu Hause. "Ich werde im Homeoffice weiterarbeiten. Technisch ist das machbar", sagt der Tscheche, der seit mehreren Jahren jeden Tag von Liberec (Reichenberg) zur Arbeit nach Zittau pendelt.
Damit spart sich Zahradnik das, was die Sächsische Corona-Verordnung von ihm und Tausenden anderen Berufspendlern aus Tschechien und Polen ab dem kommenden Montag verlangt: zweimal wöchentlich einen Corona-Test. "Alleine in unserem Kammerbezirk betrifft das rund 19.000 Menschen", sagt Zahradnik. Und nur die allerwenigsten von ihnen können sich wie er ins Homeoffice zurückziehen.
Denn die meisten Pendler arbeiten außer in den Pflegeberufen in der Produktion, sind Zeitungsausträger oder Reinigungskräfte, aber auch Lehrer und Erzieher. An den Schkola-Schulen beispielsweise kommen 21 der 150 Mitarbeiter aus Polen und Tschechien, bei einem Zittauer Postdienstleister sind es sogar elf von zwölf Kollegen.
Fleischermeister Roland Richter hat vier tschechische Mitarbeiter in der Produktion in Löbau angestellt. "Die brauche ich dringend", sagt der Chef. "Aber wie das mit dem Testen gehen soll, das kann mir niemand sagen." Seit Tagen telefoniert sich Richter die Finger wund. "Wir wissen nicht, wer das bezahlt, wir wissen nicht, wer das machen kann, wir wissen nicht wie und wo. Das muss einem doch mal jemand sagen", ärgert sich der Fleischermeister.
Vor dem Problem steht auch der Medienvertrieb Löbau-Zittau, dessen Zusteller unter anderem frühmorgens die Sächsische Zeitung austragen. "Wir haben im Raum Löbau-Zittau sieben Zusteller aus Tschechien", sagt Vertriebsmitarbeiterin Diana Friesecke. "Alleine bei einem Schnelltest für 50 Euro wären das bei wöchentlich zwei Tests dann insgesamt 400 Euro pro Mitarbeiter im Monat. "Man kann ihnen doch gar nicht zumuten, das aus eigener Tasche zu bezahlen."

"Das kommt de facto einer Grenzschließung gleich"
Die Verunsicherung ist groß. Am Mittwoch haben sich deswegen mehr als 100 Berufspendler in einem gemeinsamen offenen Brief an Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) gewandt. Initiator ist Robert Prade, der in Zittau lebt und täglich nach Liberec (Reichenberg) pendelt, wo er eine Obdachlosenunterkunft leitet.
„Es geht uns nicht nur um die finanzielle Frage, sondern vor allem auch um die Organisation und Logistik“, sagte er. "Es ist überhaupt nicht geklärt, wer, wann und wo die Tests durchführt, welche Teste gemacht werden müssen und in welcher Sprache.
Die Betroffenen erinnern in dem Brief auch daran, dass nach dem Lockdown im Frühjahr alle Politiker versichert hatten, dass es nicht mehr zu einer Grenzschließung kommen dürfe. „Die jetzt geforderten wiederholten Tests, die wir Pendler oder unsere Arbeitgeber nach jetzigem Stand auch selbst bezahlen müssen, kommen für uns de facto einer Grenzschließung gleich", sagt Prade. Viele würden nun auch den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten.
IHK wendet sich dringlich an die Staatsregierung
Auch die IHK hat sich mit einem offiziellen Statement an Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und die Sozialministerin gewandt. "Wir haben darin alle unsere Bedenken aufgelistet", sagt Jiri Zahradnik.
So seien Labore und Ärzte in der Region bereits jetzt an ihren Grenzen. "Zweimal pro Woche eine Stelle zu suchen, die einen Test vornimmt, scheint in der Praxis vor Ort illusorisch", heißt es in dem Schreiben. Man könne den Aufwand auch nicht auf die Unternehmen abwälzen.
Die Kosten, die pro Test bei 50 bis 170 Euro liegen, würden für die Unternehmen erhebliche finanzielle Mehrbelastungen bedeuten, die die Liquiditätssituation vieler Betriebe weiter verschärft, heißt es weiter. Im Nachbarland Bayern übernehme der Freistaat die Testkosten für Grenzpendler.
Antworten auf ihre Fragen hatten die Pendler und ihre Arbeitgeber bis zum Mittwochabend noch keine. "Wir arbeiten derzeit an einer rechtssicheren Umsetzung der Anordnung", heißt es auf Nachfrage aus dem Sozialministerium. Diskutiert werde inzwischen auch eine finanzielle Entlastung durch den Freistaat.
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