Zittau: Was wird aus riesiger Robur-Industriebrache?

Von der neoklassizistischen Schönheit ist nicht mehr viel zu sehen. Vom Stolz eines 100-jährigen Industrieprachtbaus auch nicht. Mauern bröckeln gefährlich, Glas ist geborsten, aus Fugen wachsen Bäume, den Hof holt sich die Natur zurück. Nicht mal das Morbide hat hier noch Charme. "Traurig ist das", sagt Johannes Düntsch. "Einfach nur traurig."
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Düntsch ist jetzt 89 Jahre alt. Sein ganzes Arbeitsleben hat er in den Zittauer Robur-Werken verbracht. Die waren einst der wirtschaftliche Stolz der Stadt. 1998 hat Werksdirektor Düntsch hier im Stammwerk an der Zittauer Eisenbahnstraße/Ecke Bahnhofstraße das Licht ausgemacht. Jetzt, mehr als zwei Jahrzehnte später, ist der einstige Stolz eine riesige Ruine - in bester Zittauer Stadtlage, gleich gegenüber vom Bahnhof, direkt am Eingang zum historischen Stadtzentrum.
So sieht es jetzt auf dem Robur-Gelände in Zittau aus
Das ganze, große Gelände gehört seit 2009 Zdzislaw Newiadomski, einem Unternehmer aus Polen. Er wollte hier eine Biogasanlage bauen. Aber aus dem Plan ist bisher nichts geworden. Und es scheint auch nicht so, als ob daraus überhaupt noch etwas wird. Der Besitzer ist für die SZ nicht zu sprechen, lässt Anfragen unbeantwortet, reagiert nicht auf das Klingeln an seiner Haustür.
Über die Pläne, die er mit seiner Immobilie in bester Stadtlage hat, ist nach Aussagen von Sprecher Kai Grebasch auch den Verantwortlichen im Zittauer Rathaus nichts bekannt. "Das Gebäude ist in Privatbesitz - was eine Einflussnahme seitens der Verwaltung auf eine wie auch immer geartete Entwicklung der Brache schwierig macht", sagt Grebasch. Stadtverwaltung und Stadtentwicklungsgesellschaft seien mit dem Eigentümer aber "in unregelmäßigem Austausch".
Auch die Bauaufsicht habe die Gebäude im Blick, bestätigt der Sprecher. Besonders der Gebäudeteil an der Marschnerstraße stehe hier unter Beobachtung. Schon 2014 war hier das Dach komplett eingestürzt. Gefahr im Verzug sieht die Stadt aber offenbar nicht. Nur an der Eisenbahnstraße ist ein Stück Mauer mit Bauzäunen gesichert. Dass die Stadt dem Verfall dieser großen, denkmalgeschützten Industriebrache seit Jahren tatenlos zusieht, ärgert Johannes Düntsch. Und diese Tatenlosigkeit passe auch nicht zu den Worten des Rathaussprechers, der sagt: "Das Thema Robur und die Zukunft des Robur-Geländes ist von großem Interesse für die Stadt Zittau. Nicht zuletzt steht der ungenutzte Gebäudekomplex unmittelbar am Bahnhof und damit an einem wichtigen Eingangstor in unsere Stadt."
Wie lange dieser ungenutzte Gebäudekomplex da allerdings überhaupt noch steht, wird langsam fraglich: "Wir haben jetzt einen Zustand, der einen Erhalt der Bausubstanz wohl kaum noch zulässt", ahnt Johannes Düntsch. Dabei steht das Hauptgebäude, der neoklassizistische Hochbau, unter Denkmalschutz. "Es müsste doch wenigstens die historische Bausubstand gesichert werden", sagt der frühere Robur-Direktor.
Hätte das nicht eine Chance gehabt im Zuge des Strukturwandels, für den der Bund gerade Milliardensummen in die Lausitz pumpt? Um an öffentliche Fördergelder zu kommen, müsste die Stadt die Brache übernehmen. Offenbar ist Besitzer Newiadomski auch an einem Verkauf interessiert. Warum also unternimmt die Stadt nichts in dieser Richtung, fragt Düntsch. Gemeinsam mit verschiedenen Partnern arbeitet der 89-Jährige schon lange an einem möglichen Konzept, wie die Brache revitalisiert werden könnte. "Wir brauchen eine regionale Initiative aus Wirtschaft und Politik", sagt er. Vor einem Jahr hat er sich mit diesen Gedanken in einem Brief an Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm) gewandt - ergebnislos.
Dabei war eine Sanierung und Wiederbelebung der Zittauer Industriebrachen - und hier eben ganz besonders auch der Robur-Brache im Stadtzentrum - ein großes Thema in der Zittauer Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2020. "Brache oder Chance?" hieß der Slogan, der vor allem als Wunsch aus der Bürgerbeteiligung kam. Industriemuseum, Coworking-Space-Arbeitsplätze, Gründerzentrum für junge Start-ups, Ateliers, offene Werkstätten - mehr als Worte auf dem Papier ist von den Ideen nicht geblieben.
Und eine Chance, die es gegeben hätte, ist vertan: Vor zweieinhalb Jahren hat ein potenzieller Investor aus Tschechien vor der Tür gestanden. Der Unternehmer aus der Nähe von Jablonec nad Nisou (Gablonz) hatte sich für den denkmalgeschützten Hochbau interessiert, in dem er ein Fahrzeugtechnik-Museum einrichten wollte. Mit Unterstützung der Stadt Zittau wäre das möglicherweise ein guter Plan gewesen. Doch die städtische Unterstützung, auf die der Tscheche gehofft hatte, sei ihm nach eigenen Aussagen verwehrt geblieben. Im Januar dieses Jahres - zweieinhalb Jahre nach seinem ersten Besuch in Zittau - hat er nun mitgeteilt, dass er jetzt Abstand nehme von dem Projekt. Die Kaufverhandlungen mit dem Eigentümer seien an den unterschiedlichen Preisvorstellungen gescheitert.
Mitarbeit: Arndt Bretschneider