Von Jörg Richter
Rödern. Rainer Rentzsch wagt sich nur schüchtern auf das Gelände des ehemaligen Jugendwerkhofs in Rödern. Wenn er nicht mit der SZ hier verabredet wäre, würde er wohl nur am geöffneten Tor vorbeigehen und sich fragen, was denn die vielen jungen Menschen hier treiben. Es sind rund 250 Pfadfinder aus Schleswig-Holstein, die hier etwa anderthalb Wochen ihre Zelte aufgeschlagen haben, um ein paar abenteuerliche Ferientage zu verbringen.


Gleich am Eingang wird er vom Lagerleiter Oliver Harder und mehreren seiner Mitstreiter begrüßt. Sie haben alle die gleichen mintgrünen Hemden an, sehen irgendwie militärisch aus. Die Halstücher erinnern sofort an die Jungen Pioniere aus DDR-Zeiten. Doch Harder nimmt lächelnd alle Vorbehalte. „Wir waren zuerst da. Die Pfadfinder gibt es seit über hundert Jahren“, sagt er. Die Machthaber in der ehemaligen DDR und vorher im Dritten Reich hätten die Idee von der auf Kameradschaft und Hilfsbereitschaft basierten Jugendarbeit von den Pfadfindern „geklaut“. Rainer Rentzsch soll sich selbst ein Bild davon machen, dass die evangelischen Pfadkinder aus dem hohen Norden nicht viele Gemeinsamkeiten mit Thälmannpionieren und Hitlerjugend besitzen.
Der Rentner (Jahrgang 1944) ist gespannt, was ihn hier erwartet. „Das ist für mich alles ganz neu hier“, sagt Rentzsch. „Ich weiß zwar, dass es Pfadfinder gibt, aber mehr auch nicht.“ Aus diesem Grund habe er gern die Einladung der SZ angenommen, als erster Röderner dieses Zeltlager zu besuchen.
Helge Fünderich führt ihn durchs Lager. Der 30-Jährige war bei der Vorhut mit dabei. Sie hatte das Lager vor gut zwei Wochen vorbereitet. „Wir sind in der Nacht um Vier hier aufgeschlagen – mit einem Vierzigtonner!“, erzählt er. Die jungen Pfadfinder im Alter von acht bis 27 Jahren, für die das hier alles organisiert wird, kamen mit fünf Reisebussen in Rödern an. „Also aufgefallen seid ihr schon“, sagt Rainer Rentzsch bestätigend.
Als er im hinteren Bereich des Geländes die vielen Zelte sieht, fragt er nach, warum sie denn ausgerechnet schwarz aussehen müssen. Das hat irgendetwas Bedrohliches an sich. „Wir machen in den Zelten Feuer“, erläutert Fünderich. „Und bevor wir weiße Zelte verrußen, nehmen wir gleich die schwarzen.“ Außerdem ziehe Schwarz die wärmenden Strahlen der Sonne an. Nach so einer verregneten Nacht wie zum Montag sei das wichtig zum Trocknen.
Sie gehen am Küchenzelt und am Hauptplatz mit dem großen Sonnensegel vorbei. Dahinter ist eine Leinwand gespannt, passend zum Theaterstück, das gerade von rund 20 Pfadfindern geprobt wird. „Sie üben für Robin Hood“, sagt Fünderich. So heißt auch das Thema für dieses Sommerlager. „Mal wieder“, ergänzt der 30-Jährige. Die Geschichte vom Robin Hood, dem Beschützer der Armen, sei wie geschaffen für jedes Pfadfinderlager. Nicht nur wegen Pfeil und Bogen oder seiner Vorliebe für Waldabenteuer. Die Legende von Robin Hood stammt auch aus dem Land, in dem die Idee der Pfadfinder geboren wurde. Aus England. Der britische General Robert Baden-Powell organisierte 1907 das erste Pfadfinderlager. Den Kindern verpasste er eine Uniform, Kluft genannt. „Sie soll die Unterschiede kaschieren. Keiner ist von Geburt an besser. Alle sind gleich.“, sagt Fünderich. – Ein Gedanke, der auch Rainer Rentzsch gefällt.
Er ist begeistert, was die Pfadfinder alles machen: zelten, wandern, spielen, Kanu fahren, schnitzen, knoten und lernen, sich in der Natur zu orientieren ... „Das wäre auch was für meine Enkel“, sagt Rentzsch.
Am Dienstagnachmittag will er mit ihnen wiederkommen. Dann laden die schleswig-holsteinischen Pfadfinder die Dorfbewohner ab 15 Uhr in ihr Zeltlager ein. Auch Ortschaftsräte und Bürgermeisterin Margot Fehrmann sind geladen.