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Zu viel Dreck in der Luft

In Dresden wurden 2014 gleich zwei EU-Grenzwerte überschritten. Es fehlt ein schlüssiges Konzept, sagt ein Experte.

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© Christian Juppe

Von Tobias Winzer

Dresden muss bei seinen Bemühungen um saubere Luft einen herben Rückschlag hinnehmen. Zum ersten Mal seit 2011 wurden im vergangenen Jahr die Feinstaub-Grenzwerte nicht eingehalten. An der Messstation in der Bergstraße hat das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie an 36 Tagen mehr Partikel in der Luft gemessen als erlaubt. Maximal 35 Tage sind laut Europäischer Union (EU) pro Jahr zulässig. Noch deutlicher sind die Abweichungen beim Stickstoffdioxid. Die erlaubten Werte wurden 2014 an derselben Station um rund ein Drittel überschritten. Das letzte Mal gab es 2009 derart hohe Konzentrationen in der Luft.

Die Stoffe sind gesundheitsschädigend und können unter anderem zu Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems führen. Letzten Berechnungen zufolge müssen in Dresden etwa 1 200 Menschen mehr Feinstaub einatmen als zulässig. Von erhöhten Stickstoffdioxid-Werten sind 6 500 Menschen betroffen. Die Daten müssen nun angesichts der neuen Messergebnisse aktualisiert werden.

An den beiden anderen Stationen in Dresden, an der Winckelmannstraße und am Schlesischen Platz, wurden die Grenzwerte eingehalten.

Das Landesamt verweist zwar auf die Vorläufigkeit der erhobenen Daten. Ende Januar sind die endgültigen Werte zu erwarten. Es gibt aber schon erste Erklärungen für die auffallend verpestete Luft. Wie eine Sprecherin mitteilt, könne der steigende Anteil der Dieselfahrzeuge eine Ursache sein. Mit fast 55 000 Wagen sind derzeit rund 10 000 Dieselfahrzeuge mehr in Dresden unterwegs als noch 2011.

Zudem habe es im vergangenen Jahr an der Nöthnitzer Straße, also in direkter Nachbarschaft zur Messstation, mehrere Baustellen der Universität gegeben. Die schon entstandenen neuen Häuser könnten auch einen negativen Einfluss auf die Durchlüftung des Gebiets haben.

Ein Großteil der erhöhten Messwerte ist aber auf eine natürliche Ursache zurückzuführen. Längere heiße und sehr trockene Phasen, wie zum Beispiel im Juli, haben dafür gesorgt, dass viel Ozon gebildet wird. „Bei hohen Stickstoffmonoxid-Konzentrationen, wie in der Bergstraße, wird Ozon aber auch rasch wieder abgebaut. Dabei wird Stickstoffmonoxid in Stickstoffdioxid umgewandelt.“ Dies lasse die Messwerte steigen.

Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Ursachen für zu viel Stickstoffdioxid zu etwa 75 Prozent beim Straßenverkehr vor Ort liegen. Bei der Feinstaubkonzentration macht dieser hingegen nur etwa ein Drittel aus. Die restlichen zwei Drittel werden je nach Wetterlage zu jeweils gleichen Teilen von weiter entfernten Straßen sowie von großen Kraftwerken aus Böhmen, der Lausitz oder aus dem Chemnitzer Raum nach Dresden geblasen. Das Umweltlandesamt analysiert gerade, welche Rolle dieser sogenannte Ferneintrag im vergangenen Jahr gespielt hat.

Fest steht aber: Die neuen Werte bringen die Stadt unter Zugzwang. Verwaltung und Stadtrat hatten im März 2011 einen Sonderweg beschlossen: Anders als in Leipzig entschied man sich gegen das Aussperren von Autos mit hohen Abgaswerten per Umweltzone und wollte die Luft stattdessen mit 122 Einzelmaßnahmen sauberer bekommen. Zu den Einzelmaßnahmen zählt neben dem bereits umgesetzten Durchfahrverbot für Laster auch das freiwillige Versprechen von Unternehmen, ihren Fuhrpark zu modernisieren. Zuletzt hatte die Stadt mitgeteilt, dabei nicht so voranzukommen wie erhofft.

Fortschritte beim Jobticket

Zu den neuesten Messwerten will sich die Stadt nun noch nicht äußern. Man wolle die endgültigen Daten Ende Januar abwarten, heißt es aus dem Rathaus. Zum Luftreinhalteplan werde gerade ein Bericht für die Stadträte vorbereitet.

Immerhin gibt es beim Jobticket, mit dem mehr Dresdner vom Auto auf Bus und Straßenbahn umsteigen sollen, Zuwächse. Nach Angaben der Verkehrsbetriebe erhalten derzeit rund 14 700 Angestellte den vergünstigten Fahrschein. Das sind rund tausend mehr als Ende 2013. Das im Luftreinhalteplan formulierte Ziel von 16 000 Nutzern ist damit nicht mehr weit.

TU-Verkehrsökologe Udo Becker wünscht sich aber ein schlüssiges Konzept, um die Verkehrsmengen spürbar zu reduzieren. „Es gibt relativ wenig, was die Stadt machen kann. Aber das, was sie tut, muss sie richtig machen.“ Er schlägt vor, dass die Autos mit sogenannten Pförtnerampeln gezielt am Stadtrand aufgehalten werden, dann aber flüssiger durch die Innenstadt rollen.

Die Stadt hatte Ähnliches vor, brach das Projekt an der Hansastraße aber wieder ab, weil die Ampeln dort angeblich bereits eine Pförtnerfunktion erfüllten. Zudem spricht sich Becker für eine erhebliche Verteuerung der Parkplätze in der Innenstadt und eine Verbesserung der Taktzeiten bei Bus und Straßenbahn aus. Zudem könnte eine noch striktere Umweltzone, bei der nur besonders saubere Autos in die Stadt gelassen werden, sinnvoll sein.

Welche Konsequenzen die nicht eingehaltenen Grenzwerte für die Stadtverwaltung haben, ist offen. Nach Angaben von Becker müsste die EU eigentlich pro Überschreitungstag eine Strafzahlung von 250 000 Euro verlangen. Politisch sei das aber kaum durchsetzbar. Zuletzt hatte die EU der Stadt Dresden bis 2015 eine Schonfrist gegeben, um die Wirkung des Luftreinhalteplans nachzuweisen. In Leipzig, wo die Feinstaubwerte an 43 Tagen überschritten wurden, hat die Europäische Union nach Angaben des Umweltlandesamtes bereits eine „umfassende, detaillierte Stellungnahme“ angefordert.